Atlantis zur letzten Shuttle-Mission gestartet
Redaktion
/ Pressemitteilung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt e. V. astronews.com
8. Juli 2011
Mit dem erfolgreichen Start der amerikanischen Raumfähre Atlantis
zur Internationalen Raumstation ISS hat die letzte Mission eines Space
Shuttle begonnen. Das Ende der 30-jährigen Ära der amerikanischen
Raumfähren rückt damit in greifbare Nähe. Künftig wird man für den
ISS-Besatzungswechsel ganz auf russische Sojus-Kapseln
angewiesen sein.
Die Atlantis hob am Freitag zu ihrer letzten
Mission ob.
Foto: NASA / Fletcher Hildreth |
Die Atlantis war am Freitag, 8. Juli 2011, um 11.29 Uhr
Ortszeit (17.29 Uhr MESZ) von der Startrampe 39A des amerikanischen
Weltraumbahnhofs Cape Canaveral in Florida abgehoben. Es ist die 135.
Shuttle-Mission insgesamt. An Bord der Raumfähre sind auf dieser letzten
Mission nur vier Astronauten: der Kommandant Chris Ferguson, Pilot Doug
Hurley und die Missionsspezialisten Sandra Magnus und Rex Walheim.
Während der Mission soll das Mehrzweck-Logistikmodul Raffaello
an die ISS angedockt werde, um Vorräte für die Astronauten zu entladen.
Im Rahmen eines Außenbordeinsatzes wird zudem zu Testzwecken das
robotische Tanksystem RRM (Robotic Refueling Mission) an der
Raumstation montiert. Außerdem bringt die vierköpfige Besatzung mehr als
zwei Tonnen Ausrüstung zur Erde zurück. Die letzte Reise der Atlantis
soll zwölf Tage dauern und am frühen Morgen des 20. Juli 2011 um 7.06
Uhr Ortszeit (13.06 Uhr MESZ) mit der Landung am Kennedy Space Center in
Florida enden.
Seit der ersten Shuttle-Mission der Columbia am 12. April 1981
haben die Raumfähren der amerikanischen Weltraumbehörde NASA insgesamt
356 Astronauten ins All gebracht und dabei inklusive ihrer letzten
Mission 864.401.219 Flugkilometer zurückgelegt; dies entspricht in etwa
der mittleren Distanz zwischen Erde und Jupiter. Doch die
Shuttle-Geschichte ist trotz aller Superlative auch mit zwei Unfällen
verbunden: Bei der Explosion der Challenger am 28. Januar 1986
kurz nach dem Start und dem Auseinanderbrechen der Columbia
beim Wiedereintritt in die Erdatmosphäre am 1. Februar 2003 verloren 14
Astronauten ihr Leben.
Insgesamt sind Astronauten aus 16 Nationen mit den amerikanischen
Raumfähren geflogen, darunter sieben Deutsche: Ulf Merbold, Reinhard
Furrer, Ernst Messerschmid, Ulrich Walter, Gerhard Thiele, Thomas Reiter
und Hans Schlegel - letzterer als einziger deutscher Astronaut an Bord
der Atlantis: Im Februar 2008 nahm er Columbus, das
europäische ISS-Labormodul zur Forschung unter Weltraumbedingungen, in
Betrieb. Überwacht wurde dieser Meilenstein der europäischen Raumfahrt
von der eigens hierfür eingerichteten ESA-Bodenkontrollstation beim
Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Oberpfaffenhofen.
Gerhard Thiele lernte als Missions-Spezialist der so genannten
Shuttle Radar Topography (SRTM)-Mission, bei der radargestützte
Fernerkundungsdaten der Erdoberfläche erstellt wurden, im Februar 2000
das Space Shuttle Endeavour persönlich kennen: "Ich erinnere
mich noch sehr genau an den 11. Februar 2000: wir waren sechs
Astronauten, vor denen eine anspruchsvolle wissenschaftliche Mission
lag. Die Stimmung im Cockpit war angespannt und dennoch aufgeräumt,
zuversichtlich. Diese elf Tage im All erinnern mich auch heute noch
daran, zu welch großartigen Leistungen der Mensch fähig ist."
Auf die Frage, welche Bedeutung die Raumfähren für die bemannte
Raumfahrt hätten, sagt der heute 58-jährige Physiker: "Mit dem Shuttle
sind fraglos sehr erfolgreiche wissenschaftliche Missionen durchgeführt
worden, so zum Beispiel die Hubble-Missionen oder auch SRTM.
Und auch beim Aufbau der ISS spielten die Raumfähren eine tragende
Rolle." Auch Prof. Johann-Dietrich Wörner, DLR-Vorstandsvorsitzender,
verbindet persönliche Momente mit den Space Shuttle: "Selbstverständlich
habe ich die Shuttle-Ära von Anfang an verfolgt. Im Sommer 2005, noch
vor meiner Berufung zum Vorstandsvorsitzenden des DLR, besuchte ich mit
meiner Familie das Smithsonian-Museum in Washington und wurde von einem
Fernsehsender zu meinen Empfindungen beim ersten Shuttle-Start nach der
Columbia befragt. Offensichtlich hatten die Fernsehleute meine
Anspannung und zugleich Faszination für diese besondere Mission namens
'Return to flight' bemerkt."
Das Ende der Shuttle-Ära wird aber auch für Europa ganz praktische
Folgen Haben: "Auch wir Europäer werden künftig auf russische Sojus-Raumschiffe
angewiesen sein", so Wörner. "In den Verträgen ist jedoch
festgelegt, dass Europa für Leistungen wie die Einrichtung eines
Forschungslabors auf der ISS andere Dienste - wie beispielsweise Flüge -
in Anspruch nehmen kann". So sei ein gewisser Einfluss auf die Preise
möglich. Nach der Einstellung der Shuttle-Flüge werde die
Versorgung der ISS mit lebensnotwendigen Gütern zudem durch unbemannte
Raumtransporter sichergestellt. "Europa hat vor wenigen Wochen die
Mission ATV-2 erfolgreich zu Ende geführt. Das automatisch andockende
Transportmodul (Automated Transfer Vehicle, kurz ATV) wurde in
Deutschland entwickelt und wird auch hier gebaut. In den kommenden
Jahren folgen drei weitere ATV-Missionen", verdeutlicht der
DLR-Vorstandschef.
Von den künftig eingeschränkteren Möglichkeiten, Material von der ISS
zurück zur Erde zu transportieren, sind auch die Mitarbeiter des DLR im
Columbus-Kontrollzentrum in Oberpfaffenhofen betroffen. Sie
wollen den letzten Shuttle-Flug insbesondere für den Rücktransport von
Material aus dem europäischen Forschungslabor nutzen: "Wir werden die
Astronauten bitten, eine Columbus-Kühlwasserprobe und einige
größere Experimentteile für die weitere Analyse am Boden in die
Atlantis einzuladen", erklärt Norbert Porth, im Columbus-Kontrollzentrum
für die letzte Shuttle-Mission zuständiger Flugdirektor.
Noch deutlich wehmütiger dürfte man allerdings in den USA - und hier vor
allem in Florida - diesen letzten Shuttle-Flug verfolgen. 30 Jahre lang
waren die Shuttle, trotz aller Probleme, der Stolz der amerikanischen
Raumfahrt und der NASA. Der Start- und Landebetrieb am Kennedy Space
Center bot vielen Menschen Arbeit. Ob diese alle auch zukünftig
eine Anstellung finden werden, ist mehr als fraglich. Hinzu kommt, dass
es den Stolz manches Amerikaners schwer treffen wird, in Zukunft auf
russische Raumschiffe angewiesen zu sein, um die eigenen Astronauten zur
ISS zu bringen.
Über den Verlauf der Mission STS-135 berichtet astronews.com wieder in
einem Missionslog.
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