Rotation der Milchstraße einfacher als gedacht
Redaktion /
Pressemitteilung des MPIfR astronews.com
22. September 2008
Sind die Bewegungen von Sternen in der Milchstraße um das
galaktische Zentrum wirklich so kompliziert, wie Messungen an einem bestimmten Typ
von Sternen lange Zeit andeuteten? Jahrzehntelang wurde über diese Frage
diskutiert. Jetzt lösten neue Beobachtungen mit dem HARPS-Spektrographen der ESO
in La Silla das Rätsel: Die Rotation der Milchstraße ist danach tatsächlich
relativ einfach.

Künstlerische
Darstellung der Umgebung unserer Sonne innerhalb
der Milchstraße. Die Positionen einer Reihe von
bekannten Sternen in der Nachbarschaft der Sonne
sind in der Karte angegeben, genauso wie die acht
untersuchten Cepheiden (blau).
Bild: ESO [Gesamtansicht] |
Cepheiden sind eine besondere Art von pulsierenden Sternen mit veränderlicher
Helligkeit. Seit ihrer Entdeckung durch Henrietta Leavitt im Jahr 1912 sind
Cepheiden als Indikatoren für die Entfernungsbestimmung verwendet worden. In
Verbindung mit hochpräzisen Messungen ihrer Radialgeschwindigkeit sind sie
darüber hinaus ausgesprochen wertvoll zur Ableitung der Rotationsbewegung in der
Milchstraße, unserer Heimatgalaxie.
Einer Gruppe von Astrophysikern unter der Leitung von Nicolas Nardetto vom
Bonner Max-Planck-Institut für Radioastronomie ist es jetzt gelungen, durch
extrem genaue spektroskopische Messungen mit dem HARPS-Empfänger der
Europäischen Südsternwarte ESO die kinematische Struktur der Milchstraße aus den
Cepheiden-Daten abzuleiten und zu zeigen, dass die Rotation der Milchstraße
einfacher darzustellen ist als zuvor erwartet. Die Ergebnisse werden in der
aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift Astronomy & Astrophysics
veröffentlicht.
Die Untersuchung der Bewegung von Cepheiden innerhalb unserer Milchstraße hat
in der Vergangenheit zu kontroversen Ergebnissen geführt. Die Unstimmigkeiten
gehen zurück bis auf Shapleys Entdeckung des Zentrums der Milchstraße und der
Position der Sonne relativ zum Galaktischen Zentrum, sowie Hubbles Entdeckung
der Expansion des Universums. Aus den bisherigen Beobachtungsergebnisse konnte
man nämlich folgern, dass Cepheiden in der Milchstraße mit einer
systematischen Geschwindigkeit von rund 2 Kilometern pro Sekunde in Richtung
Sonne fallen.
Das hat zu einer jahrzehntelangen Auseinandersetzung darüber geführt, ob
dieses Phänomen tatsächlich auf eine räumliche Bewegung der Sterne
zurückzuführen sei und damit auf eine äußerst komplizierte kinematische Struktur
der Milchstraße, oder aber ob es von den Cepheiden selbst herrührte, nämlich von
einer dynamischen Struktur in der Atmosphäre dieser veränderlichen Sterne.
Erst jetzt wird es möglich, durch neue Beobachtungen von acht Cepheiden
in der Milchstraße mit dem extrem genauen HARPS-Spektrographen (HARPS
steht für High Accuracy Radial velocity Planet Searcher, da das
Instrument ursprünglich ursprünglich für die Entdeckung von extrasolaren
Planeten zum Einsatz kam) klar zu belegen, dass dieses Phänomen (der sogenannte
"K-Term" bei Cepheiden) auf besondere Eigenschaften dieser Sternklasse
zurückzuführen ist.
Nicolas Nardetto und seine Kollegen haben mit Hilfe von HARPS
herausgefunden, dass die systematischen Geschwindigkeiten in Richtung Sonne in
direktem Zusammenhang stehen mit der chemischen Substanz, über deren
Spektrallinien die Radialgeschwindigkeiten der Cepheiden bestimmt wurden. Die
beobachtete Strahlung unterschiedlicher Atome oder Moleküle lässt sich
letztendlich auf unterschiedliche Regionen in der pulsierenden Atmosphäre des
veränderlichen Sterns zurückführen.
Dadurch wird es zum ersten Mal möglich, "physikalisch kalibrierte" Bewegungen
von Cepheiden in der Milchstraße zu erhalten. Das löst das Problem mit den
"systematischen Geschwindigkeiten". Bezieht man die Resultate auf alle Cepheiden,
lässt sich die Bewegung der Milchstraße wesentlich einfacher als vorher als
axisymmetrische Rotation erklären. "Damit kann ein jahrzehntelanges Rätsel in
der Astronomie nun endgültig gelöst werden", sagt Nicolas Nardetto.
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