Zweifel an Quarkstern-Hypothese
von Stefan
Deiters
astronews.com
12. März 2007
Ein Jahrzehnt lang haben Astronomen über die Beschaffenheit
des hellsten Vertreters einer Gruppe von sieben Neutronensternen gerätselt. Und
manche hielten RXJ1856 gar für einen exotischen Quarkstern. Nun aber gelangen
zwei italienischen Astronomen mit Hilfe des
Röntgensatelliten XMM-Newton neue Beobachtungen, die erste Zweifel an der
Quarkstern-Hypothese aufkommen lassen.

XMM-Newtons Blick auf den Stern RXJ1856. Foto:
ESA / EPIC/ Tiengo & Mereghetti |
Astronomen nennen sie einfach "die prächtigen Sieben": Sieben junge
Neutronensterne, deren Oberfläche so heiß ist, dass sie im Röntgenbereich
strahlen. Neutronensterne sind die Reste eines massereichen Sterns. Die Materie
in ihnen ist so komprimiert, dass die Masse unserer Sonne in eine Kugel mit
einem Durchmesser von zehn bis 15 Kilometern passen würde. Schmiedete man aus
dem Material eines Neutronensterns eine Euro-Münze, würde diese mehr wiegen als
die gesamte Menschheit auf die Waage bringt.
Das hellste Mitglied der "prächtigen Sieben" ist der Stern RXJ1856. Seit
seiner Entdeckung vor rund zehn Jahren hat er die Astronomen vor ein Rätsel
gestellt: Obwohl der Stern so hell ist, war es bislang niemandem gelungen, auch
nur irgendeine periodische Helligkeitsschwankung festzustellen, um daraus die
Rotationsgeschwindigkeit des Sterns zu ermitteln.
Doch das hat sich jetzt geändert: Andrea Tiengo und Sandro Mereghetti vom
Instituto Nazionale di Astrofisica in Milan wollten den fehlenden
Pulsationen von RXJ1856 auf die Spur kommen - und nach langer Suche waren sie
schließlich auch erfolgreich: Im Oktober 2006 beobachteten sie RXJ1856 insgesamt
19 Stunden lang mit dem europäischen Röntgenteleskop XMM-Newton und
konnten in dem Datenmaterial schließlich eine sich alle sieben Sekunden
wiederholende Helligkeitsschwankung nachweisen. Auch in Archivbeobachtungen von
XMM-Newton aus dem Zeitraum zwischen 2002 und 2006 fanden sie das gleiche
Muster.
"Diese Schwankungen sind eine typische Charaktereigenschaft eines
Neutronensterns", erläutert Tiengo. Sie kommen dadurch zu Stande, dass sich das
winzige Objekt um die eigene Achse dreht. Alle sieben Sekunden würde so ein
heller, heißer Fleck auf der Oberfläche des Sterns in unser Sichtfeld kommen -
ganz ähnlich wie der Lichtkegel eines Leuchtturms. Die Pulsationen von RXJ1856
sind allerdings nicht sonderlich ausgeprägt, weswegen sie bislang übersehen
wurden.
Auch das Weltraumteleskop Hubble hat RXJ1856 schon beobachtet. Den
Hubble-Daten verdanken die Astronomen eine recht genaue Entfernungsangabe
für den Stern: 500 Lichtjahre. Somit konnten die Wissenschaftler aus der
beobachteten Helligkeit auch einen Radius des Objektes ermitteln. Und was sie da
herausrechneten, verblüffte viele: einen Radius von unter zehn Kilometern. Dies
lies einige Wissenschaftler spekulieren, dass es sich bei RXJ1856 vielleicht
nicht um einen Neutronenstern handeln könnte, sondern um einen noch exotischeren
Quarkstern, bei dem durch die Gravitation die Atomkerne zerstört wurden, so dass
die elementareren Quarks zum Vorschein kommen.
"Wir wollen das Modell des Quarksterns nicht ausschließen", so Tiengo, "aber
unsere Beobachtungen zeigen, dass das Objekt sich auch mit normalen
Neutronensternmodellen erklären lässt." Mit weiteren Beobachtungen hoffen die
Forscher nun zu klären, um was für ein Objekt es sich bei RXJ1856 wirklich
handelt. Ein Schlüssel dabei könnte die Beobachtung der Verlangsamung der
Rotation sein. Die Rotation von Neutronensternen um die eigene Achse wird durch
ihr extrem starkes Magnetfeld gebremst. Misst man nun die Abbremsung des Sterns,
kann man daraus Rückschlüsse auf das Magnetfeld ziehen, das letztlich auch
Ursache für den heißen, hellen Fleck ist, der die beobachteten Pulsationen
verursacht.
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