267-facher Blick an den Nachthimmel
Redaktion
/ Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts für extraterrestrische Physik astronews.com
29. Juni 2010
Vor etwa einem Monat wurde der VIRUS-W-Spektrograph vom Max-Planck-Institut
für extraterrestrische Physik und der Universitäts-Sternwarte München
fertiggestellt und ist nun bereit für seinen Einsatz am
McDonald-Observatorium in Texas. Mit seinem Sichtfeld, seiner spektralen
Abdeckung und Auflösung wird das Instrument insbesondere die Bewegung von
Sternen und Gas in benachbarten Spiralgalaxien untersuchen. Erste
Beobachtungen sind in diesen Tagen geplant.

Anordnung der Glasfasern von VIRUS-W in der
Fokalebene des Teleskops.
Foto: M. Fabricius,
Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik
/ Universitäts-Sternwarte München

Der VIRUS-W-Spektrograph auf seiner optischen
Bank. Das Licht aus den Glasfasern fällt zunächst
auf den (gekrümmten) ollimatorspiegel und wird
dann auf das hoch auflösende Gitter (im
schwarzen, eckigen Gehäuse) reflektiert. Das
aufgefächerte Lichtspektrum wird dann mit der
gekühlten CCD-Kamera (rundes Gehäuse)
aufgezeichnet.
Foto: M. Fabricius,
Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik
/ Universitäts-Sternwarte München |
Bilder von astronomischen Objekten sind nicht nur schön und
beeindruckend, sondern auch eine wichtige Informationsquelle für die
Astronomen. Neben bildgebenden Kameras kommen aber auch so genannte
Spektrographen zum Einsatz, die das Licht in seine Regenbogenfarben
zerlegen. Aus den damit gewonnen Spektren kann man beispielsweise die
chemische Zusammensetzung von Sternen oder Gas ableiten oder
Geschwindigkeiten bestimmen.
Der VIRUS-W-Spektrograph wurde nun speziell für die Beobachtung von
lokalen Spiralgalaxien entwickelt. Seine Besonderheit liegt in der
Kombination eines vergleichsweise großen Gesichtsfeldes mit einer
relativ großen spektralen Auflösung. Mit seinem hochauflösenden Modus
wird er es den Wissenschaftlern erlauben, in Spiralgalaxien die Bewegung
von Sternen mit relativ kleinen Geschwindigkeitsunterschieden von nur
etwa 20 km/s zu untersuchen.
Der zweite, etwas niedriger auflösende Modus dient speziell der Studie
der chemischen Zusammensetzung von Galaxien. Der Spektrograph wird ein
Gesichtsfeld von etwa 150 mal 75 Bogensekunden haben, womit die
kinematisch besonders interessanten Zentralregionen von nahen
Spiralgalaxien in nur ein bis zwei Aufnahmen untersucht werden können.
Je nach Helligkeit und scheinbarer Größe am Himmel kann eine Galaxie so
in wenigen Stunden beobachtet werden.
Der eigentliche Spektrograph befindet sich dabei auf einer optischen
Bank - einem Tisch im weiteren Sinne - und ist durch ein 25 Meter langes
Glasfaserkabel mit dem Teleskop verbunden. Von der Fokalebene des
Teleskops wird das Licht durch 267 Glasfasern mit einem Innendurchmesser
von je 150 Mikrometern zu den optischen Bauteilen geführt, die das Licht
in die verschiedenen Wellenlängen auffächern. Das Herzstück des
Spektrographen sind zwei holographische Gitter, die - je nach Bedarf -
automatisiert ausgetauscht werden können. Holographische Gitter sind
besonders effizient und produzieren außerdem sehr wenig störendes
Streulicht.
"Durch diese Tischmontierung ist das Instrument besonders stabil und die
jeweilige Richtung, in die das Teleskop für eine Beobachtung geneigt
ist, beeinflusst nicht das Messergebnis", erklärt Maximilian Fabricius
vom MPI für extraterrestrische Physik und der Universitäts-Sternwarte
München , der VIRUS-W größtenteils entwickelt und gebaut hat. "Immerhin
sprechen wir hier von etwa 500 Kilogramm an Gewicht, die sonst bei jeder
neuen Ausrichtung des Teleskops bewegt werden müssten." Die Sicherung
der mechanischen und damit der optischen Stabilität ist ein großes
Problem für Instrumente, die direkt am Teleskop angebracht sind.
Außerdem kann der Spektrograph so leichter an einen Einsatz an anderen
Teleskopen angepasst werden. "Da VIRUS-W nur über die Glasfasern mit dem
Teleskop verbunden ist, muss nur das relativ kleine Ende des
Faserbündels jeweils an das neue Teleskop angepasst werden", so
Fabricius weiter. VIRUS-W ist also ein mobiles Instrument - so sind zum
Beispiel neben dem McDonald Observatorium in Texas auch das MDM
Observatorium am Kitt Peak in Arizona und das zukünftige 2,1-Meter
Fraunhofer Teleskop auf dem Berg Wendelstein in Bayern wahrscheinliche
Einsatzorte für VIRUS-W.
"Eine der Stärken heutiger 2 Meter-Klasse Telekope liegt in der
Realisierbarkeit von langen Beobachtungskampagnen." sagt Niv Drory, der
die Entstehung und Entwicklung von Galaxien in mehreren Projekten
untersucht. "Während man an 8-Meter oder 10-Meter Teleskopen
typischerweise nur wenige Beobachtungsnächte erhält, können Projekte an
2 Meter-Klasse Teleskopen mitunter einige Dutzend Nächte
Beobachtungszeit pro Jahr bekommen. Kleine Teleskope haben außerdem ein
größeres Gesichtsfeld, was in diesem Fall für uns sehr positiv ist."
Mit seinem weiten Sichtfeld und seiner hohen Auflösung eröffnet VIRUS-W
damit ein neues Fenster zur Untersuchung der Kinematik von Gas und
Sternen benachbarter Galaxien, was Aufschluss über deren
Entstehungsgeschichte geben wird. VIRUS-W entstand in Anlehnung an ein
ähnliches Instrument, das gegenwärtig in einer internationalen
Kollaboration für eine ehrgeizige Beobachtungskampagne am 9,2-Meter
Hobby-Eberly-Teleskop des McDonald-Observatoriums in Texas entwickelt
wird. Das VIRUS-Instrument, das aus etwa 150 einzelnen Spektrographen
besteht, soll ab 2012 innerhalb von drei Jahren 420 Quadratgrad des
Himmels (rund 1000 mal die Größe des Mondes) beobachten.
Ein Prototyp dieser Spektrographen, VIRUS-P, wird bereits seit 2007 am
kleineren 2,7-Meter Harlan J. Smith-Teleskop des McDonald-Observatorium
eingesetzt und stellte unter anderem durch eine 30 Nächte dauernde
Studie von lokalen Spiralgalaxien die Möglichkeiten dieses Instruments
eindrucksvoll unter Beweis. Aufgrund seiner relativ niedrigen spektralen
Auflösung ist VIRUS-P aber nicht für die Studie der Bewegungen von
Sternen in Spiralgalaxien - der so genannten stellaren Kinematik -
geeignet.
Die ersten Beobachtungen mit VIRUS-W am Harlan J. Smith-Teleskop in
West-Texas sind für Ende Juni geplant. Neben den Untersuchungen von
Spiralgalaxien durch die Wissenschaftler am Max-Planck-Institut für
extraterrestrische Physik und der Universitäts-Sternwarte wird das
Instrument dann auch anderen Forschergruppen auf Antrag zur Verfügung
stehen.
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