Studenten forschen auf Stratosphären-Ballons
Redaktion /
Pressemitteilung des DLR astronews.com
9. Oktober 2008
Mit dem Flug von zwei Forschungsballons haben das Deutsche
Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) und das Swedish National Space Board
(SNSB) die erste Kampagne des gemeinsamen Studentenprogramms REXUS/BEXUS
erfolgreich abgeschlossen. An Bord der am Mittwoch gestarteten Ballons Bexus-6
und Bexus-7 waren auch drei
Experimente aus deutschen Hochschulen.

BEXUS-6 startet
um 9.00 Uhr vom Startplatz Esrange in Schweden,
200 Kilometer nördlich des Polarkreises.
Foto: DLR

BEXUS-6: Am Mittwoch,
8. Oktober 2008, um 8.45 Uhr wird der Ballon mit
Helium befüllt. Es dauert nur zehn Minuten, bis
10.000 Kubikmeter Gas im Ballon sind.
Foto: DLR |
Am Mittwoch, 8. Oktober 2008, starteten die Ballons BEXUS-6 und
BEXUS-7 vom europäischen Raketen- und Ballonstartplatz Esrange in der Nähe
der schwedischen Stadt Kiruna, 200 Kilometer nördlich des Polarkreises. Mit
insgesamt acht Experimenten untersuchten Studenten aus zehn Ländern die
Zusammensetzung der Stratosphäre sowie Wind- und Wetterphänomene. Weiterhin
benutzten sie die Helium-Ballons, um technologische Fragestellungen zu
beantworten. DLR und SNSB stellen europäischen Studenten im Rahmen ihres
REXUS/BEXUS-Programms jährlich zwei Forschungsballons und zwei Forschungsraketen
für eigene Experimente zur Verfügung. Den Studenten sollen dabei praktische
Erfahrungen in der Vorbereitung und Durchführung von Raumfahrtprojekten
vermittelt werden.
Mit den Ballonstarts erreichte das Forschungsprojekt BEXUS (Ballon-EXperimente
für Universitäts-Studenten) seinen Höhepunkt, auf den 30 Studenten seit
einem Jahr hin gearbeitet haben. Drei Experimente aus deutschen Hochschulen
konnten sich für die diesjährige Forschungskampagne qualifizieren, fünf weitere
stammten von Studenten aus Schweden, Polen, Rumänien, Italien, den Niederlanden,
Österreich, Tschechien und Australien.
Die Experimente Turatemp (Turbulence in the stratospheric
temperature field) und Turawind (Turbulence in the
stratospheric wind field) wurden von drei Studentinnen der Universität
Rostock bzw. des Leibniz-Instituts für Atmosphärenphysik (IAP) erarbeitet. Ziel
der Experimente ist, die in der Stratosphäre ablaufenden physikalischen Vorgänge
besser zu verstehen und damit einen Beitrag zur Klimaforschung zu leisten. Die
Studentinnen haben dazu in der Stratosphäre so genannte kleinräumige
Schwankungen im Temperatur- und Windfeld vermessen. Diese entstehen durch
Turbulenzen bei der Brechung von Schwerewellen.
Schwerewellen werden in der unteren Atmosphäre angeregt, zum Beispiel bei der
Strömung von Luft über ein Bergmassiv. Sie können den bei ihrer Entstehung
erhaltenen Impuls bis hinauf in die Mesosphäre in 50 bis 85 Kilometer Höhe
transportieren. In der immer dünner werdenden Atmosphäre nimmt dabei, den
physikalischen Gesetzen folgend, die Amplitude der Wellen zu, bis sie – ähnlich
den Wasserwellen am Strand – brechen. Dabei geben sie ihre Energie an die
Umgebung ab und verändern sie. Die Ergebnisse dieses Experimentes werden sowohl
in einer Doktorarbeit als auch in einer Diplomarbeit ausgewertet und fließen in
numerische Klimamodelle ein.
Im Experiment DOLS (Diversity and Origin of Life in the
Stratosphere) wurden Mikroorganismen wie Bakterien oder Sporen gesammelt,
indem viele Kubikmeter Luft durch sterile Filter gesaugt wurden. Die
Mikroorganismen, deren Existenz und Überlebensfähigkeit in der lebensfeindlichen
Stratosphäre bereits in früheren Untersuchungen nachgewiesen werden konnte,
sollen nach der Landung im Labor mit modernen molekularbiologischen Methoden
analysiert und in den so genannten "Tree of Life" eingeordnet werden.
Mit ihrem Experiment wollen die Studenten einen Beitrag zur Lösung der
spannenden Frage leisten, ob die Mikroorganismen der Stratosphäre von der Erde
oder aus dem All stammen. Die acht Studenten des DOLS-Teams studieren in
Tübingen, Heidelberg, Hildesheim, München, Mainz und Barcelona und haben sich
interdisziplinär für dieses BEXUS-Experiment zusammengeschlossen.
An einem Ballon befestigt war das ICARUS-Experiment von Studenten
der Universitäten Warschau und Bukarest. Es testete die Steuer- und
Kontrollierbarkeit eines ferngesteuerten Lifting-Body Gleiters. Eine ähnliche
Fragestellung wie DOLS verfolgt das Experiment Stratospheric Census. Es
stammt von einer internationalen Studentengruppe, die an der Universität Kiruna
studiert. Das TimePix-Experiment von Studenten der Universität Prag
verwendet einen Hybrid-Pixel-Detektor, um in Echtzeit kosmische Strahlung zu
messen. Das AURORA-Experiment der Universität Rom testet geeignete
Sensoren zur Bestimmung physikalischer Atmosphärendaten. Außerdem beinhaltet es
ein Teleskop, das Bilder der hohen Atmosphäre der Erde aufnehmen kann.
LowCoins, ein weiteres Experiment der Universität Rom, erprobt neue
Sensoren zur Lage und Positionsbestimmung des Ballons.
Die BEXUS-Ballons eignen sich besonders für Atmosphärenforschung und
technologische Experimente. Die Helium-Ballone haben ein Volumen von 10.000 bis
12.000 Kubikmeter und steigen bei einer Flugzeit von drei bis sechs Stunden auf
20 bis 35 Kilometer Höhe. Die Gesamtlänge des Ballonsystems kann bis zu 100
Meter betragen, die Nutzlast maximal 100 Kilogramm. Die wissenschaftlichen
Fragenstellungen bei den REXUS-Forschungsraketen sind ähnlich. Sie erreichen
eine Flughöhe von etwa 100 Kilometer und bieten Experimentierzeiten von einigen
Minuten.
Der diesjährige Ideenwettbewerb des auf fünf Jahre ausgelegten
REXUS/BEXUS-Studentenprogramms wurde Anfang September 2008 von der DLR
Raumfahrt-Agentur und für die schwedische Raumfahrt-Behörde SNSB von der
Europäischen Weltraumorganisation ESA ausgeschrieben (astronews.com berichtete).
Die nächste Studentenkampagne mit REXUS-Forschungsraketen findet im
März 2009 in Kiruna statt. Experimentvorschläge für Ballons im September 2009
und Raketen im März 2010 können bis zum 17. November 2008 eingereicht werden.
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