Ein neuartiges Forschungsinstrument liefert erste Beobachtungsergebnisse mit
den höchsten Energien, die in der Astronomie gemessen werden können - aus dem
Zentrum unserer Milchstraße. Dort hat ein internationales Forscherteam nun eine
Quelle für höchstenergetische Gamma-Strahlung im Bereich von Teraelektronenvolt
entdeckt, höchstwahrscheinlich Überrest einer vor 10.000 Jahren explodierten
Supernova. Das unter der Leitung des
Max-Planck-Instituts für Kernphysik in internationaler Zusammenarbeit von etwa
100 Wissenschaftlern aus acht verschiedenen Ländern gemeinsam gebaute und
betriebene "High Energy Stereoscopic System" (H.E.S.S) in Namibia ist inzwischen
mit allen vier Teleskopen fertig gestellt worden. Sie werden am 28. September
2004 offiziell den Betrieb aufnehmen.
H.E.S.S. untersucht die kosmische Gammastrahlung im Energiebereich bis zu
vielen Billionen (1012) Elektronen-Volt - zum Vergleich: Sichtbares Licht hat
zwischen zwei und drei Elektronen-Volt. Schon während des Aufbaus der Anlage
starteten die Max-Planck-Astrophysiker im vergangenen Sommer mit zwei H.E.S.S.-Teleskopen erste Beobachtungen. Bevorzugtes Objekt: Das Zentrum unserer
Milchstraße. Darin vermuten die Wissenschaftler nicht nur ein supermassives
Schwarzes Loch, sondern auch zahlreiche Supernova-Explosionswolken, aber auch -
so die jüngsten Spekulationen - Ansammlungen von exotischer Dunkler Materie. All
diese Objekte sind Quellen für höchstenergetische Gammastrahlung.
Die ersten Messungen mit zwei H.E.S.S.-Teleskopen haben gezeigt, dass es
offenbar keine Obergrenze für das außergewöhnlich "harte" Spektrum der
Gammastrahlung aus dem Galaktischen Zentrum gibt. Das aber schließt die
angenommene gegenseitige Vernichtung von Teilchen und Anti-Teilchen der Dunklen
Materie aus. Nach theoretisch hergeleiteten Modellen sollten solche so genannten
Annihilations-Prozesse bei Energien weit unter zehn Billionen Elektronen-Volt
geschehen, tatsächlich gemessen wurden jetzt aber weitaus größere Werte.
Deshalb
bevorzugen die Astrophysiker des Heidelberger Max-Planck-Instituts für das mit
H.E.S.S. gemessene Spektrum eine - so Prof. Werner Hofmann - "konventionelle
Erklärung, die auch rechnerisch ohne Schwierigkeiten zu den gemessenen
Energieflüssen passt: Eine vor etwa 10.000 Jahren explodierte riesige
Supernova". Die dabei entstandene Schockwelle sei in der Lage, Teilchen auf die
jetzt registrierten höchstenergetischen Werte zu beschleunigen.
Mit nur zwei Teleskopen hat das H.E.S.S.-Gammastrahlungs-Observatorium schon
jetzt gezeigt, dass seine Instrumente zu den genauesten Messgeräten in diesem
Energiebereich zählen: Die entdeckte Quelle der Gammastrahlung ist weniger als
eine Bogenminute - das entspricht nur wenigen Lichtjahren - vom Zentrum unserer
Milchstraße entfernt. "Noch weitaus präzisere Werte für Position und
Energiefluss dieser Quelle werden wir bekommen, wenn wir demnächst mit allen
vier Teleskopen von H.E.S.S. den Mittelpunkt unserer Galaxis ins Visier nehmen",
verspricht Prof. Hofmann.
Das Projekt wird unterstützt durch das Bundesministerium für Bildung und
Forschung (BMBF), die Max-Planck-Gesellschaft, das französische
Forschungsministerium und das Centre National de la Recherche Scientifique (CNRS),
den britischen Particle Physics and Astronomy Research Council (PPARC), die
University of Namibia (UNAM) und die South African National Research Foundation
(NRF).