Spuren geologischer Aktivität auf dem Mond
von Stefan Deiters astronews.com
21. Februar 2012
Wissenschaftler haben auf Bildern der NASA-Sonde
Lunar Reconnaissance Orbiter Hinweise dafür gefunden, dass sich die Kruste
des Mondes an einigen Stellen gedehnt hat und dadurch Grabenstrukturen entstanden
sind. Dies alles geschah vor weniger als 50 Millionen Jahren - angesichts
eines Mondalters von 4,5 Milliarden Jahren also in geologisch jüngster Zeit.
Die größte neu entdeckte Grabenstruktur im
Hochland auf der erdabgewandten Seite des Mondes.
Der Graben hat eine Breite von rund 500 Metern
und ist bis zu 20 Meter tief.
Bild: NASA / Goddard / Arizona State
University / Smithsonian Institution
[Großansicht]
Ein Graben entsteht durch die Dehnung der
Kruste.
Bild: Arizona State University /
Smithsonian Institution |
Das Wissenschaftlerteam hatte hochaufgelöste Bilder der NASA-Sonde
Lunar Reconnaissance Orbiter ausgewertet und an einigen Stellen Grabenstrukturen entdeckt, die darauf hindeuten, dass sich die Kruste des Mondes
in diesen Regionen gedehnt hat. Durch die Dehnung senkte sich dann ein Teil der Kruste
zwischen zwei Bruchlinien ab. "Wir glauben, dass sich der Mond global
zusammenzieht, weil er sich in seinem noch immer heißen Inneren abkühlt", so Thomas Watters vom
Center for Earth and Planetary Studies am Smithsonian's National Air
and Space Museum in Washington. Watters ist auch Erstautor eines Fachartikels
über die Untersuchung,
der im März in der Zeitschrift Nature Geoscience erscheinen wird. "Die
Grabenstrukturen deuten darauf hin, dass an einigen Stellen, die Kräfte, die für
ein Zusammenziehen des Mondes sorgen, weniger stark sind, als die Kräfte, die
die Kruste auseinanderziehen. Das spricht dafür, dass die Kontraktionskräfte nicht sehr stark sind, denn sonst hätten sich
diese kleinen Grabenstrukturen nicht bilden können."
Diese schwache Kontraktion wäre, so die Forscher, ein Indiz dafür, dass der Mond - im Gegensatz zu den terrestrischen Planeten - in der
frühsten Phase seiner Entwicklung nicht komplett geschmolzen war. Stattdessen
verfügte er lediglich über eine geschmolzene Oberfläche, also quasi einen
Ozean aus geschmolzenem Gestein.
Im August 2010 hatten die Wissenschaftler auf Bildern des Lunar Reconnaissance Orbiter nach Hinweisen dafür gesucht, dass
sich der Mond zusammenzieht. Sie entdeckten tatsächlich zahlreiche
Strukturen, insbesondere sogenannte gelappte Steilhänge, die auf eine
Schrumpfung des Erdtrabanten noch in geologisch jüngerer Zeit hindeuten. Diese
könnte eventuell sogar bis heute
andauern. Die Strukturen fanden sich überall auf der Mondoberfläche. Das Innere des Erdtrabanten
kühlt sich also offenbar ab und der Mond zieht sich deswegen zusammen. Anhand der Größe der Steilhänge errechneten die Forscher, dass sich die
Entfernung von der Mondoberfläche bis zum Zentrum dadurch um rund 100 Meter
verringert haben muss.
Die Entdeckung von Grabenstrukturen passt nun wiederum
gar nicht in dieses Bild, weil sie dafür sprechen, dass die Mondoberfläche an
einigen Stellen sogar gedehnt wurde. "Dieses Auseinanderziehen zeigt uns, dass
der Mond noch immer aktiv ist", urteilt Richard Vondrak, Projektwissenschaftler
für den Lunar Reconnaissance Orbiter am Goddard Space Flight Center der NASA.
"Die Sonde erlaubt uns einen detaillierten Blick auf diesen Prozess."
Die Wissenschaftler hoffen, durch die Auswertung von weiterem Bildmaterial
des Lunar Reconnaissance Orbiter eine bessere Übersicht darüber zu bekommen, wie
verbreitet diese Grabenstrukturen auf der Mondoberfläche sind und welche anderen
tektonischen Strukturen sich in deren Nähe befinden. Damit könnte sich dann die
Spannung, unter der die Mondkruste steht, neu abschätzen lassen.
"Es war schon eine große Überraschung, als ich Grabenstrukturen in der
Hochlandregion auf der erdabgewandten Seite entdeckt habe", erinnert sich Mark
Robinson von der School of Earth and Space Exploration der Arizona State
University, der verantwortliche Wissenschaftler für die Kamera an Bord des
Lunar Reconnaissance Orbiter. "Ich habe die Region sofort für detailliertere
Stereo-Aufnahmen ausgewählt, damit wir eine dreidimensionale Ansicht des Grabens
erstellen können. Es ist schon faszinierend, wenn man etwas total Unerwartetes
auf der Mondoberfläche findet. Bislang sind nur etwa die Hälfte der
Mondoberfläche in hoher Auflösung erfasst. Es gibt also auf dem Mond noch viel
zu entdecken."
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