Acht neue Quellen hochenergetischer
Gammastrahlung
Redaktion
astronews.com
29. März 2005
Gleich acht neue Quellen hochenergetischer Gammastrahlung hat ein Team
internationaler Wissenschaftler mit dem High Energy Stereoscopic System
gefunden. Mit der Entdeckung des Teams hat sich die Anzahl der bisher bekannten
Quellen nahezu verdoppelt. Die Resultate des erst kürzlich in Betrieb gegangenen
Teleskopsystems übertreffen inzwischen selbst die kühnsten Erwartungen.
Die Atmosphäre unserer Erde wird ständig von einem Strom hochenergetischer
nuklearer Teilchen aus dem Weltraum getroffen - der kosmischen Strahlung.
Kosmische Strahlung gilt allgemein als Triebfeder für die Entwicklung des
Weltalls und als einer der Motoren der Evolution, denn durch sie wird durch
genetische Veränderungen in Pflanzen und Tieren die Entwicklung des Lebens auf
der Erde vorangetrieben. Entdeckt wurde die kosmische Strahlung bereits 1912 von
Viktor Hess, der für diese Entdeckung 1936 den Nobelpreis für Physik erhielt.
Doch die Ursprünge der Strahlung aus dem All bleiben bisher verborgen. Die Suche
nach den Quellen der kosmischen Strahlung beschäftigt Wissenschaftler nun seit
fast hundert Jahren. Ein Hinweis auf mögliche Quellen ist der Nachweis
hochenergetischer Gammastrahlung. Dort wo sie auftritt, vermutet man auch
Quellen der kosmischen Strahlung.
Das High Energy Stereoscopic System (H.E.S.S.), ein Ensemble von vier
Teleskopen, gebaut speziell für den Nachweis der hochenergetischen
Gammastrahlung, steht im Khomas Hochland von Namibia. Von dort haben die
Wissenschaftler einen nahezu idealen Blick auf den zentralen Bereich der
Milchstraße. Das erst im Dezember 2003 in Betrieb genommene
H.E.S.S.-Teleskopsystem ist deutlich empfindlicher als alle bisherigen Teleskope
dieses Typs und ermöglicht erstmals, nicht nur punktuell nach Quellen
hochenergetischer Gammastrahlung zu suchen sondern den gesamten Bereich der
zentralen Milchstraße zu betrachten.
Schon die ersten derartigen Beobachtungen brachten ungeahnte Erfolge (astronews.com
berichtete). Bisher waren etwa zwölf Quellobjekte hochenergetischer Strahlung
bekannt. Den H.E.S.S.-Forschern ist es nun gelungen, eine neue Population von
acht Quellen dieser Strahlung zu finden. "Wir hatten gehofft, mit einem
Instrument wie H.E.S.S. neue Quellen zu entdecken. Dass wir aber sofort einen
solchen Erfolg haben würden, übertrifft unsere kühnsten Erwartungen", so Stefan
Funk vom Max-Planck-Institut für Kernphysik in Heidelberg.
Die Entdeckung des internationalen Forscherteams ist nicht nur aufgrund der
Zahl neuer Quellen beachtlich. Einige der gefundenen Objekte haben die Größe von
mehreren Lichtjahren - zum Vergleich, die Entfernung von der Erde bis zu unserem
nächsten stellaren Nachbarn Alpha Centauri beträgt vier Lichtjahre. Vor allem
aber erstaunt es die Wissenschaftler, dass es zu einigen der neu entdeckten
Quellen kein Gegenstück in anderen Bereichen des elektromagnetischen Spektrums
gibt. Diese Quellen lassen sich offenbar nur im Bereich hochenergetischer
Gammastrahlung, nicht aber im sichtbaren Licht als Radio- oder Röntgenquellen
nachweisen.
"Hier stehen wir vor einem großen Rätsel: Wir haben es mit einer vollkommen
neuen Art von galaktischen Quellen zu tun und haben keine Ahnung, wie die
nachgewiesene Gammastrahlung in diesen Objekten erzeugt wird", sagt Stefan Funk.
Damit ist dem H.E.S.S.-Projekt bereits die zweite wichtige Entdeckung in wenigen
Monaten gelungen. Schon während der Anlaufphase des Experiments konnte das
internationale Wissenschaftlerteam erstmals ein hochaufgelöstes Bild einer
Gammastrahlungsquelle, eines Supernova-Überrests, erzeugen (astronews.com
berichtete).
Die neuen Entdeckungen sind ein großer Erfolg für die noch junge Forschung in
der Gammastrahlen-Astronomie. Sie eröffnen eine neue Sichtweise auf den Kosmos
und erlauben tiefe Einblicke in die Ursprünge der kosmischen Strahlung.
Das H.E.S.S.-Projekt wird in internationaler Zusammenarbeit mit starker
europäischer und vor allem deutscher Beteiligung betrieben. Derzeit forschen
rund hundert Physiker aus acht Ländern und neunzehn Instituten gemeinsam unter
Federführung des Max-Planck-Instituts für Kernphysik in Heidelberg. Zudem sind
vier deutsche Universitäten - Berlin, Bochum, Hamburg und Heidelberg - sowie
Universitäten und Forschungseinrichtungen aus Frankreich, England, Irland,
Namibia, Armenien und Südafrika am H.E.S.S.-Experiment beteiligt.
Während der letzten Jahre hat die H.E.S.S.-Kollaboration ein System von vier
Teleskopen im Khomas Hochland in Namibia aufgebaut, um hochenergetische
Gammastrahlung von "Beschleunigern" der kosmischen Strahlung studieren zu
können. Diese Cherenkov-Teleskope detektieren das Licht, das beim Auftreffen
hochenergetischer kosmischer Strahlung auf die Erdatmosphäre entsteht und dort
absorbiert wird. Die H.E.S.S.-Teleskope verfügen jeweils über eine Spiegelfläche
von 107 Quadratmetern und sind mit 960 hochsensitiven und extrem schnellen
Photo-Detektor-Kameras ausgerüstet. Diese Kameras sind in den Brennebenen der
Teleskope angebracht. Der Aufbau des Systems begann 2001, das vierte Teleskop
wurde im Dezember 2003 in Betrieb genommen. Das H.E.S.S.-System ist deutlich
empfindlicher als alle zuvor gebauten Cherenkov-Teleskope.
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