Die Massendifferenz von Neutron und Proton
Redaktion
/ idw / Pressemitteilung des Forschungszentrums Jülich astronews.com
31. März 2015
Auf die Masse kommt es an: 80 Jahre nach Entdeckung des
Neutrons ist es Wissenschaftlern nun gelungen, die Massendifferenz zwischen
Neutron und Proton zu berechnen. Der winzige Unterschied in der Masse ist dafür
verantwortlich, dass unsere Welt so aussieht, wie wir sie beobachten. Die
gelungene Berechnung gilt als wichtige Bestätigung entsprechender Theorien.
Der Jülicher Superrechner JUQUEEN. Bild:
Forschungszentrum Jülich [Großansicht] |
Nur weil das Neutron ein klein wenig schwerer ist als das Proton, haben
Atomkerne genau die Eigenschaften, die unsere Welt und letztlich unsere Existenz
ermöglichen. 80 Jahre nach der Entdeckung des Neutrons ist es einem Team aus
Frankreich, Deutschland und Ungarn unter Führung des Wuppertaler Forschers
Zoltán Fodor nun gelungen, diese winzige Massendifferenz zu berechnen. Das
Ergebnis wird von vielen Physikern als Meilenstein und Bestätigung der Theorie
der starken Wechselwirkung angesehen. Entscheidend für die Simulation war der
Supercomputer JUQUEEN am Forschungszentrum Jülich, einer der leistungsstärksten
Rechner der Welt.
Die Existenz und Stabilität von Atomen hängt ganz entscheidend davon ab, dass
Neutronen etwas schwerer sind als Protonen. Die experimentell ermittelten Massen
unterscheiden sich nur um etwa 1,4 Promille. Würde die Differenz nur ein wenig
davon abweichen, so ergäbe sich ein völlig anderes Universum mit zu vielen
Neutronen, zu wenig Wasserstoff oder einem Mangel an schweren Elementen. Der
winzige Massenunterschied bewirkt etwa, dass freie Neutronen im Schnitt schon
nach rund zehn Minuten zerfallen, während Protonen - die unveränderliche
Grundlage der Materie - praktisch unbegrenzt lange stabil sind. Erst etwa
40 Jahre nach der Entdeckung des Neutrons durch Chadwick im Jahre 1932
präsentierten der Deutsche Harald Fritzsch, der Amerikaner Murray Gell-Mann und
der Schweizer Heinrich Leutwyler 1972 eine konsistente Theorie der Teilchen und
Kräfte, die das Neutron und das Proton bilden, bekannt als Quantenchromodynamik.
Heute geht man davon aus, dass das Proton aus zwei sogenannten Up-Quarks und
einem Down-Quark besteht, während das Neutron nur ein Up-Quark, dafür aber zwei
Down-Quarks enthält.
Durch Simulationen auf Superrechnern weiß man seit
einigen Jahren, dass der größte Teil der Masse gemäß Einsteins Formel E=mc2
von der Bewegung der Quarks herrührt. Allerdings sollte das elektrisch geladene
Proton durch sein Feld etwa ein Promille schwerer sein als das Neutron. Offenbar
wird diese Differenz von den unterschiedlichen Massen der Quarks aber mehr als
aufgehoben, wie Fodor und sein Team in äußerst aufwändigen Simulationen nun
gezeigt haben.
Für die Berechnung schufen sie eine neue Klasse von
Simulationsverfahren. Diese vereint die Gesetze der Quantenchromodynamik mit
denen der Quantenelektrodynamik, um die Auswirkungen der elektromagnetischen
Wechselwirkungen präzise zu erfassen. Durch Kontrolle aller Fehlerquellen gelang
es den Wissenschaftlern zu zeigen, wie fein die Kräfte der Natur aufeinander
abgestimmt sind. Professor Kurt Binder ist Vorsitzender des
Wissenschaftlichen Rats des John von Neumann-Instituts für Computing und
Mitglied des deutschen Gauß Centre for Supercomputing. Beide
Organisationen vergeben die Rechenzeit auf dem Großrechner JUQUEEN
wettbewerblich an die Nutzer. "Nur mit Rechnern auf Weltklasse-Niveau, wie sie
das Forschungszentrum Jülich für die Wissenschaft bereitstellt, konnte dieser
Meilenstein der Computersimulation erreicht werden", betont Binder.
Schützenhilfe bekam der Rechner JUQUEEN dabei von weiteren "Kollegen", die von
den französischen Wissenschaftsorganisationen CNRS und GENCI betrieben werden
sowie von den Rechenzentren in Garching (LRZ) und Stuttgart (HLRS).
Die
Ergebnisse des Physikerteams um Fodor, das an der Bergischen Universität
Wuppertal, am Centre de Physique Théorique de Marseille, an der Eötvös
University Budapest und dem Forschungszentrums Jülich angesiedelt ist, stoßen
die Tür zu einer neuen Generation von Simulationen auf, mit denen sich die
Eigenschaften von Quarks, Gluonen und Kernteilchen bestimmen lassen.
"In der Zukunft könnte das Standardmodell der Elementarteilchenphysik mit
zehnfacher Präzision auf die Probe gestellt werden. Wir hätten eine große
Chance, Effekte zu finden, die auf eine neue Physik jenseits des Standardmodells
hinweisen", blickt Professor Kálmán Szabó vom Forschungszentrum Jülich in die
Zukunft.
Über ihre Resultate berichten die Wissenschaftler in der Fachzeitschrift
Science.
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