Wird die Dunkle Energie stärker?
von Stefan Deiters astronews.com
31. Januar 2019
Die Dunkle Energie sorgt dafür, dass sich unser Universum
beschleunigt ausdehnt. Sie wurde erst vor rund 20 Jahren durch die Beobachtung
entfernter Supernova-Explosionen entdeckt. Bislang hielt man die Dunkle Energie
für konstant, jetzt deuten neue Beobachtungen darauf hin, dass sie mit der Zeit
stärker wird. Für das Verständnis der Entwicklung des Universums könnte dies
fundamental sein.
Der Quasar PSS 0133+0400 in einer Aufnahme
des Röntgenteleskops Chandra.
Bild: NASA /CXC /Universität von Florenz / G.
Risaliti & E. Lusso [Großansicht] |
Schon längere Zeit ist bekannt, dass unser Universum zum größten Teil aus
etwa besteht, was wir nicht kennen: der Dunklen Materie. Ihre Existenz wird
benötigt, um beispielsweise die beobachtete Rotation von Galaxien erklären zu
können. Vor rund 20 Jahren kam nun eine weitere dunkle Komponente hinzu: die
Dunkle Energie. Sie sorgt dafür, dass sich unser Universum beschleunigt
ausdehnt. Man hatte sie durch die Beobachtung entfernter Supernova-Explosionen
nachgewiesen, eine Entdeckung, die 2011 auch mit dem Nobelpreis für Physik
ausgezeichnet wurde.
In den meisten Studien wird diese Dunkle Energie als eine Art "kosmologischer
Konstante" angenommen, sie sollte als - unabhängig von Zeit und Ort - immer den
gleichen Wert aufweisen. Doch genau daran kommen nun Zweifel auf. Grund ist ein
neues Verfahren, durch dass sich die Distanz zu weit entfernten Quasaren besser
bestimmen lässt als bisher. Quasare sind die hellen Zentren von aktiven Galaxien
und lassen sich auch noch in deutlich größerer Entfernung beobachten, als es für
Supernova-Explosionen möglich ist.
Mithilfe dieser neuen Quasar-Entfernungen haben Guido Risalti von der
Universität im italienischen Florenz und Elisabeta Lusso von der Durham
University in Großbritannien nun die Expansionsrate des Universums bis in eine
viel größere Entfernung und damit bis in eine deutlich frühere Epoche der Entwicklung des
Universums bestimmt. So lieferten die Daten des amerikanischen Röntgenteleskops
Chandra und des europäischen Röntgenteleskops XMM-Newton Entfernungen für
Quasare, die wir in einer Zeit sehen, in der das Universum nur zwischen 1,1 und
2,3 Milliarden Jahre alt ist. Das aktuelle Alter des Universums beträgt 13,8
Milliarden Jahre.
"Wir haben Quasare nur rund eine Milliarde Jahre nach dem Urknall beobachtet
und stellten fest, dass die Expansionsrate des Universums bis in die heutige Zeit größer
ist, als
wir das erwartet hatten", erklärt Risaliti. "Das könnte bedeuten, dass die
Dunkle Energie mit zunehmendem Alter des Universums stärker wird."
Das neue Verfahren nutzt Röntgen- und Ultraviolett-Beobachtungen der
entfernten Quasare und macht sich eine bestimmte Korrelation der in den beiden
Wellenlängenbereichen ausgesandten Strahlung zunutze, um die Entfernungen zu
bestimmen. Für die Ultraviolettdaten verwendeten Risalti und Lusso Material des
Sloan
Digital Sky Survey. Insgesamt wurden 1598 Quasare betrachtet, mit dem Ergebnis,
dass die Dunkle Energie mit der Zeit zunimmt.
"Da es sich hier um ein neues Verfahren handelt, haben wir besonders viel
Wert darauf gelegt, sicherzustellen, dass wir durch die Methode auch
zuverlässige Ergebnisse erhalten", unterstreicht Lusso. "Wir haben gezeigt, dass
unser Verfahren die gleichen Resultate liefert, wie Supernova-Messungen über
die vergangenen neun Milliarden Jahre. Und das macht uns zuversichtlich, dass
das Ergebnis auch für die Zeit davor stimmt."
Bestätigen sich die Funde von Risalti und Lusso, würde dies bedeuten,
dass die Dunkle Energie keiner kosmologischen Konstante entspricht. Eventuell
könnte dies erklären helfen, warum etwa der Wert für die Hubble-Konstante,
also der Expansionsrate des Universums, der im lokalen Universum gemessen wird,
ein wenig von dem Wert abweicht, der sich aus den Daten über die kosmische
Hintergrundstrahlung ergibt.
Risalti und Lussa planen noch weitere Chandra-Beobachtungen von
Quasaren in ihre Analyse einzubeziehen, um das Verfahren auch
für einen noch größeren Bereich an Entfernungen auf den Prüfstand zu stellen.
Die aktuellen Resultate wurden in der Fachzeitschrift Nature Astronomy
veröffentlicht.
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