Im Bett für künftige Astronautinnen
Redaktion / ESA
astronews.com
12. Dezember 2005
Wenn eines Tages weibliche Astronauten die ersten Schritte
auf dem Mars machen, werden sie sich vielleicht der 24 Frauen erinnern, die
lange Weltraumreisen mit vorbereitet haben - indem sie mehrere Wochen lang im Bett
lagen. Was manchem nach perfekter Erholung aussieht, war für die europäische
Weltraumagentur ESA ein wichtiges Experiment zur Vorbereitung langer Aufenthalte
unter Schwerelosigkeit.
Nach acht Wochen im Bett ist Balancieren gar
nicht so einfach. Foto: CNES / Stéphane Levin |
Zwei verschiedene Gruppen mit je zwölf freiwilligen Frauen aus acht
europäischen Staaten haben von März bis Mai und erneut von September bis
November an der "Internationalen Forschungsstudie an Frauen zur
Weltraumsimulation" (WISE) teilgenommen, die gemeinsam von der Europäischen
Weltraumorganisation ESA, der französischen Raumfahrtagentur CNES, der
kanadischen Raumfahrtagentur CSA und der amerikanischen Luft- und
Raumfahrtbehörde NASA organisiert wurde.
Ihrer 60-tägigen anspruchsvollen Bettruhestudie stellten sich die Frauen in
der MEDES-Weltraumklinik im Rangueil-Krankenhaus in Toulouse (Frankreich). Hier
mussten sie zwei Monate lang bei allen täglichen Verrichtungen in Betten liegen,
deren Kopfende um 6 Grad gegenüber der Horizontalen abgesenkt war, so dass sie
mit dem Kopf etwas tiefer als mit den Füßen lagen. Diese ungewöhnliche Position
bewirkt ähnliche physiologische Veränderungen wie die Schwerelosigkeit bei
Astronauten.
Die letzten Testpersonen der zweiten WISE-Versuchsreihe haben ihr Bett am 30.
November verlassen und werden nun bis zum 20. Dezember Rehabilitationsmaßnahmen
und medizinischen Tests unterzogen, die bereits während der ersten Versuchsreihe
zu Vergleichszwecken durchgeführt wurden. MEDES, das französische Institut für
Weltraummedizin und Physiologie, hat die Testpersonen ausgewählt und stellt die
medizinischen und technischen Mitarbeiter sowie die Pflegekräfte, die zur
Untersuchung der umfangreichen wissenschaftlichen Versuche nötig sind.
Hauptziel der WISE-Studie ist die Bewertung der Rolle der Ernährung in
Verbindung mit sportlicher Betätigung an entsprechenden Geräten zur Entwicklung
möglicher Maßnahmen gegen die negativen Auswirkungen längerer Aufenthalte in der
Schwerelosigkeit, wie sie auch von künftigen Astronauten auf ihren
Explorationsflügen in neue Welten ergriffen werden müssen.
Die Auswertung der während der WISE-Studie von internationalen
Wissenschaftler-Teams gesammelten Daten wird unsere Kenntnisse in den Bereichen
Blutwerte, Zustand der Muskeln, des Herz-Kreislauf-Systems, Motorik,
Veränderungen der endokrinen Drüsen und des Immunsystems, Stoffwechsel,
Knochenzustand und psychologisches Wohlbefinden vertiefen. Dieses neue Wissen
wird nicht nur der künftigen bemannten Raumfahrt, sondern auch unserem Alltag
auf der Erde zugute kommen, etwa der Vorbeugung einiger
Herz-Kreislaufkrankheiten oder der Behandlung von Osteoporose, von Folgeschäden
langer krankheitsbedingter Bettruhe und des so genannten metabolischen Syndroms,
von dem Millionen unter Bewegungsmangel leidende Menschen betroffen sind.
Zwölf wissenschaftliche Teams aus elf verschiedenen Ländern sind an der
Studie beteiligt. Mit der Analyse der Daten und der Veröffentlichung der
Ergebnisse werden sie noch mehrere Monate lang beschäftigt sein. Daten über die
Testpersonen werden zur Beantwortung weiterer wissenschaftlicher Fragen im
Rahmen der Nachbereitung der Studie auch in den kommenden drei Jahren gesammelt.
"Die WISE-Studie konnte nun erfolgreich abgeschlossen werden und ich hoffe,
dass auch in Zukunft so umfassende Studien mit solch breiter internationaler
Beteiligung durchgeführt werden", so Didier Schmitt, Leiter der Gruppe für
Lebenswissenschaften in der ESA-Direktion für Bemannte Raumfahrt,
Schwerelosigkeitsforschung und Exploration. "Planungen für künftige
Forschungsreihen sind bereits im Gange, darunter Vorbereitungen für ein Programm
mit Bettruhestudien für die kommenden drei Jahre, das kurz-, mittel- und
langfristige Bettruhestudien mit jeweils 5, 21 bzw. 60 Tagen Dauer vorsieht.
Ein
sich über diesen Zeitraum erstreckendes Forschungsvorhaben dürfte in Kürze im
Rahmen des Europäischen Programms für lebenswissenschaftliche und physikalische
Grundlagen- und angewandte Forschung im Weltraum (ELIPS) bekannt gegeben werden.
Zwei weitere Studien, die im Rahmen des ESA-Programms zur Förderung von
Anwendungen der Mikrogravitation (MAP) ausgewählt worden waren, sind in Berlin
sowie beim DLR in Köln geplant. Ihre Finanzierung, die ebenfalls über das
ELIPS-Programm läuft, muss jedoch noch genehmigt werden."
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