Innerster Planet hat geschmolzenen Kern
von Stefan Deiters astronews.com
7. Mai 2007
Vor mehr als 30 Jahren entdeckte die Sonde Mariner 10
Hinweise auf ein schwaches Magnetfeld des Merkur. Seitdem rätseln
Wissenschaftler,
wie dieses Magnetfeld entstanden sein kann. Jetzt haben Radarbeobachtungen
des innersten Planeten vermutlich den entscheidenden Hinweis geliefert: Der Merkur
hat offenbar einen geschmolzenen Kern.
Der Merkur könnte nach aktuellen Radarmessungen
über einen flüssigen Kern verfügen.
Bild: Nicolle Rager Fuller, National Science Foundation |
Die im November 1973 gestartete Sonde Mariner 10 flog
1974 und 1975 insgesamt drei Mal am sonnennächsten Planeten Merkur vorüber. Eine
der damaligen Beobachtungen: Der Merkur verfügt über ein schwaches Magnetfeld,
das ungefähr ein Prozent der Stärke des Erdmagnetfeldes aufweist.
"Wissenschaftler haben nicht erwartet, bei Merkur ein Magnetfeld zu entdecken",
erläutert Professor Jean-Luc Margot von der amerikanischen Cornell University
die Signifikanz der damaligen Funde. "Planetare Magnetfelder werden in der Regel
mit geschmolzenen Planetenkernen in Verbindung gebracht und alle Theorien waren
bislang davon ausgegangen, dass der Merkur zu klein ist, um einen geschmolzenen
Kern zu haben."
Nach der bisherigen Theorie der Forscher verfügt der Merkur über einen
Silikatmantel und einen festen Eisenkern. Fest ist der Kern deshalb, weil kleine
Planeten nach ihrer Entstehung sehr schnell abkühlen. Der Merkurkern sollte also
schon vor langer Zeit erstarrt sein. Wie also der Merkur trotzdem ein schwaches
Magnetfeld aufbauen konnte, blieb über viele Jahre ein Rätsel und manche
Wissenschaftler glaubten, dass erst die Mission einer Raumsonde zum Merkur diese
Frage klären kann.
Doch einige Wissenschaftler wollten nicht so lange warten: 2002 begannen sie
einige der leistungsfähigsten Antennen auf den Merkur zu richten, um hinter
dieses
Geheimnis des kleinen Planeten zu kommen. "Bei 18 verschiedenen Gelegenheiten
während der vergangenen fünf Jahre haben wir die 70-Meter Antenne des Jet
Propulsion Laboratory (JPL) in Goldstone benutzt, um starke Radarsignale zum
Merkur zu schicken", erläutert Martin Slade, Leiter der planetaren Radargruppe
am JPL. "Zehn Minuten später konnten wir dann die Radarechos empfangen - entweder
wieder in Goldstone oder mit einer anderen Antenne in West Virginia."
Mit Hilfe des Radarechos von bestimmten Oberflächenstrukturen auf dem Merkur,
gelang es den Forschern, die Rotationsgeschwindigkeit des Planeten mit extremer
Genauigkeit zu bestimmen. Die gefundenen Daten überprüften die Wissenschaftler
mit Hilfe von unabhängigen Messungen mit dem großen Arecibo-Radioteleskop in
Puerto Rico. Die Auswertung der Radarbeobachtungen ergab, dass es leichte
Variationen bei der Drehung des Planeten um die eigene Achse zu geben scheint, während er die
Sonne umrundet. Diese Schwankungen waren doppelt so groß, wie man sie für einen
durchgängig starren Körper erwarten würde. Die Schlussfolgerung musste also
sein, dass der Kern - oder zumindest der äußere Kern - des Merkur geschmolzen
ist und sich somit nicht zusammen mit der äußeren Hülle drehen muss.
Um über Milliarden von Jahren einen geschmolzenen Kern zu erhalten, muss das
Material im Kern ein leichteres Element wie Schwefel enthalten, um die
Schmelztemperatur zu verringern. Die Präsenz von Schwefel im Inneren des
Merkur würde darauf hindeuten, dass sich bei der Entstehung des Planeten
Material aus der Nähe der Sonne mit weiter entferntem Material durchmischt hat.
"Die chemische Zusammensetzung von Merkurs Kern kann entscheidende Hinweise auf
die Vorgänge bei der Planetenentstehung geben", so Margot. "Und dies ist sehr
wichtig, um zu verstehen, wie erdähnliche Planeten entstehen und sich
entwickeln."
Mehr über Merkur wird die NASA-Sonde Messenger in Erfahrung bringen,
die 2004 gestartet wurde und im kommenden Jahr den ersten Vorüberflug an dem
Planeten durchführen wird. Ab 2011 soll Messenger dann den innersten
Planeten umkreisen (astronews.com berichtete). Auch die ESA plant in
Zusammenarbeit mit Japan eine Mission zum Merkur: Der Start von BepiColumbo
ist jetzt für August 2013 vom europäischen Weltraumhafen Kourou in Französisch-Guyana
geplant. Nach einer Flugzeit von sechs Jahren soll BepiColombo im
August 2019 sein Ziel erreichen und mit der umfassenden Erkundung des Merkur
beginnen.
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