Geheimnisvolle Dunkelmaterie-Galaxien
Redaktion / LMU München
astronews.com
16. Februar 2007
Die Milchstraße und Andromeda sind von einem Schwarm
lichtschwacher Zwerggalaxien umgeben, die nur wenige Sterne und Gas enthalten
und fast ausschließlich aus Dunkler Materie bestehen. Die Entstehung dieser
Systeme stellte Astronomen lange Zeit vor Rätsel. Jetzt werfen
Computersimulationen ein neues Licht auf die Vergangenheit der
Dunkelmaterie-Galaxien.
Andromeda IX ist nur an der größeren
Konzentration von leuchtschwachen Sternen in der Bildmitte zu
erkennen. Die meisten sichtbaren Sterne sind Vordergrundsterne.
Foto: Daniel Zucker, SDSS, Isaac Newton Groups' Wide
Field Camera Survey, Nial Tanvir [mehr über dieses Bild und
die Entdeckung von Andromeda IX] |
Draco, Ursa Minor und Andromeda IX: Von allen bekannten Galaxien weisen sie
den größten Anteil an dunkler Materie auf. Sie sind lichtschwache sphäroidale
Zwergsysteme, enthalten kein Gas und sind als Satelliten mit unserer Milchstraße
sowie der Andromeda-Galaxie assoziiert - den beiden größten Galaxien im so
genannten lokalen Universum. Keines der bislang für ihre Entstehung
vorgeschlagenen Modelle konnte aber ihren außergewöhnlich hohen Anteil an
dunkler Materie und gleichzeitig ihre Nähe zu den ungleich größeren Galaxien
erklären.
Mit Hilfe von Simulationen an Supercomputern konnte jetzt ein internationales
Forscherteam, dem auch Dr. Chiara Mastropietro von der Universitäts-Sternwarte
der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) München angehört, den Ursprung dieser
Zwergsysteme entschlüsseln. Wie die Astronomen in der aktuellen Ausgabe des
Wissenschaftsmagazins Nature berichten, waren deren Vorläufer wohl
gas-dominierte Zwerggalaxien, die sehr früh zu Satelliten größerer Systeme
wurden. Aufgrund ihrer Nähe konnten die massiven Galaxien dann Kräfte entfalten,
die das Gas ihrer kleinen Nachbarn entfernen, ohne auf die dunkle Materie zu
wirken. Dies war aber nur möglich, weil gleichzeitig heiße kosmische
UV-Hintergrundstrahlung Sternbildung im Gas verhinderte.
"Die Milchstraße und die Andromeda-Galaxie sind von einem Schwarm
lichtschwacher sphäroidaler Zwerggalaxien umgeben", erläutert Mastropietro.
"Diese extremen Systeme enthalten nur wenige Sterne und kaum Gas. Sie bestehen
fast nur aus dunkler Materie. Draco, Ursa Minor und And IX sind sogar die drei
Galaxien mit dem höchsten bekannten Anteil an dunkler Materie." Im Team konnte
die Astrophysikerin mit Hilfe von Supercomputern jetzt neuartige Simulationen
zur Evolution dieser Falaxien entwickeln.
Dabei zeigte sich, dass kleine Galaxien, die überwiegend aus dunkler Materie
bestehen, zuerst normale gasreiche Systeme gewesen sein müssen. Vor etwa zehn
Milliarden Jahren traten diese gasreichen Vorläufer der sphäroidalen
Zwergsysteme in den Orbit einer sehr viel massereicheren Galaxie. Zu dieser Zeit
war das Universum angefüllt mit heißer Strahlung, der so genannten kosmischen
UV-Hintergrundstrahlung, die das Gas in diesen Zwergsatelliten aufheizte und so
die Bildung vieler Sterne verhinderte. Während sich ein Satellit der
massereichen Galaxie annäherte, begannen zwei Effekte zu wirken: der Stau-Druck
und die Gezeitenkräfte.
Der Stau-Druck wirkt auf das Gas, wenn es sich um eine größere Galaxie herum
bewegt und ist auf die Anwesenheit von heißem Gas im Umkreis dieser Galaxie
zurückzuführen. In der Nähe des Zentrums der massereichen Galaxie kann der
Stau-Druck sehr stark werden und dann fast das gesamte Gas einer
Satellitengalaxie entziehen. Gleichzeitig wirken auf die Satelliten aber auch
Gezeitenkräfte, die in der Nähe einer sehr viel größeren Masse entstehen.
Beide Effekte zusammen entfernten fast die gesamte leuchtende Materie der
Satellitengalaxien - Gas und Sterne - und ließen dabei nur den Anteil dunkler
Materie zurück. Diese blieb von den starken Kräften nämlich fast unberührt. Auf
sie konnten nur die Gezeitenkräfte wirken, die alleine aber nicht genügen, um
große Mengen dunkler Materie zu entfernen. "Nach unserem Modell sollten
Zwerggalaxien, die später in die Nähe der Milchstraße kamen, immer noch Sterne
produzieren", so Mastropietro. "Es gibt sogar schon Kandidaten dafür. Im Fall
dieser Systeme sollten die Gezeitenkräfte sogar periodische Ausbrüche von
Sternbildung hervorrufen. Weitere astronomische Messungen und Beobachtungen
werden hier mehr Details ans Licht bringen."
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