Einschläge live im Labor verfolgt
Redaktion
/ idw / Pressemitteilung des Deutschen Elektronen-Synchrotron astronews.com
12. Februar 2019
Ein Forschungsteam hat Meteoriteneinschläge im Labor
simuliert und die resultierenden Strukturänderungen in Mineralien live mithilfe
von Röntgenlicht verfolgt. Es zeigte sich, dass Änderungen der atomaren Struktur
je nach Kompressionsrate bei sehr unterschiedlichem Druck auftreten können. Dies
ist für die Rekonstruktion von Meteoriteneinschlägen anhand von Kratern von
Bedeutung.
Rasterelektronenmikroskop-Aufnahme der
Mikrostruktur des Feldspat-Minerals Albit vor der
Kompression. Die Bildweite beträgt ungefähr 0,036
Millimeter.
Bild: Stony Brook University, Lars Ehm [Großansicht] |
Meteoriteneinschläge spielen eine wichtige Rolle bei der Entstehung und
Entwicklung der Erde und anderer Himmelskörper in unserem Sonnensystem.
Einschlagkrater können auch nach Hunderten bis Millionen Jahren noch
Rückschlüsse auf Größe und Geschwindigkeit des jeweiligen Meteoriten sowie auf
Druck und Temperatur während seines Einschlags erlauben. Forscherinnen und
Forscher untersuchen dazu per Röntgenkristallographie Änderungen in der inneren
Struktur des Kratermaterials und vergleichen die Beobachtungen mit Ergebnissen
von Hochdruckexperimenten mit demselben Material im Labor.
Auf diese Weise hat sich in den vergangenen Jahrzehnten ein
Klassifizierungssystem etabliert, in dem unter anderem die in der planetaren
Kruste weit verbreiteten Feldspat-Mineralien Albit (Natron-Feldspat), Anorthit
und ihre Mischtypen der Plagioklas-Serie untersucht werden. Dabei dient
insbesondere die sogenannte Amorphisierung als Indikator, also der Verlust der
geordneten Kristallstruktur. Allerdings hat sich gezeigt, dass diese
Amorphisierung bei ganz unterschiedlichem Druck stattfinden kann - je nachdem,
wie schnell das Material komprimiert wird.
"Diese Differenzen zeigen die großen Lücken, die noch in unserem Verständnis
von kompressionsabhängigen Prozessen in Mineralien klaffen", erläutert
Forschungsleiter Lars Ehm von der Stony-Brook-Universität in New York und dem
Brookhaven National Laboratory. Dieser Wissensmangel hat weitreichende
Konsequenzen für die Analyse von Meteoritenkratern, aus der sich etwa Größe,
Geschwindigkeit und anderen Eigenschaften des auslösenden Meteoriten nicht so
genau ableiten lässt wie gewünscht.
Um diese Wissenslücken weiter zu schließen, haben die Forscherinnen und
Forscher um Ehm jetzt Feldspat-Proben im Labor unterschiedlich schnell
zusammengepresst und dabei verfolgt, wann die Amorphisierung einsetzt. Dazu
spannten sie Mikroproben in sogenannte dynamische Stempelzellen ein, deren
winzige Diamantstempel sich beispielsweise mit kleinen Piezo-Aktuatoren rasch,
aber kontrolliert zusammendrücken lassen.
Um die Veränderungen der Kristallstruktur live verfolgen zu können, nutzte
das Team unter anderem DESYs hochbrillante Röntgenlichtquelle PETRA III. Dabei
kam ein empfindlicher und schneller Spezialdetektor zum Einsatz. Die
Kristallstruktur einer Probe lässt sich aus der Art und Weise bestimmen, wie sie
die Röntgenstrahlung beugt. Das charakteristische Beugungsmuster erlaubt eine
atomgenaue Berechnung der inneren Struktur der Probe. Um schnelle Veränderungen
beobachten zu können, sind eine kurze Belichtungszeit und ein entsprechend
heller Röntgenstrahl nötig.
"Dank neuer und sehr leistungsfähiger Röntgenquellen wie DESYs PETRA III, der
Advanced Photon Source am Argonne National Lab oder dem
europäischen Röntgenlaser European XFEL sowie großen Fortschritten in der
Röntgendetektortechnik verfügen wir jetzt über die nötigen Werkzeuge, um die
atomare Struktur von Materialien während schneller Kompression zu messen",
erläutert Hanns-Peter Liermann, Leiter der "Extreme Conditions Beamline" P02.2
an DESYs Röntgenquelle PETRA III, wo ein großer Teil der Experimente
stattgefunden hat, insbesondere die Hochgeschwindigkeitsmessungen.
Die Proben wurden auf einen Druck von bis zu 80 Gigapascal zusammengepresst,
das entspricht dem 80.000-fachen Atmosphärendruck. "In unseren Experimenten
haben wir Gasdruck- und Aktuator-gesteuerte Diamantstempelzellen verwendet, um
die Proben schnell zusammenzudrücken, während wir fortlaufend
Röntgenbeugungsmuster aufgezeichnet haben", erläutert Melissa Sims von der Stony-Brook-Universität.
"Das hat uns ermöglicht, Änderungen der atomaren Struktur über den gesamten
Zyklus der Kompression und Dekompression zu verfolgen und nicht nur zum Start
und zum Ende des Versuchs wie in früheren, sogenannten Recovery-Experimenten."
Das Team konnte auf diese Weise die Amorphisierung von Albit und Anorthit bei
verschiedenen Kompressionsraten von 0,1 Gigapascal pro Sekunde bis 81 Gigapascal
pro Sekunde bestimmen. "Die Ergebnisse zeigen, dass der Übergang zur
Amorphisierung der Mineralien bei sehr verschiedenen Drücken geschieht, abhängig
von der Kompressionsrate", berichtet Ehm. "Eine höhere Kompressionsrate führt
dabei zu einem geringeren Amorphisierungsdruck." So wurde Albit bei der
niedrigsten Kompressionsrate erst bei einem Druck von 31,5 Gigapascal komplett
amorph, bei der höchsten Kompressionsrate dagegen schon bei etwa dem halben
Druck, 16,5 Gigapascal.
"Aus diesem Grund ist die Amorphisierung von Plagioklas-Mineralien nicht
unbedingt ein eindeutiger Standard, um die charakteristischen Bedingungen von
Spitzendruck und -temperatur während eines Meteoriteneinschlags zu ermitteln",
erläutert Ehm. Weitere Untersuchungen sollen nun das Verhalten dieser Mineralien
in noch größerem Detail durchleuchten und klären, ob und wie sich die
Einschlagbedingungen gegen die innere Struktur von Gesteinsmaterialien eichen
lassen.
An der Untersuchung waren Forscherinnen und Forscher der Stony-Broook-Universität,
von DESY und European XFEL, vom Argonne National Laboratory, der
Goethe-Universität Frankfurt, der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, der
Friedrich-Schiller-Universität Jena und vom Brookhaven National Laboratory
beteiligt.
Über ihre Untersuchung berichtet das Team jetzt in einem Fachartikel, der in
der Zeitschrift Earth and Planetary Science Letters erschienen ist.
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