Hinweise auf Eis im Shackleton-Krater?
von Stefan Deiters astronews.com
21. Juni 2012
Das Oberflächenmaterial auf dem Boden des Shackleton-Kraters
am Südpol des Mondes könnte bis zu 22 Prozent aus Eis bestehen. Dies ergaben
jetzt vorgestellte Messungen des Lunar Reconnaissance Orbiter. Da der
Kraterboden permanent im Schatten liegt, halten Wissenschaftler die Existenz von
Wassereis hier für möglich. Es gibt allerdings auch eine andere Erklärung für
die Beobachtungen.
Der Shackleton-Krater auf dem Mond. In der
linken Hälfte sind die farbcodierten
Höhenmessungen dargestellt, rechts ist eine
Reliefansicht zu sehen. Das Bild basiert auf
Messungen der Sonde Lunar Reconnaissance Orbiter.
Bild: NASA/Zuber, M.T. et al., Nature,
2012 [Großansicht] |
Die Astronomen hatten den Boden des Shackleton-Kraters mit Hilfe des
Laser-Höhenmessers der NASA-Sonde Lunar Reconnaissance Orbiter
untersucht, die seit Juni 2009 um den Mond kreist. Sie stellten dabei fest, dass
der Boden des Kraters deutlich heller ist als der Boden von anderen Kratern in
der Umgebung, was, nach Ansicht der Forscher, auf das Vorhandensein von kleinen
Mengen von Eis hindeuten könnte. Der 21 Kilometer durchmessende und rund vier
Kilometer tiefe Krater befindet sich am Südpol des Mondes und wurde nach dem
Antarktisforscher Ernest Shackleton benannt. Der Boden des Kraters liegt
permanent im Dunklen, so dass hier außerordentlich niedrige Temperaturen
herrschen.
"Die Helligkeitsmessungen haben uns seit zwei Sommern beschäftigt", so Gregory
Neumann vom Goddard Space Flight Center der NASA. "Die Verteilung der
Helligkeit war nicht ganz so, wie wir das erwartet hatten. Allerdings ist
praktisch jede Messung auf dem Mond, die mit Eis oder anderen flüchtigen Stoffen
zu tun hat, überraschend, wenn man die kosmisch niedrigen Temperaturen bedenkt,
die im Inneren der polaren Krater herrschen." Ihre Resultate stellten die
Forscher jetzt in einem Fachartikel in der Wissenschaftszeitschrift Nature
vor.
Die Wissenschaftler hatten mit einem Laserstrahl das Innere des Kraters
anvisiert und so sein natürliches Rückstrahlvermögen bestimmt. Gleichzeitig
erstellten sie auf diese Weise ein detailliertes Relief des Kraterinneren. Dies
gelingt, indem man einfach die Zeit misst, die der reflektierte Laserstrahl
benötigt, um wieder den Detektor der Sonde zu erreichen - je länger dies dauert,
desto tiefer ist es an der jeweiligen Stelle.
Auf diese Weise wurde auch deutlich, dass es sich bei Shackleton um einen
erstaunlich gut erhaltenen Krater handeln muss, der sich seit seiner Entstehung
vor rund drei Milliarden Jahren kaum verändert hat. Lediglich auf dem
Kraterboden finden sich mehrere kleinere Krater, die aber schon bei der
Kollision entstanden sein könnten, durch die sich Shackleton einst bildete. "Das
Innere des Kraters ist äußerst zerklüftet", so Maria Zuber vom Massachusetts
Institute of Technology (MIT) im amerikanischen Cambridge, die die
Untersuchungen leitete. "Es dürfte nicht leicht sein, sich dort fortzubewegen."
Zu ihrer Überraschung stellte das Team um Zuber fest, dass die Wände des
Shackleton-Kraters offenbar noch heller waren, als der ohnehin schon
ungewöhnlich helle Kraterboden. Auf die Wände fällt allerdings zuweilen
Sonnenlicht, so dass Eis hier als Erklärung eigentlich ausscheiden sollte. Die
Forscher vermuten daher, dass Mondbeben dafür gesorgt haben, dass altes Material
von den Kraterwänden abgerutscht ist und dadurch frischeres, helleres Material
freigelegt wurde.
Mondbeben können durch die Gezeitenwirkung der Erde oder durch Einschläge von
Meteoriten ausgelöst werden. "Es könnte mehrere Erklärungen für die beobachtete
Helligkeit in den verschiedenen Bereichen des Kraters geben", so Zuber. "So
könnte es sich an den Wänden um jüngeres, freigelegtes Material handeln, während
auf dem Boden Eis in das Oberflächenmaterial gemischt ist."
Die Suche nach Wassereis auf dem Mond ist für die weitere Erforschung des
Erdtrabanten von großer Bedeutung: Könnten bemannte Missionen nämlich Wasser vor
Ort gewinnen, müsste man es nicht aufwendig von der Erde zum Mond
transportieren. So werden in den Pressemeldungen von NASA und MIT auch die
möglichen Hinweise auf Wasser in den Vordergrund gestellt. Die NASA titelt sogar
"Forscher schätzen Eisgehalt eines Kraters am Mondsüdpol ab".
Der eigentliche Fachartikel in Nature ist da deutlich zurückhaltender:
Schon in der Zusammenfassung heißt es, dass sich der vergleichsweise helle
Kraterboden am einfachsten durch die geringeren Strahlungseinflüsse - also durch
geringere "Verwitterung" - im dauerhaften Schatten erklären lassen würde.
Allerdings könnte man die Beobachtungen auch durch "eine ein Mikrometer dicke
Schicht, die rund 20 Prozent Oberflächeneis enthält" erklären.
Wirkliche Beweise für Eis auf dem Boden von Kratern am Mondsüdpols liefert also
auch die jetzt vorgestellte Untersuchung nicht. Sie enthält allerdings auch
keine Hinweise, die dieser Vorstellung widersprechen würden. Doch selbst wenn
Eis für die erhöhte Helligkeit auf dem Kraterboden verantwortlich ist, dürften
diese Mengen doch so gering sein, dass kein Astronaut ohne ausreichende
Wasservorräte die Erkundung dieser Mondregion antreten sollte. Wirklich
Gewissheit über das Dauerthema "Wassereis auf dem Mond" könnte wohl nur eine
Landesonde bringen, die Bodenproben nimmt und analysiert.
|