Wenn Wasserstoff metallisch wird
Redaktion
/ idw / Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts für Chemie astronews.com
18. November 2011
Der Gasriese Jupiter verfügt über ein starkes Magnetfeld.
Astronomen machen dafür eine metallische Form von Wasserstoff verantwortlich,
die im Inneren des Planeten durch die dortigen extrem hohen Drücken entsteht. Wissenschaftler
am Max-Planck-Institut für Chemie haben nun mit Wasserstoff experimentiert und
erlebten eine Überraschung.
Der
Diamantamboss
- das
Herzstück
der Anlage,
in der in
einer
kleinen
Kammer
extrem hohe
Drücke
zwischen
zwei
Diamantenspitzen
entstehen.
Foto: MPI für Chemie |
Gewöhnlich haben Wasserstoffmoleküle mit einem Metall so viel gemeinsam wie
eine Salve Konfetti mit einem Buch. Und sie zu einem metallischen Leiter zu
machen, ist auch etwa so schwierig wie Papierschnipsel zu bedruckten Seiten
zusammenzusetzen. Aber genau das ist Forschern des Max-Planck-Instituts für
Chemie in Mainz gelungen. Sie haben Wasserstoff bei 25 Grad Celsius unter Druck
gesetzt, solange bis auf ihrer Probe mehr als drei Megabar lasteten - das
entspricht dem drei millionenfachen des Atmosphärendrucks.
Dabei entdeckten sie zunächst einen bislang unbekannten Zustand des
Wasserstoffs: Oberhalb von 2,2 Megabar verhielt sich der Wasserstoff wie ein
Halbleiter. Bei etwa 2,7 Megabar nahm das Element metallische Eigenschaften an,
und damit bei deutlich niedrigerem Druck als theoretisch vorhergesagt. Diese
Beobachtungen könnten den Physikern helfen, die fundamentalen Eigenschaften der
Materie zu ergründen und auch auf die Spur zu Materialien mit neuen
Eigenschaften führen.
Metallischer Wasserstoff dürfte selbst den meisten Chemikern kaum bekannt
sein, aber Wasserstoff ist mit Metallen chemisch recht verwandt. Denn
Wasserstoff gehört zur selben Gruppe chemischer Elemente wie die Alkalimetalle
Lithium, Natrium und Kalium. Allerdings existiert er auf der Erde normalerweise
nur in Form zweiatomiger Moleküle. An manchen Orten im Weltall ist das anders.
So dürfte er im Inneren des Jupiters als Metall vorliegen. Das vermuten
Astrophysiker jedenfalls und führen darauf das starke Magnetfeld des Planeten
zurück.
"Die Eigenschaften des Wasserstoffs, so wie er etwa im Jupiter existieren
könnte, ist ein Grund für unsere Hochdruck-Experimente", erläutert Mikhail
Eremets. Gemeinsam mit Ivan Troyan hat er das Element in einem Labor am
Max-Planck-Institut für Chemie in Mainz in die metallische Form gezwungen. Zu
diesem Zweck haben sie den Wasserstoff einem extrem hohen Druck ausgesetzt, wie
er etwa im Inneren von Planeten und Sternen herrscht. Sie füllten den
Wasserstoff in eine Mulde in einer Dichtung, die sich zwischen zwei
Miniatur-Ambossen aus Diamant befand. Dann pressten Eremets und Troyan die
Diamantambosse zusammen.
Dabei beobachteten sie das Element mit einem Ramanspektrometer, das ihnen
durch die Streuung von Licht Informationen über die räumliche Anordnung der
Wasserstoffmoleküle liefert. Bei einem Druck von rund 230.000 Bar erstarrte der
Wasserstoff zu einem Festkörper, seine Moleküle blieben dabei jedoch erhalten.
Sobald 2,2 Megabar auf der Probe lasteten, registrierten die beiden Forscher mit
Hilfe der Spektren, dass sich die Struktur des Elementes änderte. Gleichzeitig
wurde der Wasserstoff zum Halbleiter, wie die Forscher in Messungen der
Leitfähigkeit feststellten. "Dieser Halbleiter-Zustand war bislang unbekannt",
so Eremets. "Auch in Berechnungen, wie sich Wasserstoff bei hohen Drücken
verhält, haben Theoretiker dafür bislang keine Anzeichen gefunden."
Als die Forscher den Druck auf die Probe weiter erhöhten, stieg die
Leitfähigkeit des Wasserstoffs allmählich, bis sie bei 2,7 Megabar auf das
Tausendfache sprang. Diesen Sprung hatten Rechnungen erst bei fast vier Megabar
vorhergesagt. "Der genaue Leitfähigkeitswert liegt aber möglicherweise noch
höher ", glaubt Troyan. Unter diesem Druck könnten in der Probe auch Protonen
entstehen, die an den Messelektroden der Apparatur eine Art elektrische
Sperrschicht aufbauen. Diese bewirkt, dass die Messungen zu niedrige Werte
ergeben. "Dieses Problem wollen wir in weiteren Untersuchungen umgehen, indem
wir die Leitfähigkeit mit einer Wechselspannung von sehr hoher Frequenz messen."
Mit den präziseren Messungen möchten die Forscher noch mehr darüber
herausfinden, was genau in ihrer Probe bei 2,7 Megabar passiert. Derzeit gehen
die Mainzer Wissenschaftler davon aus, dass Wasserstoff bei diesem Druck zu
einem metallischen Leiter wird. Möglicherweise leitet Wasserstoff unter diesen
Bedingungen aber sogar wie ein Supraleiter, transportiert einen elektrischen
Strom also völlig ohne Widerstand. Und dass bereits bei Raumtemperatur – anders
als alle bekannten Supraleiter, die mehr oder weniger stark gekühlt werden
müssen.
"Vielleicht haben wir das in unseren bisherigen Untersuchungen nur noch nicht
messen können", spekuliert Troyan. Das ist aber nicht die einzige Unklarheit die
die Mainzer Forscher noch beseitigen wollen: "Es könnte sein, dass Wasserstoff
bei mehr als 2,7 Megabar nicht als metallischer Festkörper vorliegt, sondern als
metallische Flüssigkeit wie Quecksilber", so Eremets. Und dabei könnte es sich
um eine ganz besondere Flüssigkeit handeln: um eine Quantenflüssigkeit. Eine
solche Quantenflüssigkeit heißt auch Suprafluid; zu ihren sonderbaren
Eigenschaften gehört, dass sie ohne Reibung fließt. "Es könnte sogar sein, dass
Wasserstoff unter bestimmten Bedingungen gleichzeitig supraleitend und
suprafluid wird", glaubt Eremets.
Bislang ist noch kein Stoff bekannt, der die beiden erstaunlichen
Quanteneffekte gleichzeitig zeigt und sowohl ohne Widerstand Strom leitet als
auch ohne Reibung fließt. "Das macht die Untersuchung von Wasserstoff bei
extremem Druck für uns so interessant." Die Entdeckung, dass Wasserstoff bei
hohem Druck elektrisch leitend wird, stellt also einen ersten Schritt auf einem
längeren Weg dar. Auf dem könnten die Forscher noch einige Eigenschaften des
Elementes entdecken, die noch exotischer sind als seine elektrische
Leitfähigkeit.
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