Alternativtheorie besteht Zwerggalaxientest
von Stefan Deiters astronews.com
18. Februar 2013
Die Vorstellung, dass sich das Rotationsverhalten von
Galaxien nur mithilfe von Dunkler Materie erklären lässt, ist einigen Astronomen
ein Dorn im Auge. Sie bevorzugen daher ein alternatives Modell, das auf einem
modifizierten Gravitationsgesetz beruht. Jetzt haben sie diese als MOND bekannte
Theorie an mehreren Zwerggalaxien getestet.
Gibt es im Universum tatsächlich Dunkle Materie
oder könnte man die Beobachtungen auch durch eine
alternative Theorie erklären?
Bild: STScI / NASA |
Deutsche denken bei dem Wort "Mond" in der Regel an den Trabanten unserer
Erde. In Astronomenkreisen steht "MOND" allerdings für etwas anderes, nämlich
für Modified Newtonian dynamics, also modifizierte newtonsche Dynamik.
Sie wurde 1983 vom Physiker Mordehai Milgrom als Alternative zu
Dunkle-Materie-Modellen vorgeschlagen und soll es ermöglichen, das beobachtete
Rotationsverhalten von Galaxien durch angepasste Bewegungsgleichungen zu
erklären und nicht durch die Annahme, dass sich im All deutlich mehr Masse
befindet als man beobachten kann.
Wenn man allerdings bewährte physikalische Gesetzmäßigkeiten ändert, um ganz
spezielle Beobachtungen zu erklären, besteht die große Schwierigkeit darin, dass
die modifizierte Theorie natürlich auch all die Befunden erklären können muss,
mit denen es bislang keine Probleme gab. So kann MOND zwar das
Rotationsverhalten von Spiralgalaxien ohne Dunkle Materie erklären, hat aber -
so zumindest die Überzeugung der Mehrzahl der Astronomen - erhebliche
Schwierigkeiten mit anderen Galaxientypen und zusätzlichen Beobachtungen, die
auf die Existenz von Dunkler Materie hindeuten.
Insbesondere nach der Beobachtung von kollidierenden Galaxienhaufen, bei
denen man praktisch eine Trennung von sichtbarer und Dunkler Materie beobachten
konnte (astronews.com berichtete), hat MOND nur noch
wenige Anhänger. Doch es gibt sie noch und einer davon ist Stacy McGaugh,
Professor an der amerikanischen Case Western Reserve University.
Zusammen mit dem MOND-Erfinder Milgrom vom Weizmann Institute of Science
hat er sich jetzt die Zwerggalaxien unserer Nachbargalaxie Andromeda (Messier
31) vorgenommen.
Die Wissenschaftler interessierten sich dabei für die
Geschwindigkeitsdispersion der Zwerggalaxien. Diese beschreibt die in einer
Galaxie auftretenden Variationen der Geschwindigkeiten einzelner Objekte in
Bezug auf die mittlere Geschwindigkeit der Objekte der Galaxie. Durch Messung
der Geschwindigkeitsdispersion lässt sich die Masse einer Galaxie abschätzen.
McGaugh und Milgrom schauten sich spheroidale Zwerggalaxien von Messier
31 an. Wie alle diese Systeme bestehen sie aus verhältnismäßig wenig Sternen und
haben nur eine geringe Oberflächenhelligkeit. "Diese Zwerggalaxien erscheinen am
Himmel nur sehr dünn", erklärt McGaugh. "Ihr Licht ist über hunderte oder
tausende von Lichtjahren verteilt. Diese Systeme sind ein starker Test für MOND,
da die geringe stellare Dichte nur zu kleinen Beschleunigungen führt." In der
Vergangenheit war MOND aus der Sicht vieler Astronomen an der korrekten
Beschreibung dieser Systeme gescheitert.
Die beiden Wissenschaftler nahmen die Helligkeit der Zwerggalaxien als Maß
für die Gesamtmasse ihrer Sterne und berechneten dann mit Hilfe von MOND für 17
Systeme die daraus resultierende Geschwindigkeitsdispersion. In 16 Fällen
stimmten die vorhergesagten Werte gut mit den beobachteten Werten überein.
"Viele unserer Vorhersagen haben genau gepasst", so McGaugh, "in der Regel war
die Übereinstimmung am besten, wenn auch die Beobachtungsdaten gut waren."
Die Forscher sagten auch die Geschwindigkeitsdispersionen für zehn noch
lichtschwächere Zwerggalaxien um Andromeda voraus und hoffen, dass bald
Beobachtungen zur Verfügung stehen, mit denen sie ihre Werte vergleichen können.
"MOND hat diesen neuen Test überraschend gut bestanden", so das Urteil von
McGaugh. "Wenn die Dunkle-Materie-Theorie stimmt, hätte das nicht passieren
dürfen".
Es ist kaum zu erwarten, dass diese Studie, die in der Fachzeitschrift
Astrophysical Journal veröffentlicht wird, die zahlreichen MOND-Skeptiker
umstimmen wird. Sie könnte aber, wie auch schon frühere Untersuchungen an denen
McGaugh beteiligt war, auf Details hinweisen, mit denen auch die anerkannte
Dunkle-Materie-Theorie noch Probleme hat.
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