Das Geheimnis der Staubfontänen
Redaktion
/ Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts für Sonnensystemforschung astronews.com
25. Oktober 2017
Die eindrucksvollen Staubfontänen, die Kometen auf ihrem Weg
um die Sonne ins All spucken, werden nicht allein von verdampfendem Wassereis
angetrieben. Vielmehr verstärken in manchen Fällen weitere Prozesse die
Ausbrüche. Dies ist das Ergebnis von Beobachtungen, die gleich fünf Instrumente
an Bord der Sonde Rosetta von einem Ausbruch auf dem Kometen 67P/Churyumov-Gerasimenko
gemacht haben.
Blick auf den Kometen 67P/Churyumov-Gerasimenko
aus einer Entfernung von etwas mehr als 100
Kilometern.
Bild: ESA/Rosetta/NAVCAM – CC BY-SA IGO 3.0 [Großansicht] |
Als am 3. Juli 2016 die Sonne über der Imhotep-Region des Kometen 67P
aufging, stimmte einfach alles: Während sich die Oberfläche erwärmte und begann,
Staub ins All zu blasen, führte Rosettas Flugbahn die Sonde mitten
durch die so entstandene Wolke. Gleichzeitig war der Blick des Kamerasystems
OSIRIS zufällig genau auf die Stelle der Kometenoberfläche gerichtet, von der
die Fontäne ihren Ursprung nahm. Fünf Bordinstrumente hatten den Ausbruch in den
folgenden Stunden dokumentiert.
"Das war ein absoluter Glücksfall. So etwas lässt sich unmöglich planen",
sagt Jessica Agarwal vom Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung, die
Leiterin der Studie. Schließlich treten die Fontänen in der Regel ohne
Vorwarnung auf. Die allermeisten dieser Ereignisse, die Rosetta während
ihres mehr als zweijährigen Aufenthalts am Kometen miterlebte, konnte deshalb
nur ein einziges Instrument aus großer Entfernung aufzeichnen.
In den seltenen Fällen, in denen die Raumsonde zufällig durch die
Staubfontäne flog, fehlen in der Regel aufschlussreiche Aufnahmen der
entscheidenden Stelle auf der Kometenoberfläche. "Aus den umfangreichen
Messdaten vom 3. Juli 2016 konnten wir den Verlauf und die Eigenschaften des
Ausbruchs so detailliert wie nie zuvor rekonstruieren", so Agarwal.
Die beiden In-situ-Instrumente GIADA (Grain Impact Analyser and Dust
Accumulator) und COSIMA (Cometary Secondary Ion Mass Analyzer) fingen einzelne
Staubteilchen aus der Fontäne ein und bestimmten deren Geschwindigkeiten, Größen
und mittlere Dichten. "Dies ist das erste Mal, dass COSIMA dazu beigetragen hat,
eine konkrete Staubfontäne zu charakterisieren", sagt Sihane Merouane vom
Göttinger Institut und Mitglied des COSIMA-Teams. Da das Instrument oftmals
mehrere Wochen lang Teilchen einsammelt, lassen sie sich nur schwer einem
bestimmten Ereignis zuordnen.
Die COSIMA-Daten legen nahe, dass die Partikel aus der Fontäne leichter
zerbrechen als das sonst eingefangene Kometenmaterial. "Sie müssen entweder sehr
schnell oder vergleichsweise locker aufgebaut sein", sagt der Leiter des
COSIMA-Teams Martin Hilchenbach. Der Spektrograf Alice konnte zudem den
Helligkeitsanstieg in Folge der Fontäne messen und wies winzige Eispartikel in
der Staubwolke nach.
Selbst einer der Sternensensoren von Rosetta, der eigentlich der
Lagebestimmung im Raum dient, trug ein Puzzleteil zum Gesamtbild bei: Kurz nach
Beginn des Ausbruchs registrierte der Sensor einen Anstieg in der
Strahlungsintensität der Kometenkoma und zeichnete auf, wie sich diese in den
nächsten Stunden entwickelte.
"Das Einzigartige am Ereignis vom 3. Juli 2016 sind die hoch aufgelösten
Aufnahmen der Oberfläche", erklärt Max-Planck-Wissenschaftler Holger Sierks, der
Leiter des OSIRIS-Teams. Die Forscher machten einen runden Bereich von etwa zehn
Metern Durchmesser innerhalb einer Senke als Ausgangspunkt der Fontäne aus. Wie
die Auswertungen der OSIRIS-Daten zeigen, enthält diese Region oberflächliches,
gefrorenes Wasser.
Gemeinhin nehmen die Astronomen an, dass gefrorene Gase an der Oberfläche wie
etwa Wasser für die Staubproduktion von Kometen ursächlich sind. Unter dem
Einfluss der Sonne gehen diese Stoffe direkt in den gasförmigen Zustand über;
das wegströmende Gas reißt Staubpartikel mit sich und erzeugt so die sichtbaren
Fontänen. Oftmals treten diese kurz nach Sonnenaufgang auf.
Die aktuelle Studie zeigt jedoch, dass dieser Prozess allein das Ereignis vom
3. Juli 2016 nicht stimmig erklären kann. Mit einer Staubproduktion von etwa 18
Kilogramm pro Sekunde fällt die Fontäne um ein Vielfaches "staubige"“ aus, als
herkömmliche Modelle erwarten lassen. "Ein weiterer Prozess muss mit im Spiel
sein", sagt Agarwal. "In irgendeiner Form muss Energie von unterhalb der
Oberfläche freigesetzt worden sein und so den Ausbruch unterstützt haben."
Denkbar wäre etwa, dass sich unter der Oberfläche des Kometen Hohlräume
befinden, die mit komprimiertem Gas gefüllt sind. Die beim Sonnenaufgang
einfallende Strahlung erwärmt die darüber liegende Oberfläche, Risse entstehen
und das Gas entweicht.
Einer anderen Theorie zufolge spielen Vorkommen von amorphem Eis unter der
Oberfläche eine entscheidende Rolle. Bei dieser Spielart gefrorenen Wassers sind
die einzelnen Moleküle nicht – wie beim kristallinen Eis üblich – in eine
gitterartige Struktur aufgereiht, sondern wild durcheinander angeordnet. Da der
kristalline Zustand energetisch günstiger ist, wird beim Übergang vom amorphen
zum kristallinen Eis Energie frei. Energieeintrag durch Sonnenlicht kann diese
Umwandlung in Gang setzen. Dennoch: Welcher Prozess genau am 3. Juli vergangenen
Jahres mitwirkte, ist noch unklar.
Über ihre Ergebnisse berichten die Forscher in einem Fachartikel, der in
der Zeitschrift Monthly Notices of the Royal Astronomical Society erschienen ist.
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