Wie ein Stern verschluckt wird
von Stefan Deiters astronews.com
30. November 2015
Astronomen konnten jetzt verfolgen, wie ein
supermassereiches Schwarzes Loch in einer rund 300 Millionen Lichtjahre
entfernten Galaxie einen sonnenähnlichen Stern verschlingt und wie dadurch ein
gebündelter Partikelstrahl, ein sogenannter Jet, entsteht. Es ist das erste Mal,
dass ein solcher Vorgang in seiner Gesamtheit beobachtet werden konnte.
Ein Stern wird von einem Schwarzen Loch
angezogen und zerstört (links) und es bildet sich
ein Jet aus (rechts).
Bild: Johns Hopkins University / Amadeo
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Einem internationalen Astronomenteam um Sjoert van Velzen von der
US-amerikanischen Johns
Hopkins University ist es gelungen, die letzten Momente der Existenz eines
sonnenähnlichen Sterns zu verfolgen, der bislang um ein supermassereiches
Schwarzes Loch im Zentrum einer rund 300 Millionen Lichtjahre entfernten Galaxie
gekreist war. Die Wissenschaftler beobachteten, wie der Stern
vom Schwarzen Loch angezogen und schließlich verschluckt wurde, wodurch ein
enggebündelter Partikelstrahl, ein sogenannter Jet, entstand.
"Diese Ereignisse sind extrem selten", erläutert van Velzen. "Es ist das
erste Mal, dass wir alles beobachten konnten, von der Zerstörung des Sterns bis
zur Entstehung eines kegelförmigen Ausflusses, eines sogenannten Jets. Wir haben
die Abläufe über mehrere Monate verfolgen können."
Astronomen hatten schon länger den Verdacht, dass ein solcher
enggebündelter Partikelstrahl, der mit extrem hoher Geschwindigkeit ins All
schießt,
immer dann entsteht, wenn ein Schwarzes Loch größere Mengen an Gas verschlingt.
Das sollte natürlich auch gelten, wenn es sich um einen ganzen Stern handelt.
Die Beobachtungen der Astronomen liefern nun Daten aus Beobachtungen, die diese
theoretischen Überlegungen bestätigen. "Vorherige Bemühungen, diese Jets zu
finden, an denen auch ich mich beteiligt hatte, kamen immer zu spät", so van Velzen.
Supermassereiche Schwarze Löcher sollte es - so die aktuellen Erkenntnisse
der Astronomen - praktisch in allen Galaxien geben. Das Schwarze Loch in der vom
Team um van Velzen beobachteten Galaxie gehört dabei eher zu den masseärmeren
Vertretern dieses Typs, bringt es aber noch immer auf etwa die einmillionfache
Masse unserer Sonne.
Erstmals waren Astronomen der Ohio State University im Dezember 2014 bei
Beobachtungen im sichtbaren Bereich des Lichts auf die Ereignisse in der fernen
Galaxie aufmerksam geworden. Van Velzen kontaktierte daraufhin Kollegen
an der University of Oxford, die innerhalb kurzer Zeit mit Beobachtungen im
Radiobereich begannen. Auch Daten in weiteren Wellenlängenbereichen, etwa im
Röntgenbereich, standen bald zur Verfügung.
Zunächst vergewisserten sich die Astronomen, dass die beobachtete Strahlung
nicht von einer sogenannten Akkretionsscheibe stammte, die schon länger um das
Schwarze Loch vorhanden war. In solchen Scheiben sammelt sich Material bevor es in
einem Schwarzen Loch verschwindet. Die Forscher sind sich aber sicher, dass der
plötzliche Helligkeitsanstieg der Galaxie auf den vom Schwarzen Loch
eingefangenen Stern zurückzuführen war.
"Die Zerstörung eines Sterns durch ein Schwarzes Loch ist wunderbar
kompliziert und alles andere als verstanden", so van Velzen. "Von unseren
Beobachtungen kann man lernen, dass Ströme aus stellaren Trümmerteilen sich so
organisieren können, dass sich sehr schnell ein Jet bildet, was eine wichtige
Information ist, um eine Gesamttheorie über diese Art von Ereignissen zu erstellen."
Van Velzen und sein Team waren nicht die Einzigen, die auf das Schicksal des
Sterns aufmerksam geworden waren. Auch ein Team der Harvard University
hat die Galaxie mithilfe von Radioteleskopen in New Mexiko beobachtet. Beide
Arbeitsgruppen haben sich zu Monatsbeginn während eines Workshops in Jerusalem
getroffen und ihre Vorstellungen über die Vorgänge in der fernen Galaxie
ausgetauscht.
Das Team um van Velzen berichtet über die Ergebnisse in der aktuellen Ausgabe
der Wissenschaftszeitschrift Science.
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