Physiker berechnen Nukleonenmasse
Redaktion
/ Pressemitteilung des Forschungszentrums Jülich astronews.com
8. Dezember 2008
Einem Forscherteam ist es erstmalig gelungen, die Masse der
wichtigsten Bausteine der Materie auf theoretischem Weg zu berechnen. Das
wichtigste Hilfsmittel der Physiker war dabei der Supercomputer JUGENE am
Forschungszentrum Jülich. Die umfangreichen Simulationen der Wissenschaftler
bestätigen die Richtigkeit einer grundlegenden physikalischen Theorie, der
Quantenchromodynamik.

Supercomputer helfen, die Prozesse in Atomkernen
und deren Masse zu verstehen. Die Kräfte zwischen
drei Quarks im Nukleon, erklären den sichtbaren
Anteil der Masse im Universum.
Bild: Forschungszentrum Jülich / NASA,
ESA und AURA/Caltech |
Materie ist aus Atomen aufgebaut, Atome wiederum bestehen aus einem Kern aus
Protonen und Neutronen, um den Elektronen kreisen. "Mehr als 99,9 Prozent der
Masse der sichtbaren Materie stammt von den Protonen und Neutronen", erläutert
der gegenwärtig an der Bergischen Universität Wuppertal tätige ungarische
Physiker Zoltan Fodor, der das Forschungsprojekt am Jülicher Supercomputer
JUGENE geleitet hat.
Diese Teilchen, von den Physikern unter dem Begriff "Nukleonen"
zusammengefasst, sind aus jeweils drei Quarks aufgebaut. Die Masse der drei
Quarks ergibt zusammengerechnet jedoch nur etwa fünf Prozent der Masse eines
Kernbausteins - woher also haben die Nukleonen ihre Masse? Die Antwort auf diese
Frage findet sich in der berühmten Formel E=mc2 von Albert Einstein:
Energie und Masse sind zueinander äquivalent, und 95 Prozent der Nukleonenmasse
haben ihren Ursprung in der Bewegungsenergie der Quarks und zwischen ihnen
ausgetauschter Teilchen.
Die drei Quarks eines Nukleons sind durch die starke Wechselwirkung
aneinander gebunden, eine Kraft, die zwar nur im Bereich der Elementarteilchen
von Bedeutung ist, die dafür aber - ihr Name sagt es - sehr stark ist. Die
Physiker haben seit langem eine theoretische Beschreibung dieser Wechselwirkung,
die Quantenchromodynamik. "Im Prinzip sollte es möglich sein, aus der
Quantenchromodynamik die Masse der Nukleonen zu berechnen", so Fodor.
Solche Berechnungen sind jedoch ungeheuer kompliziert. So wie die
elektromagnetischen Kräfte durch Photonen - Lichtteilchen - vermittelt werden,
gibt es auch bei der starken Wechselwirkung Trägerteilchen, die sogenannten
Gluonen. Doch diese Gluonen können sich - im Gegensatz zu Photonen - auch
gegenseitig anziehen. Diese Selbstwechselwirkung führt einerseits dazu, dass
Quarks sich so stark anziehen, dass sie niemals alleine auftreten, sondern immer
zu zweit oder zu dritt größere Teilchen bilden. Und anderseits macht die
Selbstwechselwirkung die Berechnung der Masse dieser Teilchen so komplex, dass
sie bislang die Möglichkeiten der Forscher überstieg.
Dank des Supercomputers JUGENE am Forschungszentrum Jülich konnten Fodor und
seine Kollegen nun diese Hürde überwinden, erstmals die starke Wechselwirkung
auch für größere Quarkabstände richtig beschreiben und so die Massen von
Protonen, Nukleonen und anderen aus Quarks aufgebauten Teilchen berechnen. 180
Billionen Rechenoperationen kann JUGENE in jeder Sekunde durchführen, damit ist
er der schnellste Computer Europas.
Für ihre Berechnungen haben Fodor und seine Kollegen Raum und Zeit in ein
engmaschiges vierdimensionales Gitter zerlegt und die komplizierten Gleichungen
der Quantenchromdynamik jeweils auf den Punkten dieses Gitters gelöst. Dann
haben die Forscher den Abstand der Gitterpunkte schrittweise immer kleiner
gemacht, um sich so immer weiter an die Wirklichkeit, die kontinuierliche
Raumzeit, anzunähern. "Es handelt sich um eine der rechenintensivsten Arbeiten
in der Geschichte der Menschheit", so Fodor.
Als Ergebnis erhielten die Wissenschaftler schließlich Werte für die Massen
der Nukleonen, die genau mit den in Experimenten gemessenen Werten
übereinstimmen. "Damit haben wir gezeigt, dass die Quantenchromodynamik
tatsächlich eine korrekte Beschreibung der starken Wechselwirkung ist", freut
sich Fodor. "Der Ursprung des überwiegenden Teils der Masse der sichtbaren
Materie ist dadurch also geklärt", erklärt der Forscher weiter.
Doch damit sind nicht alle Rätsel gelöst. Denn die sichtbare Materie macht
nur einen kleinen Teil der Gesamtmasse des Universums aus - etwa 80 Prozent
dieser Masse ist dunkel und besteht aus bislang unbekannten Elementarteilchen.
"Woher diese Dunkle Materie ihre Masse hat, dafür haben wir bislang keine
Erklärung."
Die Wissenschaftler berichteten über ihre Resultate Ende November in der
Fachzeitschrift Science.
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