Das Geheimnis des schweiflosen Kometen
von Stefan Deiters astronews.com
2. Mai 2016
2014 entdeckten Astronomen mit C/2014 S3 einen aus der
Oortschen Wolke stammenden Kometen, der erst vor vergleichsweise kurzer Zeit ins
innere Sonnensystem abgelenkt worden sein dürfte. Er zeigte allerdings keinerlei
Schweif. Jetzt fand man dafür eine Erklärung: Es handelt sich um einen
Gesteinskometen, der den Asteroiden im Asteroidengürtel gleicht.
So könnte der Gesteinskomet C/2014 S3
(PANSTARRS) aussehen (künstlerische Darstellung).
Bild: ESO / M. Kornmesser [Großansicht] |
Der Komet C/2014 S3 (PANSTARRS) wurde, wie sein Name schon andeutet, im Jahr
2014 mithilfe des Teleskops Pan-STARRS1 entdeckt, als er etwa doppelt so weit von
der Sonne entfernt war wie die Erde. Seine lange Umlaufdauer von etwa 860 Jahren
deutete darauf hin, dass der Komet aus der Oortschen Wolke stammt, also aus einem
vermuteten Reservoir von Kometenkernen weit jenseits der Bahnen der Planeten. Er
dürfte erst vor relativ kurzer Zeit von dort ins innere Sonnensystem gelenkt
worden sein.
Der Komet hatte eine Besonderheit: Er zeigte nämlich - im Gegensatz zu den
meisten anderen Kometen mit einer so langen Umlaufperiode - bei Annäherung an
die Sonne keinerlei Schweif. Um den Grund dafür auf die Spur zu kommen, führten
Astronomen gründliche spektrale Untersuchungen des Brockens mit dem Very Large
Telescope der ESO und dem Canada France Hawaii Telescope durch. Diese ergaben,
dass der Komet in seiner Zusammensetzung mehr einem Asteroiden gleicht, wie man
sie im Asteroidengürtel zwischen Mars und Jupiter findet.
C/2014 S3 (PANSTARRS) dürfte, so die Schlussfolgerung der Astronomen, im
inneren Sonnensystem entstanden sein, wurde dann aber - zu einem sehr frühen
Zeitpunkt - ins äußere Sonnensystem abgelenkt. So besteht die Möglichkeit, dass
sich in C/2014 S3 ein noch ursprüngliches Objekt aus dem inneren Sonnensystem
erhalten hat, da es die meiste Zeit "tiefgekühlt" in den Außenbereichen unseres
Systems verbracht hat.
"Wir kennen viele Asteroiden, doch wurden diese durch die Milliarden Jahre in
Sonnennähe gegart", so Karen Meech vom Institute of Astronomy der
University of
Hawaiʻi. "Dies ist der erste 'rohe' Asteroid, den wir beobachten konnten: Er
befand sich in einem der besten Gefrierschränke, die es gibt."
C/2014 gleicht den Steinmeteoriten, die von Experten als S-Asteroiden
bezeichnet werden, wobei das "S" für Silikat steht. Mit einem Anteil von 17
Prozent sind sie der zweithäufigste Asteroidentyp. Alle Beobachtungsdaten deuten
darauf hin, dass das Material von C/2014 S3 bislang sehr wenig durch äußere
Einflüsse verändert wurde. Typische Kometen, die in größerer Entfernung von der
Sonne entstehen, ähneln mehr schmutzigen Schneebällen, bestehen also zu einem
großen Teil aus Eis und nicht - wie C/2014 S3 - aus Gestein.
Der Fund liefert einen wichtigen Hinweis auf die Entstehungsgeschichte des
Sonnensystems. Aktuelle Modelle können die Strukturen unserer Heimat im
Universum gut reproduzieren, zeigen aber deutliche Unterschiede bei ihren
Vorhersagen über die Zusammensetzung der Oortschen Wolke, insbesondere über das
Verhältnis von Objekten aus Gestein und Objekten aus Eis. Entscheidend dabei ist
beispielsweise, wie stark die Gasriesen des Sonnensystems in der Frühphase
gewandert sind und dadurch kleinere Brocken in die Außenbereiche abgelenkt
haben.
Der Fund des ersten Objekts aus Gestein aus dieser Region ist damit ein
Beweis dafür, dass es solche Brocken da draußen tatsächlich gibt.
Allerdings wird man, so die Schätzung der Astronomen, noch 50 bis 100 weitere
dieser Gesteinskometen beobachten müssen, um sichere Aussagen über die
Gültigkeit verschiedener Modelle machen zu können.
"Wir haben den ersten Gesteinskometen gefunden und wir suchen nach weiteren",
so Olivier Hainaut von der europäischen Südsternwarte ESO in Garching. "Abhängig
davon, wie viele wir finden, wird sich herausstellen, ob die Gasplaneten sich
einst durch das Sonnensystem bewegten oder aber eher ruhig wuchsen ohne eine
große Wanderung."
Über ihre Beobachtungen berichten die Astronomen in der Zeitschrift
Science Advances.
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