Materialforschung im All
Redaktion /
Pressemitteilung der Universität Ulm astronews.com
14. Januar 2008
Jetzt soll es am 7. Februar soweit sein: Dieser Tag wurde
inzwischen von der NASA als frühestmöglicher Starttermin für die
Raumfähre Atlantis festgelegt, die das europäische Weltraumlabor
Columbus zur ISS bringen wird. Nicht nur bei ESA und DLR wartet man
gespannt auf die Inbetriebnahme des Weltraumlabors, sondern auch an mancher
deutscher Universität. Beispielsweise bei den Materialwissenschaftlern der
Universität Ulm.

Das Raumlabor Columbus.
Bild:
ESA / D. Ducros |
Die Spannung wächst, auch an der Universität Ulm. Professor Hans-Jörg Fecht,
Direktor des Instituts für Mikro- und Nanomaterialien, und sein Mitarbeiter Dr.
Rainer Wunderlich warten hier seit Wochen auf den schon mehrfach verschobenen
Start der US-Raumfähre Atlantis. Die soll bekanntlich das europäische
Weltraumlabor Columbus zur internationalen Raumfähre ISS
transportieren. Jetzt soll es, wie im astronews.com-Missionlog zur Mission am
Wochenende gemeldet, am 7. Februar soweit sein.
Vom Start von Columbus erwarten sich auch die beiden Ulmer
Wissenschaftler einen "großen Schub" für ihre materialwissenschaftliche
Forschung. Fecht koordiniert darüber hinaus die Nutzung des Columbus-Labors
für diesen Bereich auch auf europäischer Ebene. Kein leichtes Unterfangen.
Beteiligt sind schließlich nicht weniger als 18 Unternehmen und fünf weitere
Universitäten oder wissenschaftliche Einrichtungen in mehreren Ländern, darunter
das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Köln.
Columbus selbst bietet allerdings nur die Basis für das von Fecht
geleitete Projekt. Voraussetzung ist auch die Implementierung einer
elektromagnetischen Levitationsanlage im Weltraumlabor. Sie wird derzeit in
Friedrichshafen gebaut, von einer Tochterfirma der EADS im ehemaligen
Dornier-Werk am Bodensee. Die 30 Millionen Euro teure Anlage ermöglicht
kontaktlose Untersuchungen thermophysikalischer Eigenschaften von metallischen
Schmelzen, seit vielen Jahren bereits eine der Kernkompetenzen des Ulmer
Uni-Instituts.
Ganz neu ist die Entwicklung allerdings nicht. "Im Grund ist es eine
Variation der Anlage, die früher schon mit einer Raumfähre unterwegs war",
erläutert Fecht. Aus Platz- und Gewichtsgründen musste die Anlage jedoch stark
verkleinert werden. Gleichwohl werde auch die gemeinsam mit den Ulmer
Wissenschaftlern konzipierte Neuentwicklung rund 400 Kilogramm wiegen.
Konsequenz: "Wir können sie nur in Raten nach oben bringen, auch das muss beim
Bau berücksichtigt werden". Ebenso die Notwendigkeit, dass Astronauten die
Anlage im Weltraumlabor zusammenbauen und installieren müssen. Dem Zeitplan nach
bis zum Jahr 2011, nur noch so lange sollen die Shuttle der NASA
fliegen.
"Zunächst am wichtigsten ist aber der Start der Atlantis mit dem
Columbus-Labor", meint Fecht, "daran hängt im Prinzip alles". Auch seine
eigenen Forschungsvorhaben im Weltraum natürlich. "Das bietet uns eine
Perspektive für die nächsten zehn Jahre", so der Wissenschaftler. Und an
interessierten Auftraggebern und Partnern herrsche kein Mangel. Zumal die
Levitationsanlage gerade mal ein Magazin mit 17 Proben zulasse. In diesem Fall
mittels magnetischer Spulen auf 1700 bis 1800 Grad erhitzte Tropfen metallischer
Legierungen, die in der Schwerelosigkeit des Weltraums kontaktlos in der Schwebe
gehalten, untersucht und mit hoch auflösenden Kameras beobachtet werden können.
Die registrierten Daten werden zum Teil per Funk übermittelt, zum Teil beim
Austausch des Magazins zur Erde zurückgebracht.
Auf die Ergebnisse warten neben Fecht und Wunderlich auch verschiedene
industrielle Auftraggeber, die etwa spezielle Kupferwerkstoffe für dünne Bleche
und Folien, Leichtmetall-Legierungen für künftige Flugzeug- oder Gasturbinen
sowie Halbleiter-Materialien auf Silizium-Basis für Solarzellen entwickeln sowie
Proben zur Optimierung von Herstellungsprozessen von Gießereiprodukten
untersuchen wollen.
"Betreiben wollen wir aber auch Grundlagenforschung", betont Wunderlich. Mit
Schmelzen von grundlegendem metallphysikalischem Interesse vor allem. Bei allen
unbestrittenen Vorteilen der Schwerelosigkeit, wollen und können sich die Ulmer
Wissenschaftler auch zukünftig nicht ausschließlich auf die Weltraum-Forschung
verlassen. Sie setzen weiterhin auf Parabelflüge mit einem speziell
umgebauten Airbus vor der Westküste Frankreichs über dem Atlantik. "Für die
Experimente in der Schwerelosigkeit bleiben dabei jedoch stets nur zehn bis 20
Sekunden", weiß Wunderlich.
Immerhin kostbare drei Minuten bietet dagegen die Forschungsrakete, die Ende
Januar vom nordschwedischen Kiruna aus starten soll und auch Experimente der
Ulmer Forscher an Bord hat. "Für präzise Messungen ist die Zeit natürlich
relativ kurz. Aber das ist allemal besser als nichts," so Wunderlich.
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ISS - die Berichterstattung über Bau und
Betrieb der Internationalen Raumstation
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