Keine Spur von fortschrittlichen Zivilisationen
von Stefan Deiters astronews.com
21. September 2015
Zivilisationen, die deutlich weiter entwickelt sind als
unsere, sollten eine so große Menge an Energie verbrauchen, dass die damit
verbundene Abwärme auch noch aus großer Entfernung nachweisbar wäre. Jetzt hat
ein Astronom nach entsprechenden Indizien gesucht - jedoch ohne Erfolg. Mit
einer Invasion uns überlegener Außerirdischer ist also wohl erst einmal nicht zu
rechnen.
So könnte eine
Zivilisation vom Kardaschow-Typ III aussehen.
Bild: Danielle Futselaar / ASTRON [Großansicht] |
Überall im Universum könnte es Zivilisationen geben, die bereits deutlich
weiter entwickelt sind, als die Menschheit auf der Erde. Schon Mitte der 1960er
Jahre hat daher der russische Astronom Nikolai Kardaschow vorgeschlagen, die
Entwicklungsstufe dieser Zivilisationen quasi nach deren Energieverbrauch zu
klassifizieren.
Dabei wäre eine Zivilisation vom Kardaschow-Typ I in der Lage, die gesamte
auf einem Planeten verfügbare Leistung zu nutzen. Eine Zivilisation vom Typ II
würde die Gesamtleistung des jeweiligen Zentralsterns, die vom Typ III die
der gesamten Galaxie nutzen. Die Menschheit hat auf dieser Skala noch nicht einmal Typ
I
erreicht.
Sollte es aber tatsächlich Zivilisationen geben, die eine so große
Energiemenge nutzbar machen können, dass sie als Kardaschow-Zivilisation vom Typ
III beschreibbar wären, sollten sie sich auch in entfernteren Galaxien durch eine
typische Strahlung im mittleren Infrarotbereich entdecken lassen. Und
tatsächlich haben Astronomen in den USA bereits einige Hundert Galaxien
aufgespürt, die in diesem Wellenlängenbereich eine ungewöhnlich hohe Abstrahlung
aufweisen.
Allerdings lässt sich genau diese Strahlung auch auf andere Weise erklären,
nämlich durch die thermische Emission von warmem Staub. Aus diesem Grund hat
Professor Michael Garrett vom Netherlands Institute for Radio Astronomy
(ASTRON) und der Universität in Leiden die vielversprechendsten Systeme einmal
genauer mithilfe von Beobachtungen im Radiobereich unter die Lupe genommen. Das
Ergebnis: Bei der großen Mehrheit der Galaxien kann man die Strahlung durch
natürliche astrophysikalische Prozesse erklären.
Für die untersuchten Galaxien lässt sich zudem ein schon bekannter
Zusammenhang zwischen der Emission im Radiobereich und der im mittleren Infrarot
herstellen, der auf einen rein astrophysikalischen Ursprung der Strahlung
hindeutet - etwa durch warmen Staub in gewaltigen
Sternentstehungsregionen.
Schon aus der Studie in den USA sei deutlich
geworden, dass "diese Systeme sehr selten sind", so Garrett. "Aber das ist
wahrscheinlich noch eine Untertreibung: Die fortschrittlichen Kardaschow-Zivilisationen
vom Typ III existieren in unserem lokalen Universum praktisch nicht. Meiner
Ansicht nach können wir also alle beruhigt ins Bett gehen, eine Invasion von
Außerirdischen scheint sehr unwahrscheinlich zu sein."
Allerdings gibt es einige ungewöhnliche Galaxien, die noch weiter untersucht
werden sollen: "Einige Systeme wollen wir uns noch einmal genauer anschauen,
doch bei allen Galaxien, bei denen wir das bereits getan haben, fand sich auch
eine astrophysikalische Erklärung. Es ist daher sehr wahrscheinlich, dass dies
auch für den Rest zutrifft, aber es lohnt sich sicher, dies zu überprüfen."
Mit der Technik, die Garrett für seine Studie angewandt hat, könnte sich auch
schon nach den etwas weniger fortschrittlichen Kardaschow-Zivilisationen vom Typ
II suchen lassen. "Es ist ein bisschen beunruhigend, dass es keine
Typ-III-Zivilisationen zu geben scheint", so Garrett. "Das hatten wir so nicht
erwartet und stimmt nicht mit den Theorien überein. Eventuell haben wir etwas
übersehen. So könnten fortschrittliche Zivilisationen so energieeffizient
arbeiten, dass sie kaum Abwärme mehr produzieren. Nach unserem bisherigen
Verständnis von Physik ist dies aber nur schwer möglich. Es ist aber wichtig,
weiter nach den Spuren von extraterrestrischen Zivilisationen zu suchen, bis wir
genau verstehen, was da abläuft."
Garrett berichtet über seine Ergebnisse in einem Fachartikel, der in der
Zeitschrift Astronomie & Astrophysics erscheint.
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