Aber auch direkt vor unserer kosmischen Haustür ist nicht alles so, wie
bislang angenommen wurde. Außerhalb der Lichtglocke unserer Städte kann man
einen blassen länglichen Fleck im Sternbild Andromeda sehen, den Andromedanebel
(M31). Erst 1923 fand der Astronom Edwin Hubble heraus, dass der Nebel eine
riesige Ansammlung von Sternen ist, die sich außerhalb unserer eigenen
Heimatgalaxie befindet. Auf Grund ihrer Nähe dürfte M31 die am Besten
untersuchte Galaxie überhaupt sein. Und doch können Astronomen wie Scott Chapman
vom California Institute of Technology, USA, und Rodrigo Ibata vom
Observatoire Astronomique de Strasbourg in Frankreich überraschendes
Entdecken.
Zusammen mit Kollegen aus Großbritannien und Australien untersuchten sie am
Keck-Teleskop auf Hawaii die Bewegungen von 3.000 schwachen Sternen in den
Bereichen außerhalb der 70.000 bis 80.000 Lichtjahre durchmessenden sichtbaren Scheibe mit
den Spiralarmen. Bislang nahm man an, dass diese Sterne nicht zur Scheibe selbst
gehören, sondern sich auf willkürlichen Bahnen in einem kugelförmigen Bereich,
dem Halo, bewegen. Aber die sehr genauen Untersuchungen der Forschergruppe
zeigen, dass dies nicht stimmt.
Tatsächlich bewegen sie sich in der selben Ebene wie die Sterne der bisher
bekannten Scheibe, müssen somit ebenfalls zu ihr gehören. Damit ist M31 mit
einem neuen Durchmesser von 200.000 Lichtjahren tatsächlich gut dreimal größer
als bisher angenommen.
Zusätzlich fanden die Wissenschaftler heraus, dass dort die Sterne nicht
gleichmäßig verteilt sind, sondern einzelne Klumpen mit höherer Sterndichte
bilden. Daraus folgern sie, dass Andromeda vor langer Zeit aus der Verschmelzung
kleinerer Satellitengalaxien entstand. Andernfalls müssten die Sterne viel
gleichmäßiger verteilt sein. Dennoch meinte
Ibata: "Es wird ziemlich schwierig sein, die Entdeckung mit Computermodellen der
Galaxienentwicklung unter einen Hut zu bringen. Aus der Verschmelzung von
Galaxienfragmenten erhält man nicht so einfach eine riesige rotierende Scheibe."
Eine ähnliche Überraschung lieferten kürzlich Beobachtungen an der Galaxie NGC
300 im Sternbild Bildhauer (Sculptor). Astronomen aus den USA und Australien
untersuchten sie mit dem 8-Meter Gemini South Teleskop in Chile. Auch diese 6,1
Millionen Lichtjahre entfernte Galaxie besitzt eine wesentlich größere
Scheibe aus schwachen alten Sternen, die den bisherigen Durchmesser verdoppelt.
Aber im Gegensatz zu M31 sind hier die Sterne viel gleichmäßiger verteilt und es
gibt offensichtlich auch keinen scharfen Rand. Die Sterndichte nimmt mit der
Entfernung vom Zentrum nur langsam ab. Die Forscher fanden extrem schwache
Sterne bis zu einem Abstand von 47.000 Lichtjahren vom Galaxienzentrum. "Vor
einigen Milliarden Jahren müssen die Außenbezirke von NGC 300 ebenso hell
geleuchtet haben wie die innere Metropolis," meinte Professor Joss
Bland-Hawthorne vom Anglo-Australien Observatory in Sidney, Australien.
Erklären können die Wissenschaftler die Entstehung der Scheibe bisher nicht.
Jeder Versuch scheitert bisher daran, die gleichmäßige Verteilung der Sterne zu
verstehen. Sie haben deshalb mehr Beobachtungszeit beantragt, um die Galaxie
genauer zu untersuchen und Vergleiche mit anderen Milchstraßensystemen
durchzuführen.
"Wir sehen jetzt, dass es deutlich unterschiedliche Typen von Galaxienscheiben
gibt", sagte Ken Freeman von der Australien National University.
Und zu welchem Typ gehört unsere eigene Milchstraße? Das ist noch unklar.
Bisherige Schätzungen gehen davon aus, dass sie einen Durchmesser von 100.000
Lichtjahren hat. "Da sie aber heller und massereicher als NGC 300 ist, könnte
sie auch 200.000 Lichtjahre groß sein", spekulierte Bland-Hawthorne. Aber
vielleicht ist sie überhaupt keine gewöhnliche Spiralgalaxie: Wie gestern
berichtet entdeckten Forscher in der Mitte unserer Galaxis einen 27.000 Lichtjahre langen
Balken aus Sternen.