Gaswolke als kosmischer Wetterballon
Redaktion
/ Pressemitteilung der Universität Heidelberg astronews.com
16. Oktober 2013
Mithilfe einer Dunkelwolke, die als eine Art kosmischer
Wetterballon diente, haben Astronomen jetzt versucht, Daten über das
Strahlungsfeld im Zentrum der Milchstraße zu gewinnen. Umfangreiche Simulationen
ergaben, dass die Strahlung dort etwa 1.000-mal stärker sein muss als in der
Region, in der sich unser Sonnensystem befindet.

Die Dunkelwolke
G0.253+0.016 in der Nähe des galaktischen Zentrum
in einer Aufnahme des Infrarot-Weltraumteleskops
Spitzer. Sie erstreckt sich über 30 Lichtjahre.
Bild: NASA / Spitzer / Benjamin et
al., Churchwell et al. |
Das Zentrum unserer Heimatgalaxie, da sind sich die Astrophysiker des
Sonderforschungsbereich "Das Milchstraßensystem" an der Universität Heidelberg
einig, ist ein sehr unwirtlicher Ort. Es herrschen dort "Wetterbedingungen", die
sich auf der Erde am ehesten mit dem stürmischen Kap Horn vergleichen lassen.
Ein Schwarzes Loch sowie sehr heiße oder explodierende Sterne sorgen für einen
intensiven "Strahlungswind", während sich unsere Sonne im Randbereich der
Milchstraße quasi an der italienischen Riviera der Galaxie befindet.
"Um im Bild zu bleiben: An einem Ort mit derart extremen Bedingungen würde
niemand eine 'Ferienanlage' errichten", meint Dr. Paul Clark vom Zentrum für
Astronomie der Universität Heidelberg (ZAH). "Dennoch lassen sich dort durchaus
'Bauaktivitäten' feststellen: In der Nähe des galaktischen Zentrums existieren
Gaswolken, in denen sich gerade junge Sterne bilden".
Eine besonders dichte Gaswolke mit der Bezeichnung G0.253+0.016 haben Clark
und seine Kollegen jetzt genauer untersucht. Die Wolke war Astronomen bereits
vorher aufgefallen, weil sich in ihr trotz einer beachtlichen Dichte deutlich
weniger Sterne bilden, als man eigentlich erwarten würde - insbesondere
entstehen hier keine massereichen Exemplare.
Sternentstehung ist generell ein Wechselspiel von zwei Kräften: Unter dem
Einfluss der Gravitation zieht sich interstellares Gas zusammen, während der
innere Druck des Gases der Verdichtung entgegenwirkt. "Nahe am galaktischen
Zentrum ist dieses Gas durch die Stärke des Strahlungsfeldes stärker aufgeheizt
als in den Randbereichen der Galaxie, so dass die Bildung von Sternen im Zentrum
der Milchstraße vermutlich anders abläuft, als wir es bislang von den
Randbereichen kennen", so Clark.
Um die Vorgänge im Zentrum der Milchstraße besser verstehen zu können, müssen
die dort herrschenden "Wetterbedingungen" - in diesem Fall die Stärke des
Strahlungsfeldes - genauer bestimmt werden. Die Wissenschaftler nutzten dazu
G0.253+0.016 als eine Art "kosmischen Wetterballon". Wegen der nahezu fehlenden
Sternentstehung eignete sich die Wolke für diesen Zweck deutlich besser als
andere Gaswolken in der Region. Die Temperatur der Gaswolke konnte mit Hilfe von
Beobachtungen ermittelt werden. Die Daten dienten als Basis, um die Temperatur
von G0.253+0.016 in Abhängigkeit zum Strahlungsfeld zu berechnen.
Die Heidelberger Astrophysiker variierten dabei die mögliche Stärke dieses
Feldes so lange, bis das Ergebnis der Berechnungen mit den realen
Temperaturmessungen übereinstimmte. Bei diesen Simulationen kam der in Jülich
stationierte Supercomputer "Milky Way", der für Projekte des
Sonderforschungsbereichs genutzt wird, zum Einsatz.
Die Computersimulationen haben ergeben, dass das Strahlungsfeld im Zentrum
der Milchstraße 1.000-mal stärker sein muss als in der Umgebung unserer Sonne,
die sich etwa 25.000 Lichtjahre entfernt am Rand der Galaxie befindet. Die
Heidelberger Astrophysiker gehen davon aus, dass unter diesen extremen
Bedingungen in der Gaswolke wesentlich weniger Kohlenstoffmonoxid (CO) entsteht
als üblich.
"Kohlenstoffmonoxid spielt eine wesentliche Rolle in den meisten Regionen, in
denen Sterne entstehen, da es dazu beiträgt, die Temperatur der Wolke zu
regulieren. Der geringere Gehalt an CO in den Wolken des galaktischen Zentrums
hat erhebliche Auswirkungen auf ihre Entwicklung", erläutert Clark. Weitere
Untersuchungen an dem "kosmischen Wetterballon" sollen dazu beitragen, den
Prozess der Sternentstehung im Zentrum der Milchstraße noch besser zu verstehen.
Ihre Resultate veröffentlichen die Wissenschaftler in einem Fachartikel in
der Zeitschrift The Astrophysical Journal Letters.
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