Von Chorwellen und Killer-Elektronen
Redaktion
/ idw / Pressemitteilung des Deutschen GeoForschungsZentrums Potsdam astronews.com
8. August 2018
Sie werden Chorwellen genannt, doch trotz des romantischen
Namens handelt es sich bei ihnen um elektromagnetische Wellen, die über der Erde
Polarlichter verursachen, aber auch Satelliten beschädigen können.
Wissenschaftler haben nun nachweisen können, dass es um den Jupitermond Ganymed
herum zu einer millionenfachen Verstärkung genau solcher Chorwellen kommt.
Jupiter und sein Mond Ganymed.
Bild: NASA/JPL/University of Arizona [Großansicht] |
Wer den elektromagnetischen Wellen lauscht, die die Erde umgeben, kommt sich
vor wie an einem knisternden Lagerfeuer am frühen Morgen, wenn die Vögel
erwachen. Es prasselt, zischt und zwitschert und zirpt, wenn die Wellen in Töne
umgewandelt werden. Darum heißen diese Wellen auch "Chorwellen". Sie verursachen
nicht nur Polarlichter, sondern können Elektronen so sehr beschleunigen, dass
diese Satelliten beschädigen.
In einer aktuellen Studie beschreiben Forscher nun außergewöhnliche
Chorwellen um andere Planeten unseres Sonnensystems. Das Team unter der Leitung
von Yuri Shprits vom Deutschen GeoForschungsZentrum und der Universität Potsdam
berichtet, dass die Intensität der Chorwellen um Jupiter in der Nähe des Mondes
Ganymed um den Faktor eine Million intensiver als der dortige Durchschnitt ist
und immerhin noch hundertmal intensiver in der Nähe des Jupitermondes Europa.
Die Ergebnisse stammen aus Auswertungen der Daten, die die Raumsonde Galileo zur
Erde sendete. "Die Beobachtungen haben uns überrascht und stellen uns auch vor
ein Rätsel, wie ein Mond mit einem eigenen Magnetfeld elektromagnetische Wellen
dermaßen verstärken kann", sagt Shprits.
Die auch von der Erde bekannten Chorwellen sind Radiowellen in sehr
tiefen Frequenzbereichen. Anders als die Erde mit ihrem eigenen Magnetfeld
bewegen sich Ganymed und Europa innerhalb des gigantischen Magnetfeldes von
Jupiter. Dieser Umstand spielt nach Ansicht der Autoren eine Schlüsselrolle bei
der Wellenverstärkung. Das Jupiter-Magnetfeld ist das stärkste in unserem
Sonnensystem und übertrifft das der Erde um den Faktor 20.000.
"Die irdischen Chorwellen sind nicht annähernd so stark wie die um den
Jupiter", sagt Professor Richard Horne vom British Antarctic Survey ,
der ebenfalls an der Studie beteiligt ist. "Selbst wenn nur ein Bruchteil dieser
Wellen es schafft, die nähere Umgebung von Ganymed zu verlassen, können sie
Elektronen extrem beschleunigen und damit auch für hochenergetische
'Killer-Elektronen' innerhalb des Jupiter-Magnetfeldes sorgen."
Dass der Jupitermond Ganymed ein eigenes Magnetfeld hat, wurde von Margaret
Kivelson und ihrem Team von der University of California in Los Angeles
entdeckt, die Plasmawellen in seiner Umgebung hat Don Gurnetts Gruppe an der
University of Iowa nachgewiesen. Doch bis jetzt war unklar, ob es sich bei
den Wellen um Zufallsereignisse handelte oder ob so eine Verstärkung die Regel
ist. Zumindest auf der Erde spielen die Chorwellen eine wichtige Rolle bei der
Entstehung von 'Killer-Elektronen', die Satelliten und deren Übertragungstechnik
empfindlich stören können.
Die aktuelle Studie wirft die Frage auf, ob das auch im Jupiter-Orbit so sein
könnte. Mehr noch: Die Beobachtungen des Gasplaneten erhellen grundlegende
Prozesse der Plasmaphysik, die auch für die künftige Energieversorgung wichtig
sein könnten. Außerdem erlauben sie Einblicke in die Beschleunigung und den
Verlust von Elektronen bei anderen Planeten und darüber hinaus sogar in
entfernten Winkeln des Universums. "So kann die Studie uns vielleicht helfen
herauszufinden, ob Planeten außerhalb unseres Sonnensystems – die Exoplaneten –
eigene Magnetfelder haben", so Shprits. "Unsere Ergebnisse liefern auch
wertvolle Beobachtungsdaten, die als Vergleich und Randbedingung für
Modellrechnungen zu Magnetfeldverstärkungen herangezogen werden können.“
Über ihre Untersuchungen berichten die Wissenschaftler in einem Fachartikel, der in der
Zeitschrift Nature Communications erscheint.
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