Masse des Schwarzen Lochs unterschätzt?
von Stefan Deiters astronews.com
10. Juni 2009
Mit Hilfe eines neuen, detaillierteren Computermodells haben
Astronomen die Masse des supermassereichen Schwarzen Lochs in der relativ nahen
elliptischen Riesengalaxie M87 neu bestimmt: Mit der 6,4 Milliarden-fachen Masse
unserer Sonne ist es bis zu drei Mal massereicher als bislang angenommen. Der
Fund könnte wichtig für das Verständnis der Galaxienentstehung und -entwicklung
sein und zudem ein altes Paradoxon lösen helfen.
M87 mit seinem
eindrucksvollen Jet in einer Aufnahme des
Weltraumteleskops Hubble.
Bild: The Hubble Heritage Team STScI/AURA)
und NASA/ESA |
Was Karl Gebhardt von der University of Texas in Austin
am Montag auf einem Treffen der American Astronomical Society
präsentierte, könnte einen entscheidenden Einfluss auf unser Verständnis von der
Entstehung und Entwicklung von Galaxien und die Größe der in ihrem Zentrum
gelegenen supermassereichen Schwarzen Löcher haben. Gemeinsam mit seinem
Kollegen Jens Thomas vom Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik in
Garching bei München hat Gebhardt mit Hilfe einer Computersimulation die Masse
des zentralen Schwarzen Lochs in der nahegelegenen elliptischen Riesengalaxie
M87 neu bestimmt. Die Resultate veröffentlichen die Astronomen auch im Sommer in
einem Fachbeitrag in der Zeitschrift The Astrophysical Journal.
Um zu verstehen wie Galaxien entstehen und sich entwickeln, sollte man sich
zuerst einmal einen Überblick über die Galaxien in unserer Nachbarschaft
verschaffen. Woraus bestehen sie, wie groß sind sie genau und welche Masse haben
sie? Die Masse versuchen die Astronomen aus der Bewegung der Sterne in der
Galaxie zu schließen, deren Bahnen ja schließlich von der Masse der Galaxie
bestimmt werden.
Doch die Gesamtmasse ist nicht alles: "Der entscheidende Punkt ist, ob sich
diese Masse im Schwarzen Loch, in den Sternen oder aber im dunklen Halo
befindet", erläutert Thomas. "Deswegen muss man umfangreiche Modelle entwickeln,
durch die man diese Bestandteile auseinanderhalten kann. Und je mehr Komponenten
man hat, desto komplizierter ist das Modell."
Für ihre Untersuchung stand Gebhardt und Thomas ein Supercomputer des
Texas Advanced Computing Centers zur Verfügung, der aus einem Cluster von
Linux-Computern mit insgesamt 5.840 Prozessorkernen besteht. Diese
Rechenleistung benötigten die Astronomen, da ihr neues Modell von M87 nicht nur
die Sterne und das Schwarze Loch im Zentrum berücksichtigt, sondern auch den
dunklen Halo der Galaxie. Bei diesem Halo handelt es sich um einen kugelförmigen
Bereich, der die Galaxie großräumig umgibt und in dem sich die mysteriöse Dunkle
Materie befindet.
"In der Vergangenheit hielten wir den dunklen Halo zwar immer für wichtig",
erklärt Gebhardt, "wir hatten aber nie die Computerkapazitäten, um diesen auch
berücksichtigen zu können. Deswegen haben wir uns zuvor immer auf die Sterne und
die Schwarzen Löcher beschränkt. Wenn man den dunklen Halo hinzunimmt, werden
die Modelle zu kompliziert und man braucht einen Supercomputer."
Das Ergebnis der neuen Simulationen hat die Astronomen allerdings überrascht:
Das Schwarze Loch von M87 ist danach zwei bis drei Mal massereicher als es nach
vorherigen Berechnungen erschien. "Wir haben das überhaupt nicht erwartet", so
Gebhardt, der sein neues Modell eigentlich nur an der wohl "wichtigsten Galaxie
da draußen" testen wollte.
Die elliptische Riesengalaxie M87 ist nämlich nicht nur außergewöhnlich
massereich, sondern uns auch verhältnismäßig nahe, was sie zu einem idealen
Studienobjekt macht. Es war eine der ersten Galaxien überhaupt, in denen man ein
supermassereiches Schwarzes Loch vermutete. M87 verfügt zudem über einen
gewaltigen kosmischen Jet (astronews.com berichtete). Für die Astronomen stellt
M87 damit quasi das Rückgrat für die Forschung über supermassereiche Schwarze
Löcher dar.
Die neuen Ergebnisse der Simulationen sowie Hinweise aus früheren
Untersuchungen und aktuelle Beobachtungsdaten mit leistungsfähigen Instrumenten
lassen nach Ansicht von Gebhardt vermuten, dass die Masse der meisten Schwarzen
Löcher von massereichen Galaxie bislang zu niedrig eingeschätzt wurde. Wichtig
ist dies für das Verhältnis von zentralen Schwarzen Löchern und ihren Galaxien.
"Wenn man die Masse des Schwarzen Lochs verändert, ändert man auch die Beziehung
zwischen Galaxie und Schwarzen Loch", so Thomas.
Bislang gingen die Astronomen von einem bestimmten festen Verhältnis zwischen
der Masse des sogenannten galaktischen Bulges, der kugelförmigen
Ansammlung von Gas und Sternen in der Mitte einer Galaxie, und der des Schwarzen
Lochs im Zentrum aus (astronews.com berichtete). Diese Beziehung ist nach
Ansicht der Wissenschaftler entscheidend, um die Entwicklung von Galaxien
zusammen mit ihren Schwarzen Löchern zu verstehen. Die neue Massenbestimmung
könnte nun dazu führen, dass man die Beziehung überarbeiten muss.
Vielleicht lässt sich mit den größeren Massen für Schwarze Löcher auch noch
ein anderes Paradoxon lösen: Die Masse der Schwarzen Löcher in Quasaren, also
weit entfernten Galaxien mit einem aktiven Schwarzen Loch, erschien den
Astronomen lange Zeit als deutlich zu hoch: "Es gab lange ein Problem mit den
Massen der Schwarzen Löchern in Quasaren. Einige waren extrem groß, bis zu zehn
Milliarden Sonnenmassen", erklärt Gebhardt. "In unserer Umgebung haben wir
solche massereichen Schwarzen Löcher nie gefunden und man nahm daher an, dass
die ermittelte Masse bei den Quasaren falsch war." Würde man aber die Masse der
Schwarzen Löcher um den Faktor zwei oder drei erhöhen - wie bei M87 - "löst sich
das Problem fast in Luft auf."
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