Massengrenze für Neutronensterne
Redaktion
/ idw / Pressemitteilung der Universität Frankfurt astronews.com
12. April 2016
Wie groß ist die Masse, die ein Neutronenstern noch
aufnehmen kann, ohne zum Schwarzen Loch zu kollabieren? Und welche Rolle spielt
dabei die Rotation des Sterns um die eigene Achse, die der gravitativen
Massenanziehung entgegenwirkt? Astronomen der Universität Frankfurt glauben
hierauf jetzt eine relativ einfache Antwort gefunden zu haben.
Simulation der Gravitationswellen von
einem kollabierenden Neutronenstern.
Bild:
Luciano Rezzolla [Großansicht] |
Neutronensterne gehören zu den kompaktesten Objekten im Universum. Ihr starkes
Gravitationsfeld zieht unweigerlich immer mehr Masse an. Doch diesem Prozess
sind Grenzen gesetzt. Ist eine kritische Masse erreicht, kollabiert der
Neutronenstern zu einem Schwarzen Loch. Wie groß die Masse maximal werden darf,
war eine seit Jahrzehnten offene Frage. Astrophysiker der Goethe-Universität in
Frankfurt haben jetzt eine einfache Formel dafür gefunden.
Um den Kollaps hinauszuzögern, können Neutronensterne zu rotieren beginnen. So
kann die Fliehkraft noch eine Weile die zunehmende Gravitationskraft
kompensieren. Dabei muss sich der Stern umso schneller drehen, je mehr Masse er
anhäuft, bis er schließlich auseinanderbricht. Somit ist die absolute Obergrenze
für die Masse eines Neutronensterns durch die maximale Masse bei
schnellst-möglicher Rotation gegeben.
Diese Masse jedoch aus einfachen physikalischen Grundprinzipien zu berechnen,
ist nicht möglich, weil die Zustandsgleichung, die Auskunft über Temperatur- und
Druckverhältnisse der Elemente im Stern gibt, unbekannt ist. Doch die
Frankfurter Astrophysiker glauben für dieses Problem eine elegante Lösung
gefunden zu haben: So lässt sich die maximale Masse eines schnell rotierenden
Neutronensterns aus der maximalen Masse der entsprechenden nicht-rotierenden
Konfiguration ableiten.
"Es ist erstaunlich, dass ein komplexes System wie ein rotierender
Neutronenstern durch eine so einfache Relation beschrieben werden kann", erklärt
Luciano Rezzolla, Professor für Theoretische Astrophysik an der
Goethe-Universität. "Wir wissen jetzt, dass der Neutronenstern durch
schnellst-mögliche Rotation höchstens 20 Prozent seiner maximalen
nicht-rotierenden Masse zulegen kann."
Die Wissenschaftler haben Zehntausende Modelle für Neutronensterne berechnet.
Ausschlaggebend für ihre Entdeckung war, dass sie die Daten unter dem richtigen
Blickwinkel betrachteten: Sie fanden eine Normierung, dank der sich die
Neutronensterne unabhängig von ihrer Zustandsgleichung auf universelle Weise
beschreiben lassen.
"Das Ergebnis lag direkt vor unserer Nase, aber wir mussten erst die richtige
Perspektive wählen, um es zu sehen", sagt Cosima Breu, Masterstudentin am
Institut für Theoretische Physik. Sie hat die Analyse im Rahmen ihrer
Bachelor-Arbeit ausgeführt. Das universelle Verhalten für die maximale Masse ist
Teil einer größeren Klasse universeller Beziehungen, die kürzlich für
Neutronensterne entdeckt wurden.
In diesem Kontext haben Breu und Rezzolla auch eine vereinfachte Form gefunden,
das Trägheitsmoment eines rotierenden Neutronensterns in Abhängigkeit von seiner
Kompaktheit auszudrücken. Sobald es gelingt, Trägheitsmomente experimentell an
binären Pulsaren zu messen, wird es mithilfe dieser neuen Methode möglich sein,
deren Radius mit einer Genauigkeit von zehn Prozent oder weniger zu bestimmen.
Pulsare sind schnell rotierende Neutronensternen, die entlang einer Achse
hochenergetische elektromagnetische Strahlung aussenden. Auf diese Weise können
sie mit Weltraumteleskopen geortet werden. Das einfache, aber grundlegende
Ergebnis eröffnet die Möglichkeit, künftig mehr universelle Beziehungen in
rotierenden Sternen aufzuspüren.
"Wir hoffen, noch mehr ähnlich aufregende Ergebnisse zu finden, wenn wir das
weitgehend unerforschte Gebiet der differentiell rotierenden Neutronensterne
erkunden. Bei diesen Sternen rotiert die Masse im Zentrum schneller als die
Oberfläche", so Rezzolla.
Über ihre Ergebnisse berichten die Forscher in einem Fachartikel, der in der
Zeitschrift Monthly Notices of the Royal Astronomical Society
erschienen ist.
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