Für Symmetronen wird es eng
Redaktion
/ idw / Pressemitteilung der TU Wien astronews.com
9. August 2018
Die beschleunigte Expansion des Universum würde sich mit
einem sogenannten Symmetron-Feld erklären lassen, das - ähnlich wie das Higgs-Feld
- den gesamten Raum durchdringt. Nun haben Forscher mit einem
Hochpräzisions-Experiment gezielt nach solchen Feldern gesucht. Dass sie dabei
nichts entdeckten, schließt die Symmetronen-Theorie zwar noch nicht aus, macht
sie aber unwahrscheinlicher.
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Der Versuchsaufbau mit dem Spiegel, über dem
extrem langsame Neutronen vermessen werden.
Foto: TU Wien [Großansicht] |
Eines steht fest: Da draußen ist etwas, was wir nicht kennen. Seit vielen
Jahren sucht man nach der geheimnisvollen Dunklen Materie oder auch der Dunklen
Energie. Mit den bisher bekannten Naturkräften und Teilchen kann man nämlich
wichtige kosmologische Phänomene nicht erklären – etwa die beschleunigte
Expansion des Universums. Immer wieder werden neue Theorien vorgeschlagen, mit
denen sich die Dunkle Energie erklären ließe. Ein Kandidat dafür wären
sogenannte "Symmetron-Felder", die ähnlich wie das Higgs-Feld den gesamten Raum
durchdringen würden.
An der TU Wien hat man nun Experimente entwickelt, bei denen mithilfe von
Neutronen extrem kleine Kräfte gemessen werden können. Die Messungen fanden an
der ultrakalten Neutronenquelle PF2 des Instituts Laue-Langevin im Rahmen einer
100-tägigen Messkampagne statt. Sie hätten einen Hinweis auf die geheimnisvollen
Symmetronen liefern können – doch die Teilchen blieben unentdeckt. Das ist noch
nicht das endgültige Ende für die Symmetronen-Theorie, doch zumindest in einem
großen Parameterbereich kann man die Existenz von Symmetronen nun ausschließen.
Die Dunkle Energie muss wohl auf andere Weise erklärt werden.
"Eigentlich wären Symmetronen eine sehr schöne, elegante Erklärung für die
Dunkle Energie", sagt Prof. Hartmut Abele, wissenschaftlicher Leiter des
Forschungsprojekts. "Das Higgs-Feld wurde ja bereits nachgewiesen, und das
Symmetronen-Feld ist eng mit dem Higgs-Feld verwandt." Doch ähnlich wie beim
Higgs, dessen Masse bis zu seiner Entdeckung unbekannt war, lassen sich auch die
physikalischen Eigenschaften des Symmetrons nicht genau vorhersagen. "Niemand
kann sagen, welche Masse die Symmetronen hätten und wie stark sie mit
gewöhnlicher Materie wechselwirken würden", erklärt Abele. "Deshalb ist es auch
schwierig, sie im Experiment nachzuweisen – oder definitiv zu beweisen, dass es
sie nicht gibt."
Man kann die Existenz von Symmetronen immer nur in einem bestimmten
Parameterbereich bestätigen oder ausschließen – also Symmetronen mit Massen oder
Kopplungskonstanten in einem bestimmten Wertebereich. Man tastet sich daher mit
unterschiedlichen Experimenten voran, um unterschiedliche Parameterbereiche zu
untersuchen. Schon bisher wusste man, dass manche Bereiche ausgeschlossen werden
können. So kann es etwa Symmetronen mit großer Masse und kleiner Kopplungsstärke
nicht geben, weil sie sich sonst auf atomarer Ebene bereits entdeckt hätte:
Genaue Untersuchungen des Wasserstoffatoms hätten dann andere Ergebnisse liefern
müssen. Andererseits lassen sich auch Symmetronen in einem bestimmten Bereich
mit sehr großer Kopplungsstärke ausschließen, weil man sie sonst bei anderen
Experimenten mit großen, massiven Pendeln nachweisen hätte können.
Dazwischen gab es bisher aber noch sehr viel Platz für mögliche Symmetronen,
der nun in den Experimenten der TU Wien untersucht wurde. Extrem langsame
Neutronen werden zwischen zwei Spiegelplatten hindurchgeschossen. Die Neutronen
können sich dabei in zwei verschiedenen quantenphysikalischen Zuständen
befinden. Die Energien dieser Zustände hängen davon ab, welche Kräfte auf das
Neutron wirken – so wird das Neutron zum extrem sensiblen Kraft-Detektor. Würde
man feststellen, dass ganz knapp über dem Spiegel eine andere Kraft auf das
Neutron wirkt als ein Stück darüber, dann wäre das ein starker Hinweis auf die
Existenz des Symmetronen-Felds.
Mario Pitschmann von der TU Wien, Philippe Brax vom CEA bei Paris und
Guillaume Pignol vom LPSC Grenoble haben den Einfluss eines Symmetronfeldes auf
das Neutron berechnet. Doch obwohl die Messmethode extrem genau ist, konnte ein
solcher Effekt nicht nachgewiesen werden. Die Genauigkeit der Vermessung von
Energiedifferenzen liegt beim Experiment bei etwa 2 mal 10-15
Elektronenvolt, ein Verdienst der Dissertation von Gunther Cronenberg an der TU
Wien. Das entspricht der Energie, die man benötigt, um ein einzelnes Elektron im
Gravitationsfeld der Erde um etwa 30 Mikrometer nach oben zu heben – eine
unvorstellbar kleine Energiemenge.
Die für das Experiment benötigten ultrakalten Neutronen wurden am Instrument
PF2 des Instituts Laue-Langevin bereitgestellt. "Für derartige
Präzisionsexperimente bei extrem kleinen Zählraten ist das PF2 mit seinem
weltweit stärksten Fluss ultrakalter Neutronen praktisch alternativlos", erklärt
Tobias Jenke. Er war maßgeblich an der Entwicklung des Experiments an der TU
Wien beteiligt und ist heute zusammen mit Peter Geltenbort
Strahlplatzverantwortlicher der ultrakalten Neutronenquelle am Institut Laue-Langevin.
Es sieht insgesamt also nicht gut aus für die Theorie der Symmetronen, aber
ganz widerlegt ist ihre Existenz noch nicht. "Wir konnten einen großen
Parameterbereich ausschließen – Symmetronen mit Eigenschaften in diesem Bereich
gibt es definitiv nicht, sonst hätten wir sie gefunden", sagt Abele. Um auch die
verbleibenden Schlupflöcher definitiv zu schließen braucht man noch etwas
bessere Messungen – oder eine Entdeckung, die das Rätsel der Dunklen Energie auf
andere Weise löst.
Über ihre Untersuchung berichten die Forscher in der Fachzeitschrift
Physical Review Letters.
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