Super-Sonnensturm verfehlte Erde im Jahr 2012
von Stefan Deiters astronews.com
19. März 2014
Die Erde ist im Juli 2012 einem Treffer durch eine gewaltige
Eruption von der Sonne entgangen. Eine jetzt vorgestellte Analyse ergab, dass
der damalige koronale Massenauswurf bei einem Treffer zu einem der größten
geomagnetischen Stürme und damit zu beträchtlichen Schäden hätte führen können.
Die Eruption hätte sich nur neun Tage früher ereignen müssen.
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STEREO-Aufnahme
der Eruption in den Morgenstunden des 23. Juli
2012.
Bild: NASA / STEREO |
Ohne die Sonne wäre auf der Erde kein Leben möglich. Unser Zentralstern sorgt
aber nicht nur für Wärme und Licht, sondern lässt uns seinen Einfluss hin und
wieder auch auf andere Weise spüren. Immer wieder schleudert die Sonne nämlich
heißes Plasma mit hoher Geschwindigkeit ins All, manchmal auch genau in Richtung
Erde.
Den Erdboden erreichen die Partikel von der Sonne zwar nicht, doch können sie
für erhebliche Turbulenzen im Magnetfeld der Erde sorgen. Diese machen sich
beispielsweise durch Polarlichter oder - bei heftigeren Störungen - auch durch
Probleme bei der Kommunikation bemerkbar. Experten sprechen dann von einem
geomagnetischen Sturm.
Der heftigste, den Wissenschaftlern bekannte Sturm dieser Art, ereignete
sich im Jahr 1859: Polarlichter waren damals sogar noch von Hawaii aus zu sehen
und das gesamte Telegrafensystem - die damals modernste Form der Kommunikation -
brach zusammen. Es gab sogar Berichte, dass Bediener an Telegrafenstationen
Stromschläge bekommen haben sollen.
Ein doppelter koronaler Massenauswurf von der Sonne im Juli 2012, bei dem
Plasma mit ungewöhnlich hoher Geschwindigkeit ins All geschleudert wurde, hätte
zu einem vergleichbaren geomagnetischen Sturm wie im Jahr 1859 führen können,
wenn sich die Eruption neun Tage früher ereignet hätte. Dies ergab eine jetzt
vorgestellte Untersuchung dieses Ereignisses.
"Hätte sie damals die Erde getroffen, wäre es wahrscheinlich so wie im Jahr 1859
gewesen, nur wären die Folgen in unserer Welt mit moderner Technologie sehr viel
schwerwiegender", so Janet G. Luhmann von der University of California
in Berkeley, die die Eruption aus dem Juli 2012 zusammen mit Kollegen untersucht
hat.
Eine Studie aus dem letzten Jahr bezifferte die weltweiten Schäden, zu die ein
Sonnensturm wie der des Jahres 1859 heute führen würde, auf insgesamt 1,2
Billionen US-Dollar. Wie anfällig unsere Infrastruktur für solche Naturphänomene
ist, zeigte sich im Jahr 1989: Damals führte ein deutlich schwächerer
geomagnetischer Sturm zu einem Stromausfall von bis zu neun Stunden für sechs
Millionen Einwohner Kanadas.
"Ein extremer geomagnetischer Sturm ist ein seltenes, aber folgenschweres
Ereignis, das die Infrastruktur unserer modernen Gesellschaft gefährdet", warnt
auch Ying D. Liu von National Space Science Center der chinesischen
Akademie der Wissenschaften in Peking. "Die Folgekosten eines solchen
Ereignisses könnten sich auf mehrere Billionen Dollar belaufen und es könnte
vier bis zehn Jahre dauern, bis sich alle Systeme davon erholt haben. Deswegen
ist es für die Sicherheit und das wirtschaftliche Wohlergehen unserer
Gesellschaft extrem wichtig, solche Super-Sonnenstürme zu verstehen."
Die Wissenschaftler hatten Beobachtungen der Eruption von einer der beiden STEREO-Sonden der NASA ausgewertet. Die Plasmawolke erreichte damals eine Geschwindigkeit
von über 2.000 Kilometern pro Sekunde und war damit um einen Faktor vier
schneller als normale Ausbrüche dieser Art.
Offenbar war es auf der Sonne zu zwei Eruptionen gekommen, die sich nahezu
gleichzeitig ereignet hatten. Ein koronaler Massenauswurf vier Tage zuvor hatte
dabei der Eruption praktisch den Weg freigeräumt, so dass die Plasmawolke nicht
durch anderes Material abgebremst wurde und diese extrem hohe Geschwindigkeit
erreichen konnten.
"Die Menschen sagen immer, dass es sich hier um sehr seltene natürliche Gefahren
handelt, doch sie passieren immer wieder im Sonnensystem, auch wenn wir sie
nicht immer beobachten können", so Luhmann. "Es ist wie mit Erdbeben - Menschen
lassen sich erst dann von der Wichtigkeit überzeugen, dass man darauf
vorbereitet sein muss, wenn sich ein Beben der Stärke neun ereignet hat."
Bis heute ist das Verständnis der Wissenschaftler über die Entwicklung solcher
Super-Sonnenstürme noch sehr begrenzt. "Fundamentale Fragen, die die
Sonnenphysik und das Weltraumwetter betreffen, etwa zur Entwicklung solcher
Ereignisse und der Gefährdung der Erde dadurch, können nicht bearbeitet werden,
weil es bislang noch deutlich zu wenig Beobachtungen gibt."
Solche Daten sollen beispielsweise die STEREO-Sonden der NASA und andere
Sonnensonden liefern. Die Hoffnung ist, die Prozesse auf der Sonne, die zu
solchen Eruptionen führen, besser verstehen und Sonnenstürme dann auch
vorhersagen zu können. Ohne die STEREO-Sonden wäre auch dieser ungewöhnlich
starke Ausbruch unbeobachtet geblieben.
Über ihre Untersuchungen berichtet das Team jetzt in einem Fachartikel in der
Zeitschrift Nature Communications.
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