Zweiter "Return to Flight"-Flug Anfang Juli
Redaktion / ESA
astronews.com
7. Juni 2006
Eigentlich sollte der deutsche ESA-Astronaut Thomas Reiter
längst seinen Dienst an Bord der Internationalen Raumstation ISS tun. Doch der
Start des zweiten Shuttle-Fluges nach der Columbia-Katastrophe verzögerte
sich. Statt im Mai soll die Mission STS-121 nun Anfang Juli starten. Reiter soll
dann als erster Europäer
eine Langzeitmission an Bord der Station absolvieren.
Die Discovery wartet in Florida auf ihren nächsten Einsatz.
Foto: NASA / Ken Thornsley
|
Eigentlich sollte es für die Discovery schon Anfang Mai wieder zur
Internationalen Raumstation gehen, doch die Erfahrungen des ersten "Return to
Flight"-Fluges brachten den Zeitplan durcheinander. Die bei der letzten Mission
deutlich gewordenen Probleme mit dem Hitzeschild der Raumfähre und dem vom
Haupttank abbrechenden Isolierschaum in der Startphase mussten erst gründlich
untersucht werden. Nun werden die Astronauten mit Reparaturkits ausgerüstet
sein, um im Ernstfall den Hitzeschild im All warten zu können. Inzwischen glaubt die NASA, dass der 1. Juli als
Starttermin gehalten werden und damit auch die Mission von Thomas Reiter zur ISS
beginnen kann.
Zwei Tage nach seiner Ankunft auf der ISS wird Reiter seine Funktion als zweiter
Flugingenieur der Bordmannschaft Expedition 13 übernehmen. Als erster
Europäer in einer Expedition-Mannschaft wird er sich zahlreichen
wichtigen Aufgaben an Bord der ISS widmen müssen, wie etwa der Überwachung der
Lebenserhaltungssysteme, der Gesundheit und Sicherheit der Mannschaft sowie der
Außenbordeinsätze.
Die Ankunft Reiters auf der ISS bedeutet auch die Rückkehr von zwei- zu
dreiköpfigen Expedition-Mannschaften. Seit dem Columbia-Unglück im
Februar 2003 waren keine dreiköpfigen Mannschaften mehr im Einsatz. Die beiden
anderen Mitglieder der Expedition 13-Mannschaft, ISS-Kommandant Pawel
Winogradow (Roskosmos) und ISS-Flugingenieur Jeffrey Williams (NASA), waren
bereits Ende April mit einer Sojus-Raumkapsel auf der ISS ankommen. Mit der
Rückkehr zu einer Dreier-Mannschaft erhöht sich die Zeit, die der Mannschaft für
wissenschaftliche Forschung zur Verfügung steht.
Für Reiters Mission wurde erstmals ein europäisches wissenschaftliches Programm
zusammengestellt, das auf einen Langzeitaufenthalt auf der ISS zugeschnitten
ist. Dieses Programm, zu dem hauptsächlich wissenschaftliche Einrichtungen aus
ganz Europa beigetragen haben, erstreckt sich auf die Bereiche Humanphysiologie,
komplexe Plasmaphysik und Strahlungsdosimetrie. Reiter wird außerdem bei der
Inbetriebnahme mehrerer von der ESA entwickelter Experimenteinrichtungen
mitwirken, nämlich des Lungenfunktionssystems, der europäischen
Pflanzenzuchtvorrichtung für Schwerelosigkeitsforschung und der minus 80 Grad
Celsius
erreichenden Gefriereinrichtung MELFI. Außerdem sind Technologiedemonstrationen,
industrielle Experimente und Bildungsvorhaben geplant.
Was die Kontrolle dieser Mission betrifft, so wird erstmals ein europäisches
Kontrollzentrum für eine bemannte Langzeitmission zur ISS zum Einsatz kommen.
Angesiedelt ist es beim Columbus-Kontrollzentrum in Oberpfaffenhofen bei
München, das für das im Jahr 2007 zu startende europäische Columbus-Labor
eingerichtet wurde. Das Kontrollzentrum wird die Haupteinrichtung für die
europäischen Aktivitäten während dieser Mission sein und die Tätigkeiten Reiters
überwachen und koordinieren sowie für die Abstimmung mit den
Missionskontrollzentren in Houston und Moskau, dem Europäischen
Astronautenzentrum in Köln und verschiedenen Nutzerunterstützungs- und
Betriebszentren in ganz Europa sorgen. Das im Auftrag der ESA vom Deutschen
Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) geleitete Columbus-Kontrollzentrum
unterstützt von seinen Kontrollräumen aus bereits die Vorbereitung und
Simulation von Missionen.
Die zusätzliche Komplexität und die neuen Verantwortlichkeiten für die
Bodenkontrollteams und für Reiter im Weltraum läuten eine neue Ära in Europas
Beteiligung an der ISS ein und werden Europa im Vorfeld des Starts seines
Columbus-Labors wertvolle Erfahrungen bei der langfristigen wissenschaftlichen
Nutzung der ISS verschaffen.
Der gebürtige Frankfurter Reiter, der auch als erster Deutscher zur ISS fliegen
wird, war zuvor als ESA-Astronaut an der 179-tägigen Mission Euromir 95
auf der Vorgängerin der ISS, der russischen Raumstation Mir, beteiligt.
30 Tage nach seiner Ankunft auf der ISS wird er erneut Geschichte schreiben:
Dann nämlich wird er mit dem früheren ESA-Astronauten Jean-Pierre Haigneré als
Europäer mit dem längsten kumulierten Aufenthalt im Weltraum gleichziehen.
Haigneré hat in zwei Missionen, darunter die 189-tägige ESA/CNES-Mission Perseus
zur Mir im Jahr 1999, insgesamt 209 Tage im Weltraum verbracht.
Zur Vorbereitung dieser Mission hat Reiter, der dem in Köln angesiedelten
Europäischen Astronautenkorps (EAC) angehört, in den
ISS-Ausbildungseinrichtungen in Houston, Moskau und Köln ein umfassendes
Trainingsprogramm durchlaufen. Dasselbe Programm hat auch der Reserveastronaut
für diese Mission, Reiters französischer EAC-Kollege Léopold Eyharts,
absolviert, der somit nicht nur auf diese Mission, sondern auch auf seine Rolle
als Hauptastronaut bei einer künftigen ESA-Mission zur ISS in Verbindung mit dem
Columbus-Labor bestens vorbereitet ist. Bevor er im August 1998 zum EAC stieß,
hat Eyharts als CNES-Astronaut an der Mission Pégase zur Mir vom 29.
Januar bis 19. Februar 1998 teilgenommen.
Nach den gegenwärtigen Planung soll Reiter im Dezember mit dem
Raumtransporterflug STS-116 zur Erde zurückkehren. An diesem Flug, einer
ISS-Montagemission, wird auch sein schwedischer Kollege Christer Fuglesang
teilnehmen. Nach dem Rückflug der beiden anderen Mitglieder der Expedition 13
zur Erde im Herbst wird Reiter für die Restdauer seiner Mission auch für die
Expedition 14 zweiter Flugingenieur sein.
Die Mission ist Gegenstand einer Vereinbarung zwischen der ESA und der
russischen Föderalen Raumfahrtagentur Roskosmos. Diese Vereinbarung, die Reiters
Flug auf einer Position regelt, die ursprünglich für ein russisches
Mannschaftsmitglied vorgesehen war, wird gestützt durch eine trilaterale
Vereinbarung zwischen der ESA, Roskosmos und der NASA.
|
ISS - die
astronews.com Berichterstattung über die Internationale
Raumstation ISS
Space Shuttle
- die astronews.com Berichterstattung über die
amerikanischen Raumfähren |
|