Kometenfabrik um jungen Stern
von Stefan Deiters astronews.com
7. Juni 2013
Dank neuer Beobachtungen mit dem Radioteleskopverbund ALMA
könnten Astronomen ein wichtiges Detail der Entstehung von
Gesteinsplaneten künftig besser verstehen. Die Wissenschaftler entdeckten
nämlich in einer
Scheibe aus Gas und Staub um einen jungen Stern einen Bereich, in dem winzige
Staubpartikel offenbar ungestört wachsen können.
So stellen sich die Astronomen die
Staubscheibe um den jungen Stern Oph-IRS 48 vor.
Die "Staubfalle" ist als heller Bereich
dargestellt. Bild:
ESO/L. Calçada
Beobachtungen der Staubscheibe um Oph-IRS 48.
In Grün die jetzt beobachteten größeren
Staubkörner, in Orange kleinerer Staub. Bild:
ALMA (ESO/NAOJ/ NRAO) / Nienke van der Marel |
Dass die Prozesse, die zur Entstehung von Planeten führen, in unserer Galaxie
relativ weitverbreitet sein müssen, zeigt schon die Tatsache, dass man
inzwischen viele Hundert Planeten um andere Sonnen entdeckt hat. Allerdings sind
den Astronomen gewisse Aspekte bei der Entstehung von Asteroiden, Kometen und
Gesteinsplaneten noch immer ein Rätsel. Beobachtungen mit dem neuen Atacama
Large Millimeter/submillimeter Array (ALMA) könnten nun wichtige Hinweise
auf die Abläufe in den Staubscheiben um junge Sterne geliefert haben.
Aus Computermodellen über die Entstehung von Planeten haben Forscher eine
ungefähre Vorstellung davon, wie sich die ersten festen Brocken um noch junge
Sterne bilden sollten: Winzige Staubkörner in der Scheibe um eine gerade
geborene Sonne kollidieren miteinander und verkleben. So wachsen sie allmählich
zu größeren Gebilden heran.
Allerdings hatten die Astronomen mit dieser Vorstellung bislang ein Problem:
Wenn solche größeren Staubkörnen anschließend mit hoher Geschwindigkeit
aufeinandertreffen, sollten sie in der Regel wieder in zahlreiche Einzelteile
zerfallen und der Prozess müsste von vorn beginnen. Und selbst wenn die größeren
Körner intakt blieben, zeigen Simulationen, dass sie sich - bedingt durch die
Reibung mit dem Material in der Scheibe - langsam in Richtung ihrer Sonne
bewegen müssten und letztlich sogar in sie hinstürzen würden.
Wie können also diese Staubkörner überhaupt auf die Größe von Kometen,
Asteroiden oder gar Planeten anwachsen? Die Astronomen hatten schon länger
vermutet, dass in den Gas- und Staubscheiben um junge Sterne Regionen
existieren, in denen Staubpartikel relativ ungestört wachsen können. Solche
"Staubfallen", die etwa durch einen Wirbel in der Gasscheibe entstehen, hätten
eine Lebensdauer von einigen Hunderttausend Jahren, was aber genügen würde, um
die Staubkörner auf eine ausreichende Größe anwachsen zu lassen. Allerdings
hatte man solche "Staubfallen" bislang noch nirgends beobachten können.
Dank neuer Beobachtungen mit ALMA hat sich das nun geändert: Die Doktorandin
Nienke van der Marel von der Sternwarte in Leiden in den Niederlanden hat
zusammen mit anderen Astronomen den jungen Stern Oph-IRS 48 im Sternbild
Schlangenträger in rund 400 Lichtjahren Entfernung untersucht. Bei früheren
Beobachtungen waren bei dem Stern bereits Hinweise auf eine Scheibe aus winzigen
Staubpartikeln entdeckt worden.
Mit ALMA sollten nun größerer Staub mit einem Durchmesser im
Millimeterbereich untersucht werden. "Als wir die Form des Staubs auf dem Bild
sahen, war das eine komplette Überraschung für uns", erinnert sich van der Marel.
"Statt des erwarteten Rings sahen wir eine Form, die an eine Cashewnuss
erinnert. Wir mussten uns erst davon überzeugen, dass wir es hier mit einer
wirklich existierenden Struktur zu tun hatten, aber die sehr starken und klaren
Signale der ALMA-Beobachtungen haben keinen Zweifel daran gelassen. Dann wurde
uns klar, was wir hier gefunden hatten."
Offenbar handelt es sich nämlich um eine Region, in der größere Staubkörner
gefangen sind und immer weiter anwachsen können, also um die lange gesuchte
"Staubfalle". "Es ist wahrscheinlich, dass wir hier in eine Art Kometenfabrik
schauen, da die Bedingungen dort genau richtig sein sollten, um Staubkörner von
wenigen Millimetern Größe auf Kometengröße anwachsen zu lassen", erklärt van der
Marel.
"Aus dem Staub werden angesichts der Entfernung vom Zentralstern aber wohl
keine richtigen Planeten werden", so die Doktorandin weiter. "In naher Zukunft
sollten mit ALMA aber Beobachtungen von Staubfallen in deutlich geringerem
Abstand vom Stern möglich sein, wo es zu den gleichen Prozessen kommt. Solche
Staubfallen wären dann tatsächlich die Geburtsstätte für Planeten." Die
aktuellen Beobachtungen wurden noch in der Aufbauphase von ALMA durchgeführt.
"Die Kombination aus theoretischen Modellen und qualitativ hochwertigen
Beobachtungen mit ALMA macht dieses Projekt so einzigartig", unterstreicht
Cornelius Dullemond vom Institut für theoretische Astrophysik der Universität
Heidelberg, ein Experte für die Entwicklung von Staub und die Modellierung von
Scheiben, der auch zum Team gehörte. "Zu der Zeit, als die Beobachtungen gerade
gemacht wurden, haben wir an einem theoretischen Modell gearbeitet, das genau
diese Strukturen vorhergesagt hat: Das war ein wirklich glücklicher Zufall."
Über ihre Beobachtungen und Analysen berichten die Wissenschaftler heute in der
Wissenschaftszeitschrift Science.
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