Entfernungsrekord für stellares Schwarzes Loch
von Stefan Deiters astronews.com
29. Januar 2010
Mithilfe des Very Large Telescope der ESO auf dem
Gipfel des Paranal in Chile haben Astronomen jetzt das bislang am weitesten
entfernte stellare Schwarze Loch entdeckt. Die Schwerkraftfalle in der Galaxie
NGC 300 hat etwa die 15-fache Masse unserer Sonne und ist damit gleichzeitig
auch das zweitmassereichste bekannte Schwarze Loch dieser Art.
Künstlerische Darstellung des Schwarzen
Loch-Systems in NGC 300.
Bild: ESO / L. Calçada |
Schwarze Löcher gibt es in verschiedenen Größenklassen: Da sind
die supermassereichen Vertreter, die sich im Zentrum der meisten Galaxien
befinden und die sogenannten stellaren Schwarzen Löcher, die durch eine
Supernova-Explosion eines massereichen Sterns entstehen. Die in der Milchstraße
bislang entdeckten stellaren Schwarzen Löcher haben eine Masse von ungefähr bis
zu zehn Sonnenmassen. Das jetzt entdeckte Schwarze Loch in der Galaxie NGC 300
bringt es auf 15 Sonnenmassen. Es ist rund sechs Millionen Lichtjahren von der
Erde entfernt.
"Das ist das entfernteste stellare Schwarze Loch, von dem wir die Masse
bestimmen konnten", erläutert Paul Crowther, Professor für Astrophysik an der
University of Sheffield und Hauptautor eines Fachartikels in der
Zeitschrift Monthly Notices of the Royal Astronomical Society, in dem
über die Beobachtungen berichtet wird. "Es ist zudem das erste Objekt dieser
Art, das wir außerhalb unserer galaktischen Nachbarschaft, der Lokalen Gruppe,
entdeckt haben."
Das Schwarze Loch befindet sich in einem Doppelsternsystem mit einem Wolf-Rayet-Stern,
einer massereichen Sonne am Ende ihres nuklearen Lebens, die dabei ist, ihre
äußeren Hüllen ins All abzustoßen. Erste Hinweise auf das Schwarze Loch fanden
sich bereits in Röntgenbeobachten der Satelliten XMM-Newton und
Swift. Damit hatte man periodische, sehr intensive Röntgenemissionen in NGC
300 entdeckt, was bereits darauf hindeutete, dass sich hier ein Schwarzes Loch
verbergen könnte.
Mit dem FORS2-Instrument am Very Large Telescope der Europäischen
Südsternwarte ESO konnte ein Astronomenteam diesen Anfangsverdacht nun erhärten.
Das Schwarze Loch und der Wolf-Rayet-Stern umkreisen sich danach alle 32
Stunden. Ständig zieht dabei das Schwarze Loch Material von seinem massereichen
Begleiter ab. "Das ist ein sehr enges Paar", meint auch Teammitglied Robin
Barnard. "Wie sich ein so enges Paar überhaupt bilden konnte, ist noch immer ein
Rätsel."
Bislang haben Astronomen erst ein ähnliches System beobachten können. Dass
Schwarze Löcher in Doppelsystemen vorkommen, ist allerdings keine Besonderheit
und oft sogar der einzige Grund, weswegen man diese Schwerkraftfallen überhaupt
nachweisen kann. Erst durch das Material, das das Schwarze Loch von seinem
Begleiter abzieht und das sich beim Sturz in das Schwarze Loch aufheizt,
entsteht überhaupt die Strahlung, die man beobachten kann.
Aus den Untersuchungen solcher Systeme weiß man inzwischen, dass es offenbar
einen Zusammenhang zwischen der Masse der stellaren Schwarzen Löcher und den
chemischen Bedingungen in ihrer Umgebung gibt: "Uns ist aufgefallen, dass die
größten Schwarzen Löcher sich in Galaxien befinden, die kleiner sind und weniger
schwere Elemente enthalten", erläutert Crowther. "Größere Galaxien, mit einer
höheren Konzentration an schweren Elementen, wie etwa die Milchstraße, lassen
nicht so massereiche Schwarze Löcher entstehen."
Die Astronomen vermuten, dass der Anteil der schweren Elemente die
Entwicklung massereicher Sterne beeinflusst - beispielsweise die Menge des
Materials, die sie zum Ende ihres nuklearen Lebens ins All blasen. Wird vor der
Supernova-Explosion viel Gas ins All abgestoßen, bleibt weniger Material für das
Schwarze Loch übrig.
In weniger als einer Millionen Jahren dürfte der Wolf-Rayet-Stern des Systems
selbst als Supernova explodieren und zu einem Schwarzen Loch werden. "Wenn
dieses System die zweite Explosion übersteht, werden die beiden Schwarzen Löcher
irgendwann verschmelzen", so Crowther. Dabei würden dann Unmengen an Energie in
Form von Gravitationswellen frei. Bis es soweit ist, dürften allerdings noch
einige Milliarden Jahr vergehen. "Unsere Untersuchung zeigt aber, dass es solche
Systeme geben kann und manche, die bereits zu einem doppelten Schwarzen Loch
geworden sind, könnten vielleicht mit Gravitationswellendetektoren wie LIGO oder
Virgo entdeckt werden."
|