Der Barcode der Sterne
Redaktion
/ idw / Pressemitteilung des Deutschen Museums astronews.com
29. November 2017
Vor 200 Jahren veröffentlichte Joseph Fraunhofer sein von
Hunderten schwarzen Linien durchzogenes Sonnenspektrum. Dass diese Entdeckung
einer der Grundpfeiler der modernen Astrophysik werden würde, wurde erst
Jahrzehnte später deutlich. Im Deutschen Museum in München sind nun erstmals
zwei farbige Originaldrucke des Spektrums in einer kleinen Sonderausstellung zu
sehen.
Schwarze Striche durchziehen das
Sonnenspektrum. Eines der beiden farbigen
Original-Blätter mit den Fraunhofer-Linien aus
dem Archiv, die jetzt zum ersten Mal der
Öffentlichkeit präsentiert werden.
Bild: Deutsches Museum [Gesamtansicht] |
Da lag der große Dichter und Denker total daneben: "Abscheulich, wider die
Natur des Lichts, letztlich unwichtig, ja sogar störend für jegliche
Naturerkenntnis", urteilte Johann Wolfgang von Goethe über die
Fraunhofer-Linien. Als Joseph Fraunhofer vor genau 200 Jahren sein von Hunderten
schwarzen Linien durchzogenes Sonnenspektrum in München veröffentlichte, wusste
er allerdings selbst noch nicht um die Tragweite seiner Entdeckung. Erst
raffinierte Experimente und Ideen von Kirchhoff und Bunsen zeigten gut 40 Jahre
später, dass Fraunhofer den Schlüssel für den Geheimcode der Sterne geliefert
hatte.
Das Deutsche Museum feiert das Jubiläum der Fraunhofer-Linien zusammen mit
der Bayerischen Akademie der Wissenschaften mit einer Vortragsreihe und einer
kleinen Sonderausstellung, bei der ab 22. November erstmals zwei farbige
Originaldrucke des Spektrums aus dem Bestand des Archivs in der Akademiesammlung
gezeigt werden. Die Ausstellung ist bis zum 28. Februar 2018 zu sehen.
"Wir sind heute dank der allgegenwärtigen Barcodes an verschlüsselte
Informationen mit Strichen gewöhnt", sagt Jürgen Teichmann, der die
Sonderausstellung kuratiert hat, "aber als Fraunhofer vor über 200 Jahren diese
schwarzen Linien im Farbenspektrum der Sonne entdeckte, war das noch völlig
mysteriös." Fraunhofer verstand und nutzte sie als Messmarken, innerhalb der
sonst ineinander verschwimmenden Farben von Rot bis violett. Er wollte sie
möglichst präzise und dabei ästhetisch eindrucksvoll darstellen.
Wegen Fraunhofers Perfektionismus verzögerte sich die Veröffentlichung in den
Denkschriften der Bayerischen Akademie der Wissenschaften erheblich, bis die
Schwarz-Weiß-Abdrucke des Spektrums seinen Ansprüchen genügten. "Fraunhofer
hätte das Sonnenspektrum natürlich gerne so farbensprühend dargestellt, wie es
in seinen Experimenten mit Glasprisma und Fernrohr zu sehen war", erzählt
Teichmann, "aber das gab die Drucktechnik damals nicht her."
Einige Jahre später versuchte der junge Wissenschaftler es schließlich doch
in Farbe. Drei handkolorierte Einzelexemplare aus dieser Zeit sind erhalten.
"Zwei davon befinden sich im Besitz des Deutschen Museums und werden jetzt zum
ersten Mal der Öffentlichkeit präsentiert", sagt Kurator Teichmann. Dazu werden
einige Originalinstrumente und verschiedene Veröffentlichungen ausgestellt, die
die Bedeutung der Fraunhofer-Linien für die moderne Astrophysik erläutern.
Denn Gustav Robert Kirchhoff und Robert Bunsen fanden etwa 1860 heraus, dass
jedes chemische Element mit einer spezifischen Anzahl und Anordnung von
Spektrallinien assoziiert war. "Das heißt, dass man mit den Linien bestimmen
konnte, aus welchen chemischen Elementen ein Himmelskörper besteht, indem man
seine Strahlung untersuchte", erklärt Teichmann. Mit der Identifikation der
Fraunhofer-Linien als "Barcode der chemischen Elemente in der Sonnenatmosphäre"
begann der Siegeszug der optischen Spektroskopie.
Im Laufe der Zeit wurden die Messmethoden erweitert und verfeinert, was viele
herausragende Forschungsergebnisse brachte. Von Hubble und der Kosmologie um
1926 über die Entdeckung der Quasare 1964 bis zur Entdeckung des riesigen
Magnetfelds eines Röntgenpulsars 1978 wird die Bedeutung der feinen schwarzen
Striche in der kleinen Sonderausstellung rund um die farbenfrohen
Originalblätter verdeutlicht.
Wie bahnbrechend Fraunhofers Linien für die Entwicklung unserer modernen
Gesellschaft waren und sind, das belegen auch die Vorträge im Rahmen der
Jubiläumsausstellung: Von der "Geburt der Astrophysik" über "Die Jagd nach dem
Schwarzen Loch" und die "Optische Erkennung von Materialien" bis hin zum "ersten
Schritt zu Bio-Solarzellen".
Das dritte erhaltene farbige Originalblatt des Spektrums befindet sich
übrigens im Goethe-Nationalmuseum in Weimar. Samuel Thomas Sömmering, ein Freund
Fraunhofers und Goethes, hatte es selbst an den Dichterfürsten geschickt, mit
dem Hinweis, dass die dunklen Linien "das Schattige" der Farben nach Goethes
Theorie darstellen könnten. Doch der große Denker akzeptierte letztlich dieses
abscheulich "durchstrichelte" Spektrum, wie er es nannte, nicht. In einem seiner
Gedichte heißt es: "Die Sterne, die begehrt man nicht, man freut sich ihrer
Pracht". Aber dank Fraunhofer und seiner Linien wissen wir heute bis ins
Kleinste, was von dort oben so prächtig auf uns scheint.
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