Strahlungsausbruch ließ Atmosphäre verdampfen
von Stefan Deiters astronews.com
28. Juni 2012
Astronomen haben mithilfe des Weltraumteleskops Hubble
eine dramatische Veränderung in der oberen Atmosphäre eines extrasolaren
Planeten nachweisen können. Offenbar führte ein intensiver Strahlungsausbruch
des Zentralsterns zu einem Verdampfen von Teilen der Atmosphäre des heißen
Jupiter HD 189733b. Der Ausbruch war zuvor vom NASA-Satelliten Swift
registriert worden.
So könnte der Planet HD 189733b vor seinem
Zentralstern aussehen.
Bild: NASA, ESA, L. Calçada |
Die Atmosphäre des extrasolaren Planeten um den Stern HD 189733 dürfte
vermutlich zu den am besten untersuchten Atmosphären einer Welt jenseits unseres
Sonnensystems gehören (astronews.com berichtete wiederholt). Bei HD 189733b
handelt es sich nämlich um einen Transitplaneten, der - von der Erde aus gesehen
- regelmäßig vor seiner Sonne vorüberzieht und diese damit leicht verdunkelt. Zu
dieser Zeit passieren auch Teile des Sternenlichts die Atmosphäre des Planeten.
Die spektrale Untersuchung dieses Lichts erlaubt dann Rückschlüsse auf deren
Zusammensetzung und Eigenschaften.
Alain Lecavelier des Etangs vom Institut d’astrophysique de Paris
hat mit seinen Kollegen HD 189733b Anfang 2010 und Ende 2011 mit Hubble
beobachtet, um den Verdacht zu bestätigen, dass die Atmosphäre des Planeten
langsam verdampft. Dies hatte das Team bereits einige Jahre zuvor bei einem
anderen extrasolaren Planeten nachweisen können.
Bei HD 189733b handelt es sich um einen sogenannten heißen Jupiter, also um
einen Gasriesen, der seinen Zentralstern in äußerst geringem Abstand umkreist.
Dadurch ist die Atmosphäre nicht nur äußerst heiß, sondern auch einer intensiven
Strahlung des Zentralsterns im UV- und Röntgenbereich ausgesetzt. HD 189733b ist
also ein ideales Studienobjekt, um die Wechselwirkungen zwischen einem Stern und
einer Planetenatmosphäre zu untersuchen.
"Die ersten Beobachtungen waren enttäuschend", erinnert sich Lecavelier. "Wir
haben darin nämlich überhaupt keine Spur der Planetenatmosphäre entdecken
können. Erst als wir die Daten der zweiten Beobachtung erhielten, begann uns
klar zu werden, dass wir auf etwas Interessantes gestoßen sein könnten." Bei den
Beobachtungen im Jahr 2011 waren nämlich Spuren eines deutlichen Gasschweifs zu
erkennen, der mit einer Rate von mindestens 1.000 Tonnen pro Sekunde vom
Planeten ins All geblasen wurde. "Wir konnten also nicht nur bestätigen, dass
die Atmosphären einiger Planeten verdampfen, wir haben sogar beobachtet, dass
sich die physikalischen Bedingungen bei den verdampfenden Atmosphären mit der
Zeit verändern können. Das war zuvor noch niemandem gelungen."
Doch wie konnte es zu diesen dramatischen Veränderungen kommen? Trotz der
extremen Temperatur, die auf dem Planeten herrschen sollte, dürfte es auf HD
189733b nämlich nicht heiß genug sein, um das 2011 beobachtete Verdampfen zu
erklären. Die Astronomen vermuten daher, dass dieses Ereignis mit der intensiven
Strahlung des Zentralsterns im Röntgen- und ultravioletten Bereich zu tun hat.
So sollte HD 189733b beispielsweise eine rund dreimillionenfach höhere Dosis an
Röntgenstrahlung abbekommen als die Erde von der Sonne.
Die These der Astronomen wird von Beobachtungen des NASA-Satelliten Swift
gestützt. Dieser registrierte, nur wenige Stunden bevor Hubble 2011 mit
den Beobachtungen von HD 189733b begann, einen plötzlichen Strahlungsausbruch
von der Oberfläche des Sterns. Im Röntgenbereich wurde er dadurch um einen
Faktor vier heller. "Röntgenstrahlen machen nur einen kleinen Teil der
Abstrahlung eines Sterns aus, es ist allerdings der Teil, der energiereich genug
ist, um das Verdampfen der Atmosphäre auszulösen", erklärt Teammitglied Peter
Wheatley von der englischen University of Warwick. "Es handelte sich
immerhin um den hellsten Röntgenausbruch des Sterns, der bislang beobachtet
wurde. Es ist sehr wahrscheinlich, dass er der Grund für das Verdampfen war, das
Hubble dann einige Stunden später beobachtet hat."
Durch die starken Röntgenstrahlen des Ausbruchs könnte das Gas in der oberen
Atmosphäre des Planeten so aufgeheizt worden sein, dass es sogar der starken
Anziehungskraft des Riesenplaneten entkommen konnte. Allerdings, so die
Astronomen, sei es auch möglich, dass das Verdampfen der Atmosphäre nichts mit
dem beobachteten Strahlungsausbruch, sondern beispielsweise mit einem generellen
Anstieg der Röntgenabstrahlung des Sterns zwischen 2010 bis 2011 zu tun hat.
Dieser Anstieg könnte ähnliche Ursachen haben wie der Aktivitätszyklus unserer
Sonne.
Das Team, das die Ergebnisse der Beobachtungen in der Fachzeitschrift
Astronomy & Astrophysics beschreiben wird, hofft, den genauen Grund für
das Verdampfen der Atmosphäre durch weitere Beobachtungen mit dem
Weltraumteleskop Hubble und auch mit dem europäischen Röntgenteleskop
XMM-Newton klären können. Das Ergebnis ist auch deswegen interessant,
weil es sich bei einigen als "Supererden" bezeichneten Gesteinsplaneten, die
ihre Sonne auch in nur geringem Abstand umrunden, um die Überreste von Gasriesen
wie HD 189733b handeln könnte, bei denen aber inzwischen die gesamte Atmosphäre
verlorengegangen ist.
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