Details einer protoplanetaren Scheibe
von Stefan Deiters astronews.com
6. November 2014
Neue Beobachtungen des Radioteleskopverbunds ALMA haben
jetzt einen bislang einmaligen Blick auf die protoplanetare Scheibe um den
jungen Stern HL Tauri in rund 450 Lichtjahren Entfernung ermöglicht. Die
erkennbaren Strukturen lassen vermuten, dass sich um den Stern bereits
planetenähnliche Objekte bilden - deutlich früher als
erwartet.
Die Umgebung von HL Tauri in einer
Aufnahme des Weltraumteleskops Hubble. Oben
rechts die ALMA-Beobachtungen der Staubscheibe um
den Stern.
Bild: ALMA (ESO/NAOJ/NRAO), ESA/Hubble
und NASA / Judy Schmidt [Großansicht] |
Das Atacama Large Millimeter/submillimeter Array (ALMA) ist ein Verbund aus
Radioschüsseln, die in der chilenischen Atacamawüste stehen. Die einzelnen
Antennen können dabei in verschiedene Konfigurationen gebracht werden. Seit
September beobachtet ALMA in einer Aufstellung, bei dem die einzelnen
Radioschüsseln bis zu 15 Kilometer voneinander entfernt sind - das Maximum bei
ALMA sind 16 Kilometer. Auf diese Weise werden besondere detaillierte
Beobachtungen möglich.
Das erste Ziel, das die Astronomen mit dem neu konfigurierten Teleskopverbund
anvisierten, war der junge Stern HL Tauri in rund 450 Lichtjahren Entfernung. Er
ist - wie viele junge Sterne - von einer Scheibe aus Gas und Staub umgeben, in
der sich, so die Vorstellung der Forscher, einmal Planeten bilden könnten. Dank
der neuen ALMA-Konfiguration wurden in dieser Staubscheibe Details wie
unterschiedlich helle Ringe und Lücken erkennbar.
"Diese Strukturen sind mit hoher Wahrscheinlichkeit auf junge,
planetenähnliche Objekte zurückzuführen, die gerade in dieser Scheibe entstehen",
erklärt Stuartt Corder, der stellvertretende Direktor von ALMA. "Das ist
überraschend, da wir nicht erwartet hatten, dass es um so junge Sterne bereits
so große planetare Körper gibt, die die Strukturen erzeugen können, die wir auf
dem Bild sehen."
"Als wir das Bild zum ersten Mal sahen, waren wir beeindruckt von den vielen
Details", bestätigt Catherine Vlahakis, die stellvertretende
Programmwissenschaftlerin von ALMA, die die aktuelle
Beobachtungskampagne leitet. "HL Tauri ist nicht mehr als eine Million Jahre alt
und in der Scheibe des Sterns scheinen sich schon zahlreiche sich bildende
Planeten zu befinden. Dieses Bild allein dürfte die Theorien über die Entstehung
von Planeten revolutionieren."
Die Strukturen, die auf dem heute vorgestellten Bild zu erkennen sind, lässt
die Scheibe deutlich entwickelter erscheinen, als man angesichts des Alters des
Systems eigentlich erwartet hatte. Das könnte bedeuten, dass die Prozesse,
die zur Entstehung von Planeten führen, deutlich schneller ablaufen, als man
bislang annahm.
Sterne entstehen in Wolken aus Gas und Staub. Besonderes dichte Bereiche
kollabieren unter dem Einfluss ihrer eigenen Anziehungskraft, es entsteht ein
immer kompakteres Objekt, dessen Temperatur schließlich so groß wird, dass
nukleare Fusionsprozesse zünden können. Doch nicht das gesamte Material wird bei
der Entstehung der neuen Sonne aufgebraucht. Der Rest sammelt sich in einer flachen
Scheibe um den jungen Stern.
In dieser Scheibe verklumpen sich allmählich einzelne Staubkörner zu immer
größeren Brocken. Es entstehen Asteroiden und kometenähnliche Objekte und
schließlich auch Planeten. Diese stören das Aussehen der Scheibe und sorgen für
charakteristische Lücken - genau wie sie auf dem neuen ALMA-Bild zu sehen sind.
Für so detaillierte Beobachtungen sind Konfigurationen mit großen
Teleskopabständen unerlässlich. Diese erfordern allerdings einen hohen
technischen Aufwand, durch den einige von ALMAs wissenschaftlichen Zielen aber
erst zu erreichen sind. Die jetzt erfolgreich durchgeführten ersten
Beobachtungen dieser Art seien, so ALMA-Direktor Pierre Cox, "ein
eindrucksvoller technologischer und wissenschaftlicher Meilenstein."
Für die Astronomen, die sich mit der Entstehung von Planeten um andere
Sterne oder auch mit der Entstehung der Erde befassen, liefert das Bild der
Staubscheibe um HL Tauri wichtige Daten: "Der größte Teil unseres Wissens über
Planetenentstehung basiert auf Theorie", so Tim de Zeeuw, Generaldirektor der
europäischen Südsternwarte ESO. "Bilder mit so vielen Details kannten wir bislang
nur von Computersimulationen oder künstlerischen Darstellungen. Dieses
detaillierte Bild von HL Tauri zeigt, was mit ALMA möglich ist, wenn es in
seiner größten Konfiguration genutzt wird. Es ist der Beginn einer ganz neuen
Ära bei der Erforschung der Entstehung von Sternen und Planeten."
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