Riesengalaxie wächst noch immer
von Stefan Deiters astronews.com
26. Juni 2015
Astronomen haben mithilfe des Very Large Telescope der ESO
Belege dafür gefunden, dass die elliptische Riesengalaxie Messier 87 noch innerhalb der letzten eine Milliarde Jahre eine mittelgroße Galaxie
verschlungen hat und somit offenbar noch immer wächst. Den entscheidenden
Hinweis lieferte die Beobachtung von Planetarischen Nebeln.
Die Galaxie Messier 87. Die Punkte
kennzeichnen die Positionen der untersuchten
Planetarischer Nebel. Rote Nebel bewegen sich von
uns weg, blaue auf uns zu.
Bild: A. Longobardi (Max-Planck-Institut für
extraterrestrische Physik) / C. Mihos (Case
Western Reserve University) / ESO
[Großansicht] |
Galaxien, so die gängige Theorie, wachsen durch Verschmelzung mit anderen
ähnlich großen Galaxien oder indem sie sich kleinere Galaxien einfach
einverleiben. Allerdings ist es nicht einfach, Belege dafür zu finden, dass eine
große Galaxie ein kleineres System einfach verschluckt hat. Die Sterne der
kleineren Galaxie vermischen sich schnell mit den Sternen des größeren Systems
und lassen sich nicht mehr ohne weiteres zuordnen.
Jetzt haben Astronomen um die Doktorandin Alessia Longobardi vom
Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik in Garching bei München einen
Beobachtungstrick angewandt, mit dem sie zeigen konnten, dass die elliptische
Riesengalaxie Messier 87 noch innerhalb der letzten eine Milliarde Jahre eine
kleinere Spiralgalaxie verschluckt haben muss.
"Das zeigt uns unmittelbar, dass auch große, sehr leuchtkräftige Strukturen
im Universum immer noch in nicht unerheblichem Umfang wachsen", so Longobardi.
"Galaxien sind noch nicht ausgewachsen. Ein großer Bereich des äußeren Halos von
Messier 87 ist jetzt zweimal so heller, wie er ohne die Kollision gewesen wäre."
Messier 87 befindet sich im Zentrum des Virgo-Galaxienhaufens und ungefähr 50
Millionen Lichtjahre von uns entfernt. Für ihre Studie haben die Astronomen sich nicht direkt die Sterne von Messier
87 angeschaut, sondern nach sogenannten Planetarischen Nebeln gesucht. Dabei
handelt es sich um eine der letzten Entwicklungsstadien von sonnenähnlichen
Sternen. Am Ende ihres nuklearen Lebens stoßen diese ihre äußeren Hüllen ins All
ab. Die intensive Strahlung der glühenden Sternenreste bringt dieses Material
dann zum Leuchten, so dass oft farbenprächtige Nebel entstehen.
Das Licht dieser Nebel ist sehr charakteristisch, so dass es sich von dem der
umgebenden Sterne vergleichsweise leicht unterscheiden lässt. Mithilfe eines
leistungsfähigen Spektrografen kann man sogar ihre Bewegung erkennen. Mit dem
Instrument FLAMES am Very Large Telescope der europäischen Südsternwarte ESO
stand den Astronomen genau so ein Spektrograf zur Verfügung. Dieser konnte das
extrem schwache Licht der Planetarischen Nebel analysieren und fand so Hinweise
auf eine Verschmelzung, die nicht allzu lange zurückliegt.
"Wir sind Zeugen eines einzelnen, noch gar nicht so lange zurückliegenden
Verschmelzungsereignisses, bei dem eine Galaxie mittlerer Größe durch das
Zentrum von Messier 87 geflogen ist", erläutert Ortwin Gerhard, der Leiter der
Dynamik-Gruppe am Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik. "Deren
Sterne sind infolge der enormen gravitativen Gezeitenkräfte nun über eine Region
verteilt, die 100 Mal größer ist als die ursprüngliche Galaxie."
Das Team hat auch die Verteilung des Lichts in den äußeren Bereichen von
Messier 87 untersucht und dabei festgestellt, dass die Sterne der verschluckten
Galaxie Messier 87 hier heller gemacht haben. Außerdem zeigte sich, dass durch das
aufgenommene System jüngere blaue Sterne hinzugekommen sind, so dass es sich
dabei vermutlich um eine Spiralgalaxie gehandelt haben muss, in der noch
Sternentstehung stattfand.
"Es ist sehr aufregend, Sterne identifizieren zu können, die über
Hunderttausende von Lichtjahren im Halo dieser Galaxie verstreut wurden – und
trotzdem noch in der Lage zu sein, anhand ihrer Geschwindigkeiten zu erkennen,
dass sie alle zu einer Struktur gehörten", so Magda Arnaboldi von der ESO in
Garching. "Die grünen Planetarischen Nebel sind wie Nadeln in einem Heuhaufen
aus goldenen Sternen. Aber diese seltenen Nadeln liefern uns Hinweise darauf,
was mit den Sternen passiert ist."
Über die Ergebnisse ihrer Beobachtungen berichten die Astronomen und einem
Fachartikel, der in der Zeitschrift Astronomy & Astrophysics erschienen
ist.
|