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GRAVITATIONSLINSEN
Rekonstruktion einer fernen Galaxie
von Stefan Deiters
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12. März 2012

Astronomen ist es gelungen, das Aussehen einer weit entfernten Galaxie zu rekonstruieren, die auch mit modernen Teleskopen eigentlich nicht in dieser Form zu beobachten wäre. Zu Hilfe kam den Forschern aber nicht nur das Weltraumteleskop Hubble, sondern auch die allgemeine Relativitätstheorie Albert Einsteins in Form des Gravitationslinseneffektes.

RCS2 032727-132623

Der Galaxienhaufen RCS2 032727-132623 und die verzerrten Bilder der entfernten Galaxie sowie die Rekonstruktion ihres Aussehens (unten links). Auch ihre Position am Himmel ohne die Lichtablenkung ist markiert. Bild: ESA; J. Rigby (NASA Goddard Space Flight Center); K. Sharon (Kavli Institute for Cosmological Physics) und M. Gladders und E. Wuyts (University of Chicago)  [Großansicht]

Das Bild des Galaxienhaufens RCS2 032727-132623 liefert eine eindrucksvolle Bestätigung für einen Effekt, den Albert Einstein in seiner allgemeinen Relativitätstheorie vorhergesagt hatte: Massen können den Raum in ihrer Umgebung quasi verbiegen. Dies wiederum kann dazu führen, dass Licht, das diese Region passiert, von seinem gradlinigen Weg abkommt. Besonders massereiche Objekte, wie beispielsweise Galaxienhaufen, können so als riesige Linse wirken und das Licht entfernter Objekte verzerren und vergrößern. Astronomen sprechen dabei vom Gravitationslinseneffekt.

Im Falle des Galaxienhaufens RCS2 032727-132623 wird das Licht einer Galaxie abgelenkt und verstärkt, das rund zehn Milliarden Jahre benötigt hat, um die Erde zu erreichen. Rund um den Galaxienhaufen sind durch dieses natürliche Vergrößerungsglas gewaltige Bögen entstanden, bei denen es sich um verzerrte Bilder der entfernten Galaxie handelt. Astronomen haben nun versucht, diese Bilder wieder zu entzerren und so das wirkliche Aussehen der Galaxie sichtbar zu machen.

"Was wir hier sehen, ist eine Manifestation der allgemeinen Relativitätstheorie", erklärt Michael Gladders von der University of Chicago. "Anstelle des normalen und sehr lichtschwachen Bildes der entfernten Quelle, haben wir hier durch die störende Masse des Galaxienhaufens mehrere stark verzerrte und extrem vergrößerte Bilder vor uns." Die Rekonstruktion des Aussehens der fernen Galaxie machte helle Lichtpunkte in dem System sichtbar, bei denen es sich um Sternentstehungsregionen handeln muss, die deutlich heller sind als die Sternentstehungsregionen in der Milchstraße. Die Astronomen berichten über ihre Untersuchung in der Fachzeitschrift The Astrophysical Journal.

Bereits 2006 hatten die Astronomen aus Chicago die Bögen der verzerrten Galaxie mit Hilfe des Very Large Telescope der europäischen Südsternwarte ESO untersucht und dabei festgestellt, dass die Galaxie mehr als dreimal heller erscheint als bereits bekannte auf diese Weise vergrößerte Galaxien. Im vergangenen Jahr visierten die Astronomen das System erneut an - diesmal mit dem Weltraumteleskop Hubble.

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Gravitationslinsen sind für Astronomen ein wahrer Glücksfall: "Sie erlauben uns zum einen einen detaillierten Blick auf eine weit entfernte Quelle, den wir auf andere Weise nicht erhalten könnten", so Gladders. Zudem würden sie auch etwas über die Masse verraten, durch die es zu dem Linseneffekt gekommen ist - und diese besteht überwiegend aus Dunkler Materie. "Es ist im Grunde genommen ein Blick auf die Natur der Dunklen Materie." Dunkle Materie macht einen großen Teil der Masse unseres Universums aus. Ihre wahre Natur ist bis heute ungeklärt und zählt zu den großen Rätsel der modernen Astronomie.

Aus den verzerrten Bildern das wahre Aussehen einer entfernten Galaxie zu rekonstruieren, ist alles andere als einfach. Diese Aufgabe übernahm federführend Karen Sharon vom Kavli Institute für Cosmological Physics an der University of Chicago. Zunächst musste Sharon dazu die Gravitationslinse selbst am Computer rekonstruieren, um dann auf dieser Grundlage aus den verzerrten Bildern das Erscheinungsbild der entfernten Galaxie bestimmen zu können. "Das ist ein wenig wie Kunst, doch mit einer ganzen Menge Physik. Das macht die Sache so schön", erzählt die Wissenschaftlerin. "Es hat Spaß gemacht, dieses Puzzle zu lösen, insbesondere weil wir so gutes Datenmaterial hatten."

Sharon, so Gladders, sei "eine der Expertinnen auf der Welt, die genau wissen, wie man das machen muss. Durch die Kombination dieser Fähigkeiten mit der Datenqualität lassen sich sehr schöne Ergebnisse erzielen. Dieses Objekt ist dadurch nicht nur die hellste uns bekannte Linsenquelle, sondern durch die Analyse auch die am besten verstandene Quelle."

Die Astronomen wollen nun mit Hilfe von Spektren mehr über die Sternentstehungsregionen in dem fernen System erfahren und insbesondere herausfinden, warum hier mit einer so hohen Rate neue Sterne entstehen. Außerdem gilt es zu klären, warum die Galaxie so ungewöhnlich aussieht. Dies ist allerdings eine Herausforderung: "Wir haben nichts, mit dem wir die Galaxie vergleichen können", so Sharon. "Wir wissen einfach nicht, wie andere Galaxien in dieser Entfernung aussehen, da wir von ihnen keine so detaillierten Bilder haben."

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siehe auch
Gravitationslinsen: Bild einer fernen Galaxie rekonstruiert - 20. Oktober 2008
Links im WWW
University of Chicago
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