Erste Bewährungsprobe während Eneide-Mission
Redaktion
astronews.com
8. April 2005
Das vom DLR betriebene Columbus-Kontrollzentrum in Oberpfaffenhofen bei
München steht vor seiner ersten Bewährungsprobe. In Zusammenarbeit mit der ESA
wird es während der Eneide-Mission vom 15. bis 25. April 2005 erstmals
als europäisches Kontrollzentrum für eine Raumfahrt-Mission agieren. Dies
erfolgt im Rahmen des Raumstationsprogramms der ESA, an dem Deutschland zu 41
Prozent beteiligt ist.

Blick in das Columbus-Kontrollzentrum. Foto:
DLR |
Die Flugbetriebsmannschaft in Oberpfaffenhofen, die sich aus ESA- und
DLR-Mitarbeitern zusammensetzt, wird die Durchführung der Experimente planen und
mit dem Astronauten abstimmen, wobei neu entwickelte Subsysteme wie
beispielsweise Voice- und Video-Systeme zum Einsatz kommen werden. Die
DLR-Bodenbetriebsmannschaft wird im Zusammenspiel mit den Kontrollzentren in
Moskau, Houston und Huntsville sowie den europäischen Nutzerzentren die Mission
unterstützen.
Das Columbus-Kontrollzentrum wird die Durchführung der italienischen und
der anderen europäischen Experimente mit dem russischen
Raumfahrt-Kontrollzentrum ZUP in Moskau und dem Nutzlast-Kontrollzentrum der
NASA in Huntsville (Alabama) koordinieren. Der Großteil der Experimente wird vom
Lazio User Center (LUC) in Rom, die restlichen Experimente vom
Columbus-Kontrollzentrum aus gesteuert. Der Ablauf der Mission wird mit dem
Nutzerzentrum Erasmus der ESA/ESTEC in Noordwijk (Niederlande), dem
Lazio User Center und dem CADMOS (Centre d'Aide au Développement des
activités en Micro-pesanteur et des Opérations Spatiales) in Toulouse sowie mit
dem European Astronaut Center (EAC) in Köln auf die Anforderungen und
Belange des Astronauten abgestimmt.
Das Columbus-Kontrollzentrum ist dabei speziell für den Aufbau, die
Wartung und den Betrieb des Netzwerks verantwortlich, das das EAC in Köln sowie
die einzelnen europäischen Nutzerzentren über Oberpfaffenhofen mit den
NASA-Zentren in Houston und Huntsville sowie dem ZUP in Moskau verbindet. Über
dieses terrestrische Hochgeschwindigkeits-Netzwerk, das im so genannten ATM (Asynchronous
Transfer Mode) arbeitet, werden die für die Durchführung der Mission notwendigen
Daten sowie die Signale für Sprache und Video verteilt. Das gesamte Netzwerk und
die Verteilung der Daten wird von der DLR-Bodenbetriebsmannschaft gesteuert.
Es ist geplant, dass der verantwortliche Wissenschaftler und Experimentator, der
so genannte PI (Principal Investigator) des deutschen Experiments CRISP 2 von
der Universität Ulm in den Nutzerräumen des Columbus-Kontrollzentrums
untergebracht wird, um so direkt die Mission und die Durchführung seines
Experiments verfolgen zu können. Dies würde auch einen engen Kontakt mit der
Flugbetriebsmannschaft in Oberpfaffenhofen ermöglichen. Zudem wäre dies eine
gute Voraussetzung für eventuell notwendige schnelle Problemlösungen.
Die Verantwortung für die Durchführung der Experimente während der Eneide-Mission
liegt im russischen Kontrollzentrum ZUP in Moskau. Deshalb werden mit ihm alle
Entscheidungen über den Start, den Ablauf und den Abschluss der Experimente
abgesprochen. Die Schnittstelle zwischen der Flugbetriebsmannschaft im
Columbus-Kontrollzentrum in Oberpfaffenhofen und dem ZUP in Moskau nimmt das
so genannte Mission Operations Support Team der ESA im ZUP wahr. Zu
dessen Aufgaben gehören die Absprache mit den russischen Partnern über
Änderungen von Prozeduren und Timelines der Astronauten, über die Durchführung
der Experimente sowie über den notwendigen Datentransfer.
Die Daten (Video-, Voice- und Telemetrie-Daten) werden von der Internationalen
Raumstation ISS über Satelliten der NASA und die Bodenstation in White Sands zu
den NASA-Zentren in Houston und Huntsville übermittelt. Von den beiden
NASA-Zentren werden die Daten über das terrestrische
Hochgeschwindigkeits-Netzwerk, das in Oberpfaffenhofen aufgebaut wurde und von
dort betrieben wird, zum Columbus-Kontrollzentrum weitergeleitet.
Die
Videosignale, die aus dem russischen Teil der ISS stammen, werden von der ISS
über die russischen Bodenstationen zum ZUP in Moskau übertragen. Von dort werden
sie über das terrestrische ATM-Netzwerk zum Columbus-Kontrollzentrum
weitergeleitet. Dieses verteilt die Daten dann an die europäischen Nutzerzentren
und das EAC über dasselbe Hochgeschwindigkeits-Netzwerk, und es gibt
andererseits die Daten der europäischen Nutzerzentren und des EAC an die
Kontrollzentren in Houston, Huntsville und Moskau zurück.
Die Flugbetriebsmannschaft (Flight Control Team, FCT) wird von einem
Kontrollraum aus das Management und die Koordination des europäischen Teils der
Mission (Experimente, Aktivitäten des Astronauten Roberto Vittori,
Sicherheitsaspekte) durchführen. Die dafür vorgesehenen sechs Positionen im
Kontrollraum "K3" werden in zwei Schichten besetzt sein, so dass insgesamt zwölf
Personen für die Flugbetriebsmannschaft benötigt werden. Das europäische
Planungsteam (European Planning Team, EPT) wird im Operations Planning
Support Room untergebracht. Das Planungsteam, das aus drei bis fünf Personen
besteht, ist für die Durchführung der Missionsplanung der europäischen
Experimente zuständig. Es wird von einem Mitglied der russischen Planungsgruppe
unterstützt.
Für deutsche Experiment-Verantwortliche (PIs) sowie weitere
Experimentatoren und anderes Unterstützungspersonal der ESA im Umfang von etwa
fünf Personen steht ein spezieller Raum (User Room) zur Verfügung. Die
DLR-Bodenbetriebsmannschaft (Ground Control Team, GCT) im Ground Operations
Control Room wird in drei Schichten rund um die Uhr für den Betrieb des
Netzwerks und der eingesetzten Systeme im Kontrollzentrum sorgen. Das Team
umfasst 15 bis 20 Personen.
Mit der Eneide-Mission am 15. April 2005 beginnt der elfte
Nutzungsabschnitt (Increment 11, von April bis Oktober 2005) der Internationalen
Raumstation, da gleichzeitig die amerikanisch-russische Besatzung der ISS
ausgetauscht wird. Die Vorbereitung im Columbus-Kontrollzentrum für die
weiteren Missionen nach dem Vittori-Flug ist in vollem Gange. Die Simulationen
mit dem Huntsville Operations Control Center (HOSC), dem NASA-Zentrum für
Nutzlastbetrieb und den europäischen Nutzerzentren in Norwegen (N-USOC) und
Dänemark (DAMEC) für diesen elften Nutzungsabschnitt fanden bereits im März 2005
statt.
Mit der geplanten Wiederaufnahme der Space Shuttle-Flüge im Mai 2005 kann
auch die Anzahl der permanenten ISS-Besatzungsmitglieder wieder von zwei auf
drei erhöht werden. Es ist angedacht, als erstes zusätzliches Besatzungsmitglied
den deutschen ESA-Astronauten Thomas Reiter mit dem zweiten Space Shuttle-Flug
im Juli 2005 zur Raumstation zu bringen. In diesem Fall würde Thomas Reiter etwa
sechs Monate auf der Raumstation bleiben und mit dem Space Shuttle Flug
12A.1 zur Erde zurückkehren. Er würde auf der Internationalen Raumstation ISS
mit seinen amerikanischen und russischen Kollegen an der Wartung und dem
weiteren Aufbau der Station arbeiten sowie die vorgesehenen europäischen
Experimente durchführen.
Ein Langzeitaufenthalt eines europäischen Astronauten auf der ISS erfordert
natürlich auch eine intensivere und langfristige Unterstützung durch das
Columbus-Kontrollzentrum in Oberpfaffenhofen und die angeschlossenen
europäischen Nutzerzentren. Es ist daher geplant, bis zu neun europäische
Nutzerzentren an das Kontrollzentrum in Oberpfaffenhofen anzubinden und den
Wissenschaftlern und Experimentatoren in ganz Europa die Möglichkeit zu geben,
Experimente im engen Schulterschluss mit dem ESA-Astronauten durchzuführen.
Gleichzeitig muss der Einsatz des Personals am Columbus-Kontrollzentrum den
neuen Bedingungen angepasst werden, da die Mission nicht zehn Tage wie bei der
Eneide-Mission im April 2005, sondern einige Monate dauern wird. Für eine
solche lange Mission müssen die DLR-Bodenbetriebsmannschaft und die
Flugbetriebsmannschaft, die sich aus ESA- und DLR-Mitarbeitern zusammensetzen,
verstärkt und erweitert werden, denn schließlich muss der geforderte
Schichtbetrieb über einige Monate sichergestellt werden.
Die Flug- und die Bodenbetriebsmannschaft im Columbus-Kontrollzentrum wird die
europäischen Experimente auch während der nächsten, jeweils mehrmonatigen,
Nutzungsabschnitte weiter betreuen und somit eine kontinuierliche Nutzung der
europäischen Experimente und Nutzlasten auf der ISS sicherstellen.
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