Unerwartete Bahnen geben Rätsel auf
von Stefan Deiters astronews.com
13. April 2010
Auf einem Astronomentreffen in Glasgow wurde heute die
Entdeckung von neun weiteren Transitplaneten bekannt gegeben. Bei einer Analyse
dieser und früher entdeckter Welten stellten die Forscher zudem fest, dass sich
überraschend viele davon quasi falsch herum um ihren Stern bewegen. Der
Befund ist mit den gängigen Theorien über die Entstehung dieser Planeten nur
schwer zu vereinbaren.

Überraschend viele heiße Jupiter laufen auf
stark geneigten oder sogar retrograden Bahnen um
ihre Sonne.
Bild: ESO / L. Calçada |
"Das ist eine wirkliche Bombe, die wir hier in das Feld der
Exoplanetenforschung werfen", meint Amaury Triaud, der als Doktorand an der
Genfer Sternwarte zusammen mit Andrew Cameron von der University of St.
Andrews und seinem Genfer Kollegen Didier Queloz maßgeblich an dem
Beobachtungsprogramm beteiligt war.
Zu dieser Einschätzung kommt der angehende Wissenschaftler nicht ohne Grund:
Planeten, so die gängige Theorie, bilden sich nämlich in rotierenden Scheiben
aus Gas und Staub um junge Sonnen. Diese protoplanetaren Scheiben drehen sich in
die gleiche Richtung wie der junge Stern selbst. Somit haben auch die
entstehenden Planeten alle die gleiche Drehrichtung und bewegen sich zudem in
der Ebene dieser Scheibe, was man gut in unserem Sonnensystem erkennen kann.
Nach der Entdeckung von neun neuen extrasolaren Planeten mit Hilfe des
Wide Angle Search for Planets (WASP)-Programms, haben die Forscher die
neuen Welten mit dem Spektrographen HARPS am 3,6-Meter ESO-Teleskop in La Silla
genauer unter die Lupe genommen. WASP sucht mit Hilfe zweier automatischer
Observatorien den Himmel nach planetaren Transitereignissen ab, also nach
extrasolaren Planeten, die von der Erde aus gesehen genau vor ihrem Zentralstern
vorüber laufen.
Mit HARPS nahm das Team nun Messungen der Radialgeschwindigkeit der
Zentralsterne der Neuentdeckungen vor. Mit dieser Methode, die auf der Messung
des "Wackelns" einer Sonne beruht, das durch einen umlaufenden
Planeten verursacht
wird, lässt sich die Entdeckung der Planeten bestätigen und deren Eigenschaften
genauer bestimmen. In ihre Untersuchung bezogen die Astronomen auch Daten aus
älteren Durchmusterungen mit ein.
Zu ihrer Überraschung stellten sie dabei fest, dass mehr als die Hälfte der
"heißen Jupiter", also Gasriesen, die in großer Nähe um ihre Sonne kreisen, auf
Bahnen umlaufen, die auf ungewöhnliche Weise zur Rotationsachse ihres
Zentralsterns geneigt sind. In sechs Fällen, darunter bei zwei der
Neuentdeckungen, drehten sich die Planeten sogar in entgegengesetzter Richtung
um ihre Sonne, hatten also einen retrograden Orbit.
"Diese neuen Ergebnisse stellen die bisherige Auffassung in Frage, nach der
Planeten immer in die Richtung umlaufen, in der sich auch der Zentralstern um
die eigene Achse dreht", so Cameron, der die Resultate heute auf dem jährlichen
nationalen Astronomietreffen der Royal Astronomical Society in Glasgow
präsentierte.
Seit "heiße Jupiter" vor rund 15 Jahren erstmals entdeckt wurden, rätseln die
Wissenschaftler wie diese Planeten entstanden sein können. Sie müssen sich,
darüber herrscht weitgehend Einigkeit, in größerer Entfernung zu ihrer Sonne
gebildet haben und dann auf ihre aktuelle Bahn gewandert sein. Viele Astronomen
machten für diese Wanderung Wechselwirkungen mit der Scheibe aus Gas und Staub
um den jungen Stern verantwortlich, aus der sich die Planeten auch gebildet
haben.
Diese Vorgänge, so die Theorie, hätten sich innerhalb von wenigen Millionen
Jahren abspielen können und auch die anschließende Entstehung von
Gesteinsplaneten wie der Erde erlaubt. Sie können allerdings die jetzt
vorgestellten Beobachtungen nicht erklären. Dazu benötigt man eine alternative
Erklärung für die Migration der Gasriesen, die nicht auf Wechselwirkungen mit
der Staubscheibe setzt, sondern etwa auf den gravitativen Einfluss eines
entfernten Planeten oder eines stellaren Objektes über viele Hundert Millionen
Jahre.
Nachdem ein Gasriesen dadurch auf einen geneigten und auch deutlich
gestreckten Orbit geraten ist, würde dieser dann im Laufe der Zeit wieder
kreisförmiger und enger werden, dabei aber seine ursprüngliche Neigung behalten.
"Ein dramatischer Nebeneffekt dieses Erklärungsmodells ist, dass dabei kleinere
erdähnliche Welten in diesen Systemen zerstört würden", verdeutlicht Queloz.
Bei zwei der neuentdeckten retrograden Planeten wurde bereits ein
entfernterer massereicher Begleiter aufgespürt, der eventuell die ungewöhnlichen
Bahnen der Gasriesen erklären helfen könnte. Vermutlich dürfte auch bald in
anderen extrasolaren Planetensystemen nach solchen Objekten gefahndet werden.
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