Kritik an NASA-Plänen für Hubble-Ende
von Stefan
Deiters
astronews.com
11. Februar 2004
Hinter den Kulissen regt sich Widerstand gegen die NASA-Pläne, das Weltraumteleskop Hubble
aufzugeben. In der letzten Woche tauchten Dokumente auf, in denen das
Risiko einer Shuttle-Mission zu Hubble als nicht höher als
das einer Mission zur ISS eingeschätzt wird. Die NASA hatte
Sicherheitsbedenken als Grund für die Streichung der für das Jahr 2006
vorgesehenen Servicemission angegeben.
Das Hubble-Weltraumteleskop. Foto: STScI/ NASA |
Das Weltraumteleskop Hubble hat in den letzten Jahren wie wohl kein
anderes Instrument die Wissenschaft - aber auch die interessierte Öffentlichkeit
- mit immer neuen Einblicken ins All in Staunen versetzt. Dementsprechend
war die Entscheidung der NASA im letzten Monat, keine weitere Service-Mission zu Hubble zu fliegen,
alles andere als populär. Die NASA hatte - wie berichtet - die nach der
Columbia-Katastrophe geänderten Sicherheitsrichtlinien als Grund für die
Streichung der Mission angegeben: Jedes Shuttle müsse zukünftig die
Internationale Raumstation als "Nothafen" erreichen können, falls Probleme
auftreten. Bei einer Mission zum Hubble-Teleskop wäre ein Erreichen der
ISS nicht möglich.
Diese anscheinend wohlüberlegte Abschätzung der Risiken wurde nun in in der
letzten Woche durch zwei anonyme Dokumente in Frage gestellt, die sich schnell
unter Astronomen und Verantwortlichen in Washington verbreiteten. In den
Dokumenten, die offenbar aus NASA-Insiderkreisen stammten, wurde das Risiko
einer Shuttle-Mission etwas anders eingeschätzt, als in der offiziellen
Stellungnahme der Weltraumagentur. So kommt eines der Dokumente zu dem Schluss,
dass eine Service-Mission zu Hubble mindestens genauso sicher sei, wie
ein Flug zur Internationalen Raumstation. Im zweiten Dokument wird
geschlussfolgert, dass für eine sichere Hubble-Mission keine weiteren
Schritte nötig seien, als sie ohnehin schon für die Flugaufnahme zur ISS geplant
sind.
Auf der von der NASA gestrichenen Service-Mission sollten die für die
Lageausrichtung des Teleskops notwendigen Gyroskope ausgetauscht sowie
Instrumente erneuert werden. Sobald weniger als drei der sechs Gyroskope an Bord
des Teleskops arbeiten, ist Hubble nicht mehr korrekt auszurichten und
damit praktisch wertlos. Die neuen Sicherheitsrichtlinien der NASA würden nun,
da man bei einer Hubble-Service-Mission die ISS im Notfall nicht
erreichen kann, ein startbereites zweites Shuttle verlangen, das während
der Service-Mission auf der Erde für den Fall wartet, dass eine Rettungsmission
nötig ist. Bei einer solchen Rettungsmission wären dann erstmals zwei Shuttle
gleichzeitig im All und außerdem müsste eine Besatzung von einem Shuttle
zum anderen umsteigen.
Alles das erscheint der NASA deutlich zu riskant. Stattdessen soll Hubble
nun so lange arbeiten, wie es funktioniert und dann - mit Hilfe einer
unbemannten Sonde - zum sicheren, kontrollierten Absturz gebracht werden. Zudem
arbeitet die NASA daran, die wissenschaftliche Lebensdauer des Teleskops zu
verlängern - auch für den Fall, dass weitere Gyroskope ausfallen. Das Teleskop
sollte so noch bis 2006, vielleicht sogar noch über ein Jahr länger,
weiterarbeiten können.
Die Sicherheitsbedenken der NASA erscheinen durch die jetzt aufgetauchten
anonymen Dokumente in einem neuen Licht: So wird unter anderem darauf
hingewiesen, dass bei Missionen zur ISS auch kein zweites "Notfall"-Shuttle
bereitgehalten wird, obwohl ja gar nicht sichergestellt ist, dass eine
Raumfähre, die auf dem Weg zur ISS Probleme bekommt, die sichere Raumstation
auch erreichen könnte. Die NASA muss also ohnehin bestimmte Reparaturkits
entwickeln, die Notreparaturen möglich machen. Und diese könnten dann auch an
Bord einer Service-Mission sein.
Es scheint allerdings wenig Hoffnung zu geben, dass die NASA ihre Position noch
einmal überdenkt. Und auch die meisten Astronomen dürften sich darauf
konzentrieren, aus der Zeit, in der Hubble noch zur Verfügung steht, das
Beste zu machen. Allerdings dürften die neuen Dokumente denjenigen, die hinter
dem Streichen der Service-Mission andere Gründe als die Sicherheit der
Astronauten vermuten, willkommenes Material liefern. Manche hatten die kürzlich
angekündigten und extrem teuren Weltraumpläne von US-Präsident Bush mit der
Streichung der Hubble-Mission in Zusammenhang gebracht. Die Entscheidung
der NASA war kurz nach der Ankündigung Bushs bekannt geworden.
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