Zwischenmahlzeit für ein Schwarzes Loch
von Stefan Deiters astronews.com
4. April 2013
Astronomen konnten verfolgen, wie sich das supermassereiche
Schwarze Loch in der 47 Millionen Lichtjahre entfernten Galaxie NGC 4845 nach
jahrzehntelanger Inaktivität Teile eines Braunen Zwergs oder eines
Riesenplaneten einverleibt hat. Ein ähnliches Ereignis dürfte bald auch in
unserer Milchstraße zu beobachten sein, wo sich eine Gaswolke dem zentralen
Schwarzen Loch gefährlich nähert.
Im Zentrum von NGC 4845 dürfte ein Schwarzes
Loch ein substellares Objekt teilweise
verschlungen haben. Bild: ESA |
Eigentlich hatten sich die Astronomen gar nicht für die 47 Millionen
Lichtjahre entfernte Galaxie NGC 4845 interessiert, sondern untersuchten mit dem
europäischen Weltraumteleskop Integral ein ganz anderes System, als sie
plötzlich einen hellen Röntgenblitz im Sichtfeld des Teleskops bemerkten.
Mithilfe des ESA-Röntgenteleskops XMM-Newton konnte als Quelle die
Galaxie NGC 4845 ausgemacht werden, die zuvor noch nie durch Strahlung so hoher
Energien aufgefallen war.
Mit dem NASA-Satelliten Swift und dem japanischen Röntgenteleskop
MAXI, das an der Internationalen Raumstation ISS montiert ist, wurde die
unerwartete Strahlung von NGC 4845 von ihrem Maximum im Januar 2011 über viele
Monate verfolgt. "Diese Beobachtung war für uns vollkommen unerwartet, da die
Galaxie die letzten 20 bis 30 Jahre absolut ruhig war", so Marek Nikolajuk von
der Universität im polnischen Białystok, der auch Erstautor eines Fachartikels
über die Beobachtungen in der Zeitschrift Astronomy & Astrophysics ist.
Durch Auswertung der Beobachtungsdaten konnten die Astronomen die Ursache für
das unerwartete Aufleuchten der Galaxie ermitteln: Die Strahlung kam aus der
unmittelbarer Nähe des zentralen Schwarzen Lochs von NGC 4845, das offenbar
gerade ein Objekt mit der 14- bis 30-fachen Masse des Gasriesen Jupiter
auseinandergerissen und zumindest teilweise verspeist hat.
Mit diesem Massenbereich könnte es sich bei dem Objekt um einen Braunen Zwerg
gehandelt haben, also um einen "verhinderten" Stern, der nicht massereich genug
war, um die nuklearen Fusionsprozesse in seinem Inneren dauerhaft zu starten.
Allerdings sei es, so die Wissenschaftler, durchaus möglich, dass hier auch ein
riesiger Gasplanet zerstört worden ist. Dabei könnte es sich beispielsweise um
einen vagabundierenden Planeten gehandelt haben, der aus seinem Sonnensystem
hinausgekickt wurde.
Die Masse des Schwarzen Lochs im Zentrum von NGC 4845 schätzen die
Wissenschaftler auf die rund 300.000-fache Masse unserer Sonne. "Dies ist das
erste Mal, dass wir die Zerstörung eines substellaren Objektes durch ein
Schwarzes Loch beobachten konnten", so Roland Walter von der Sternwarte in Genf.
"Wir vermuten, dass nur die äußeren Schichten des Objektes vom Schwarzen Loch
verschlungen wurden, die etwa zehn Prozent der Gesamtmasse ausmachen dürften.
Der dichte Kern wird weiter um das Schwarze Loch kreisen."
Das Aufleuchten von NGC 4845 bietet den Astronomen einen Vorgeschmack darauf,
was bald auch im Zentrum unserer Milchstraße zu beobachten sein könnte -
eventuell sogar noch in diesem Jahr. In der Nähe des dortigen Schwarzen Lochs
findet sich zwar kein Riesenplanet oder ein Brauner Zwerg, dafür aber eine
kompakte Gaswolke mit der mehrfachen Masse unserer Erde, die sich dem Schwarzen
Loch immer weiter nähert (astronews.com berichtete).
Beobachtungen von solchen Ereignissen liefern den Astronomen wichtige
Informationen darüber, wie das "Verschlucken" von Objekten unterschiedlicher
Masse durch Schwarze Löcher mit verschiedenerer Größe abläuft. "Es gibt
Schätzungen, nach denen sich Ereignisse wie diese alle paar Jahre in Galaxien in
unserer Umgebung beobachten lassen sollten", so Christoph Winkler,
Projektwissenschaftler für Integral bei der ESA. "Wenn wir sie
entdecken, können Integral und andere Observatorien, die im Hochenergiebereich
beobachten, die Geschehnisse wie bei NGC 4845 verfolgen."
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