Heißes Gas um das zentrale Schwarze Loch
von Stefan Deiters astronews.com
7. Mai 2013
Mit dem ESA-Weltraumteleskop Herschel sind
Astronomen detaillierte Beobachtungen von überraschend heißem molekularem Gas in
der Nähe des zentralen Schwarzen Lochs unserer Milchstraße gelungen. Das Gas
könnte sich, so die Vermutung der Wissenschaftler, in einem Orbit um das
Schwarze Loch befinden oder gerade in es hineinstürzen.

Das Weltraumteleskop Herschel untersuchte Gas
im Zentrum unserer Galaxie (künstlerische
Darstellung). Bild:
ESA–C. Carreau |
Wie fast in jeder Galaxie befindet sich auch im Zentrum unserer Milchstraße ein
supermassereiches Schwarzes Loch. Von der Erde ist es etwa 26.000 Lichtjahre
entfernt und befindet sich am Himmel im Sternbild Schütze, lateinisch Sagittarius. Zuerst hatte man hier eine äußerst intensive Quelle von
Radiostrahlung entdeckt und dieser den Namen Sagittarius A* gegeben. Unter
dieser Bezeichnung ist "unser" supermassereiches Schwarzes Loch bis heute
bekannt. Es hat eine Masse, die etwa der viermillionenfachen Masse unserer Sonne
entspricht.
Wegen seiner vergleichsweise geringen Entfernung ist unser supermassereiches
Schwarzes Loch für die Astronomen ein dankbares Studienobjekt, um mehr über
diese faszinierenden Objekte und die Prozesse zu erfahren, die in ihrer Umgebung
ablaufen. Es gibt allerdings ein Problem: Genau wie die Erde liegt auch das
Schwarze Loch in der galaktischen Scheibe der Milchstraße. Und in dieser gibt es
zahlreiche dichte Schwaden aus Staub, die einen direkten Blick auf das Schwarze
Loch verhindern - zumindest im sichtbaren Bereich des Lichts.
In anderen Wellenlängen hat man mehr Glück: Das Infrarot-Weltraumteleskop
Herschel, das in der vergangenen Woche seine wissenschaftlichen
Beobachtungen beendet hat, konnte Objekte im fernen Infrarot ins Visier nehmen
und so durch den Staub hindurchblicken. So war es den Astronomen mit
Herschel möglich, die direkte Umgebung des zentralen Schwarzen Lochs
detailliert zu untersuchen.
Dabei entdeckten sie im Zentrum der Milchstraße eine große Vielfalt von
einfachen Molekülen, wie etwa Kohlenmonoxid, Wasserdampf und Cyanwasserstoff.
Die spezielle spektrale Signatur dieser Moleküle verriet den Forschern dann mehr
über die fundamentalen Eigenschaften des interstellaren Gases in der direkten
Umgebung des Schwarzen Lochs.
"Herschel konnte die Emissionen im fernen Infrarot in einer
Entfernung von nur einem Lichtjahr vom Schwarzen Loch auflösen", erläutert
Javier Goicoechea vom Centro de Astrobiología im spanischen Madrid.
"Dadurch war es in diesen Wellenlängen erstmals möglich, die Emissionen des
zentralen Bereichs von denen der umgebenden dichten molekularen Scheibe zu
unterschieden." Goicoechea ist Erstautor eines Fachartikels, der in der
Zeitschrift Astrophysical Journal Letters erscheint.
Das Zentrum der Milchstraße ist von einem ringförmigen, rund 15 Lichtjahre
durchmessenden Bereich aus Staub und Gas umgeben. Darin eingebettet liegt eine
wenige Lichtjahre durchmessende Region mit warmem Staub und einer geringeren
Gasdichte, die mit Herschel nun genauer untersucht wurde.
Am meisten überrascht hat die Astronomen, wie heiß das molekulare Gas in
diesem Zentralbereich der Galaxie teilweise ist. So entdeckten sie Gas mit
Temperaturen von rund 1.000 Grad Celsius. Interstellare Gaswolken haben
normalerweise eine Temperatur, die nur wenig über dem absoluten Nullpunkt bei
minus 273 Grad Celsius liegt.
Ein Grund für die hohe Temperatur des Gases dürfte die intensive
ultraviolette Strahlung eines Sternhaufens aus sehr massereichen Sternen sein,
der sich in der Nähe des galaktischen Zentrums befindet. Allerdings reicht diese
Strahlung nicht aus, um die hohen Temperaturen zu erklären. Das Team um
Goicoechea hält es daher für möglich, dass auch Emissionen von heftigen
Stoßwellen in dem Gas dieser Region eine wichtige Rolle beim Aufheizen gespielt
haben. Sie könnten durch Kollisionen von Gaswolken oder aber in Material
entstehen, das mit hoher Geschwindigkeit von Sternen und Protosternen ins All
strömt.
"Die Beobachtungen stimmen auch mit Strömen aus heißem Gas überein, die in
Richtung von Sagittarius A* ins Zentrum der Galaxie fallen", so Goicoechea. "Das
Schwarze Loch unserer Galaxie könnte sich hier also vor den Augen von
Herschel gerade sein Abendessen kochen."
Bevor Material in einem Schwarzen Loch verschwindet, heizt es sich auf
gewaltige Temperaturen auf. Dadurch kann es zu hochenergetischen Ausbrüchen im
Röntgen- und Gammastrahlenbereich kommen. Solche lassen sich bei unserem
Schwarzen Loch derzeit nicht beobachten, doch könnte sich dies nach Ansicht von
Astronomen bald ändern: Bei anderen Beobachtungen im nahen Infrarot war nämlich
eine kompakte Gaswolke entdeckt worden, die sich dem Schwarzen Loch immer weiter
nähert (astronews.com berichtete).
Die Gaswolke, deren Masse dem Mehrfachen der Masse der Erde entspricht,
befindet sich deutlich näher am Schwarzen Loch als das von Herschel
untersuchte Gas. Die Wolke könnte daher noch in diesem Jahr vom Schwarzen Loch
verschluckt werden. Weltraumteleskope wie XMM-Newton oder Integral
sollten dann entsprechende Strahlungsausbrüche beobachten können.
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