Start frei für Studentenexperimente
Redaktion /
Pressemitteilung des DLR astronews.com
2. März 2009
Heute beginnt die zweiwöchige Forschungskampagne REXUS
5/REXUS 6, in deren Rahmen das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt
(DLR) gemeinsam mit dem Swedish National Space Board (SNSB) und der
Europäischen Weltraumorganisation ESA Studenten erste eigene Experimente auf
Forschungsraketen ermöglicht. Deutsche und schwedische Experten unterstützen in
den kommenden zehn Tagen die Nachwuchswissenschaftler bei der Vorbereitung der
beiden Kleinraketen.

Start einer Rexus-Rakete: Die Forschungsraketen
durchfliegen drei Schichten der Atmosphäre, die
Tropo-, Meso-, Stratosphäre, und erreichen die
Thermosphäre in einer Höhe von etwa 100
Kilometern. Die Experimentierzeit während des
ballistischen Flugs beträgt bis zu fünf Minuten.
Foto: DLR |
Nach einjähriger Vorbereitung erreicht das Projekt für die Studenten nun den
Höhepunkt. Begonnen hat alles mit ihrer Bewerbung auf die Ausschreibung von DLR
und ESA im Winter 2007. Im März 2008 wurden fünf Experimente aus Deutschland,
Finnland, Norwegen und Spanien ausgewählt. Bereits zur Trainingswoche im April
2008 mussten die Studenten ihre Experimententwürfe der kritischen Prüfung durch
Experten von DLR, SSC und ESA während des so genannten PDR (Preliminary
Design Review) überprüfen lassen. Während dieser Trainingswoche wurde den
Studenten das Wissen vermittelt, wie sie ihr Experiment zu konstruieren haben,
damit es den Belastungen eines Raketenstarts standhält.
Drei Monate später mussten die Studenten bei dem Critical Design Review
zeigen, dass sie die Forderungen und Anregungen der Fachleute verstanden und
umgesetzt hatten. Mit dem abgesegneten Design konnte es nun an den Bau der
Flughardware gehen. Vor drei Wochen wurde diese während der elektrischen Tests
und mechanischen Integration in die Gesamtraketennutzlast bei der Mobilen
Raketenbasis des DLR (MORABA) in Oberpfaffenhofen geprüft. Auch diese Hürde
meisterten die Studententeams.
Bis zur Ankunft in Schweden überließen die Nachwuchswissenschaftler ihr
Experiment den Ingenieuren und Technikern von DLR und SSC. Bei einem
Zwischenstopp auf dem Weg zum Polarkreis wurden die Raketennutzlasten REXUS 5
und REXUS 6 in Stockholm ausgewuchtet und die physikalischen Eigenschaften wie
Masse, Schwerpunkt und Trägheitsmomente gemessen.
Zur Durchführung der Forschungskampagne sind die Beteiligten nun zur Esrange
gereist, der europäischen Startbasis für Forschungsraketen und -ballons nahe der
nordschwedischen Stadt Kiruna. Bei Außentemperaturen von minus 20 Grad Celsius
warten alle auf den Beginn des Countdowns. Langweilig dürfte es dabei den
Studenten kaum werden: In der ersten Woche sollen weitere Tests der Experimente
mit dem Gesamtsystem REXUS durchgeführt werden. Auch wird überprüft, ob
die Telemetrieanlagen auf Esrange die Daten von der Forschungsrakete empfangen
können und alle anderen Bodensysteme wie geplant funktionieren.
Ebenfalls werden in dieser Zeit die Raketenmotoren und die Flughardware
vorbereitet und montiert. Am Montag, den 9. März 2009, erfolgt dann der Roll-Out
der REXUS 6-Rakete, das heißt sie wird zur Startrampe gebracht und für
den Start vorbereitet. Am selben Tag ist der Test-Countdown geplant. Hier wird
alles wie beim echten Start durchgeführt, es wird auch auf Null herunter
gezählt, allerdings wird nicht gezündet.
Wenn alles nach Plan geht, geschieht dies am Dienstag, den 10. März. Die
Rakete wird dann auf etwa 95 Kilometer Höhe fliegen, wo sie den Weltraum
streift, bevor sie sich wieder in Richtung Erde bewegt. Die Luftreibung wird die
Nutzlast abbremsen und in etwa vier Kilometer Höhe wird das Bergungssystem
aktiviert werden. Die Nutzlast landet daraufhin an einem Fallschirm. Der Start
der zweiten Rakete, REXUS 5, ist für Donnerstag, den 12. März, geplant.
Ein Team des DLR wird über die Mission REXUS täglich mit einer
Internet-Reportage berichten. Das Tagebuch informiert hautnah über die
ambitionierten Forschungsprojekte der Studenten und die Arbeit der
Raketeningenieure auf Esrange. Interessierte können dort den Werdegang von
REXUS 5 und 6 in Wort, Bild und Ton mitverfolgen.
Die Studentenexperimente auf dieser Kampagne beschäftigen sich mit der Geo-
und Atmosphärenphysik, sowie technologischen Erprobungen. Das Experiment AGADE (Applied
Geomagnetics for Attitude Determination Experiment) von Studenten der
Technischen Universitäten Dresden und Freiberg startet auf REXUS 6. Für
Kleinst-Satelliten werden kompakte und leichte Mess-Systeme benötigt. AGADE
testet hierfür kleine, kommerziell erhältliche Magnetometer. Es soll
festgestellt werden, ob diese zur Messung der Flugorientierung eines solchen
Satelliten tauglich sind. Die während des Raketenflugs gewonnenen Messdaten
werden mit der Orientierung der Rakete und deren Flugbahn, einem Standard-Modell
des Erdmagnetfelds sowie den Daten von hochgenauen Referenzmagnetometern an Bord
und auf dem Boden abgeglichen.
Auf der gleichen Nutzlast fliegt das norwegische Experiment NISSE (Nordic
Ionospheric Sounding rocket Seeding Experiment) der Universität Bergen mit.
Ziel dieses Experimentes ist es, eine künstliche Eiswolke in 90 bis 100
Kilometern Höhe durch Ablassen von Wasser aus der Rakete zu erzeugen. Diese
Wolke wird mit drei Radaranlagen in Schweden, Finnland und Norwegen verfolgt.
Dadurch kann ihr Verhalten in der Ionosphäre und unter speziellen
elektromagnetischen Bedingungen untersucht werden.
Unter der Nasenspitze von REXUS 5, die in etwa 70 Kilometer Höhe abgetrennt
wird, befindet sich das CharPa-Experiment einer Doktorandengruppe des Instituts
für Atmosphärenphysik in Kühlungsborn. Mit einer speziellen Elektrode soll
ermittelt werden, ob die Ladungen von Teilchen, die sich oberhalb von 60
Kilometern Höhe befinden, natürlichen Ursprungs sind oder durch Reibungsprozesse
erzeugt wurden. Diese Teilchen werden als mesosphärische Rauchteilchen
bezeichnet, da sie sich aus Abdampfprodukten von Meteoriten gebildet haben. Ihre
Größe beträgt ein bis fünf Nanometer, ihre Konzentration mehrere tausend Stück
pro Kubikzentimeter. Es wird vermutet, dass sie eine große Rolle bei
atmosphärischen Prozessen wie etwa der Bildung von Nacht-leuchtenden Eiswolken
spielen.
Im nächsten Experimentenmodul befindet sich das ITIKKA-Experiment der
Universität Tampere, Finnland. Das Studententeam hat für ein eigenes
Amateurraketenprojekt eine Inertialplattform entwickelt und gebaut. Diese soll
nun auf REXUS zum ersten Mal unter "echten" Bedingungen fliegen. Das
Vib-Bip-Team der Technischen Hochschule Castelldefels (Spanien) experimentiert
unter den reduzierten Schwerebedingungen die auf REXUS 5 vorhanden
sind, mit Luftblasen die in einen vibrierenden Zylinder mit Wasser eingebracht
werden.
Das Deutsch-Schwedische Programm REXUS/BEXUS ermöglicht Studenten, eigene
praktische Erfahrungen bei der Vorbereitung und Durchführung von
Raumfahrtprojekten zu gewinnen. Ihre Vorschläge für Experimente in der Gondel
eines Ballons oder in Höhenforschungsraketen können jährlich im Herbst
eingereicht werden. Jeweils die Hälfte der Raketen- und Ballon-Nutzlasten stehen
Studenten deutscher Universitäten und Hochschulen zur Verfügung. Die schwedische
Raumfahrtagentur SNSB hat den schwedischen Anteil für Studenten der übrigen
ESA-Mitgliedsstaaten geöffnet. Neue Experimentvorschläge für Ballons im
September 2010 und Raketen im März 2011 können Studenten wieder im Herbst 2009
einreichen.
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