Zwei Transitplaneten in einem Sternhaufen
von Stefan Deiters astronews.com
27. Juni 2013
Sternhaufen gelten nicht unbedingt als ideale Umgebung für
die Entstehung von Planeten. Trotzdem gelang es Astronomen jetzt, mithilfe des
Weltraumteleskops Kepler in dem 3.000 Lichtjahre entfernten Sternhaufen
NGC 6811 gleich zwei relativ kleine Planeten aufzuspüren. Offenbar sind solche
Welten deutlich robuster als man bislang geglaubt hat.

Um zwei sonnenähnliche Sterne des offenen
Sternhaufens NGC 6811 haben Astronomen nun zwei
relativ kleine Planeten entdeckt.
Bild: Michael
Bachofner / CfA |
Astronomen gehen davon aus, dass praktisch alle Sterne zunächst in Gruppen
entstehen: Bei einigen handelt es sich dabei nur um eine lockere Ansammlung von
Sonnen, die sich dann bald auflöst. Andere entstehen in gewaltigen Sternhaufen,
deren Mitglieder über viele Milliarden Jahre zusammenbleiben können.
In solchen dichten Sternhaufen sollten die Bedingungen für die Entstehung von
Planeten alles andere als ideal sein: Die relative Nähe anderer Sonnen mit ihren
teils heftigen stellaren Winden und ihrer intensiven Strahlung dürfte nämlich
dafür sorgen, dass das Material, aus dem sich Planeten bilden, schnell
weggeblasen wird.
Trotzdem gelang es Astronomen jetzt, in dem rund 3.000 Lichtjahre entfernten
offenen Sternhaufen NGC 6811 gleich zwei Planeten um sonnenähnliche Sterne
nachzuweisen, die kleiner sind als der Planet Neptun in unserem Sonnensystem.
Die Entdeckung, über die die Wissenschaftler in der Zeitschrift Nature
berichten, deutet darauf hin, dass Planeten offenbar auch an Orten mit einer
sehr hohen Sternendichte entstehen können.
"Alte Sternhaufen stellen eine stellare Umgebung dar, die sich deutlich von
dem Geburtsort unserer Sonne und anderer Feldsterne unterscheidet", erläutert
Soren Meibom vom Harvard-Smithsonian Center for Astrophysics (CfA) die
Bedeutung der Entdeckung. "Wir dachten, dass es Planeten in der sehr turbulenten
Umgebung von dichten Sternhaufen vielleicht sehr schwerfallen würde, sich zu
bilden. Ein Grund dafür war auch, dass wir lange Zeit dort keine nachweisen
konnten."
Die jetzt präsentierten Funde gelangen mithilfe des Weltraumteleskops
Kepler. Dieses hat über mehrere Jahre ständig die Helligkeit von
unzähligen Sternen überwacht und nach einem typischen kurzzeitigen
Helligkeitsabfall gefahndet, der entsteht, wenn ein Planet - von der Erde aus
gesehen - vor seiner Sonne vorüberzieht, man also einen sogenannten Transit
beobachten kann. Die Neuentdeckungen tragen die Bezeichnung Kepler-66b und
Kepler-67b und haben weniger als die dreifache Größe der Erde.
Von den über 850 bekannten extrasolaren Planeten wurden bislang lediglich
vier Planeten in Sternhaufen entdeckt - und diese hatten eine Masse, die alle
mindestens der des Gasriesen Jupiter entsprach. Kepler-66b und Kepler-67b sind
somit die bislang kleinsten Planeten, die in Sternhaufen nachgewiesen werden
konnten und zudem auch noch die ersten Planeten dieser Art, bei denen ein
Transit beobachtet wurde. Dies ermöglichte auch die Abschätzung ihrer
tatsächlichen Größe.
Meibom und seine Kollegen haben zudem das Alter von NGC 6811 auf rund eine
Milliarde Jahre bestimmt. Da man davon ausgehen kann, dass die Sterne - und
damit auch die Planeten - eines Sternhaufens alle zur gleichen Zeit entstanden
sind, gehören die beiden neuentdeckten Planeten zu den wenigen fernen Welten,
von denen man Alter, Entfernung und Größe kennt.
Betrachtet man die Anzahl der Sterne, die von Kepler in NGC 6811
überwacht wurden und setzt diese in Bezug zu den zwei entdeckten Planeten,
erhält man für diesen Sternhaufen eine ganz ähnliche Planetenhäufigkeit wie bei
Sternen, die nicht zu einem Sternhaufen oder einer Gruppe gehören. "Diese
Planeten sind kosmische Extremophile", so Meibom. "Ihre Entdeckung zeigt, dass
sich kleine Planeten auch unter sehr unwirtlichen und chaotischen Bedingungen
bilden und mindestens eine Milliarde Jahre überleben können."
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