Säulen der Schöpfung in neuem Licht
von Stefan Deiters astronews.com
20. Januar 2012
Der Adlernebel gehört, dank eines "Säulen der Schöpfung"
genannten Bildes des Weltraumteleskops Hubble, zu den wohl berühmtesten
Objekten am nächtlichen Himmel. Eine jetzt veröffentlichte Aufnahme, die auf
Daten der ESA-Teleskope Herschel und XMM-Newton beruht, zeigt
diese faszinierende Region in einem neuen Licht.
Der Adlernebel (Mitte und links) sowie die
Säulen der Schöpfung (rechts) in verschiedenen
Wellenlängenbereichen.
Bild: ESA / Herschel / PACS / SPIRE /
Hill, Motte, HOBYS Key Programme Consortium
(FIR), ESA / XMM-Newton / EPIC / XMM-Newton-SOC /
Boulanger (Röntgen), MPG/ESO (optisch), NASA/ESA/STScI,
Hester & Scowen (Arizona State University)
(optisch, Hubble), VLT / ISAAC / McCaughrean &
Andersen / AIP / ESO (NIR), ESA/ISO/Pilbratt et
al. (MIR) [Großansicht] |
Es ist eines der berühmtesten Bilder des Weltraumteleskops Hubble:
Pillars of Creation, also "Säulen der Schöpfung", nannten die
Astronomen ihre 1995 veröffentlichte Aufnahme von drei Säulen aus interstellarem
Gas und Staub im Adlernebel. Im Inneren dieser Säulen, so die Vermutung der
Wissenschaftler damals, sollten in kleinen dichten Klumpen aus Gas neue Sterne
entstehen. Verifizieren konnten die Astronomen dies mit Hubble nicht,
da der dichte Staub im sichtbaren Bereich des Lichts keinen Blick auf die hier
vermuteten entstehenden Sterne erlaubte. Spätere Untersuchungen deuteten darauf
hin, dass nur in wenigen dieser Klumpen tatsächlich neue Sonnen geboren werden.
Jetzt hat die ESA mit zwei Weltraumteleskopen den Adlernebel erneut ins Visier
genommen. Die in dieser Woche veröffentlichten Aufnahmen zeigen, wie dramatisch
sich das Bild eines astronomischen Objektes verändern kann, wenn man es in
verschiedenen Wellenlängenbereichen beobachtet.
Der Adlernebel liegt in rund 6.500 Lichtjahren Entfernung im Sternbild
Schlange. In ihn eingebettet ist mit NGC 6611 ein junger heißer Sternhaufen, der
schon mit relativ kleinen Amateurteleskopen zu erkennen ist. Die Strahlung der
jungen Sonnen lässt den Nebel aufleuchten und ist zudem für die eigentümlichen
Strukturen im Gas und im Staub verantwortlich. Die Hohlräume und Säulen aus Gas
haben eine Länge von jeweils mehreren Lichtjahren.
Das neue Bild des europäischen Infrarot-Weltraumteleskops Herschel
zeigt nicht nur den Bereich der Säulen in einem neuen Licht, sondern auch Gas
und Staub in der sie umgebenden Region. Die Aufnahme im fernen Infrarot (als
Far Infrared im Bild gekennzeichnet) gewährt den Astronomen einen Blick ins
Innere der Säulen und auf die weiteren Strukturen des Nebels. Gleichzeitig hat
auch das ESA-Röntgenteleskop XMM-Newton die Region anvisiert. Auf
dessen Bild (X-rays) sind die heißen jungen Sterne zu erkennen, die
durch ihre Strahlung für die Entstehung der Säulen verantwortlich sind.
Vergleicht man die neuen Daten mit früheren Aufnahmen des Adlernebels und der
Säulen der Schöpfung in anderen Wellenlängenbereichen, ergibt sich ein
vielfältiges und faszinierendes Bild dieser Region: Im sichtbaren Bereich des
Lichts leuchtet der Nebel hauptsächlich durch das reflektierte Licht der Sterne
und das heiße Gas. Im nahen Infrarot (Near Infrared, die Aufnahme
stammt vom Very Large Telescope der ESO) wird der Staub fast
durchsichtig und die Säulen der Schöpfung sind kaum noch zu erkennen.
Im fernen Infrarot der Herschel-Aufnahme wird der kalte Staub wieder
sichtbar und damit auch die Säulen, die nun aber selbst zu leuchten angefangen
haben. Außerdem sind weitere Strukturen aus Gas und Staub erkennbar, die den
Astronomen etwas über das Wechselspiel zwischen Gas und Staub und der
ultravioletten Strahlung verraten, die von den heißen Sternen stammt. Diese sind
auf der Röntgenaufnahme von XMM-Newton zu erkennen. Die Aufnahme im
mittleren Infrarot (Mid-Infrared) schließlich wurde vom Infrared
Space Observatory (ISO) gemacht.
Die Auswertung von Beobachtungen des NASA-Weltraumteleskops Spitzer
lieferte vor einigen Jahren Hinweise darauf, dass der Adlernebel vor Ort
inzwischen vermutlich ganz anders aussieht als wir in von der Erde aus
beobachten. Einer der massereichen Sterne des Sternhaufens könnte nämlich schon
vor rund 6.000 Jahren als Supernova explodiert sein. Die dabei entstehende
Stoßwelle dürfte dann auch die Säulen der Schöpfung zerstört haben. Bis wir
allerdings auch auf der Erde Zeugen dieses Schauspiels werden, sollten noch
einige Jahrhunderte vergehen.
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