Anzeige
 Home  |  Nachrichten  | Frag astronews.com  | Bild des Tages  |  Kalender  | Glossar  |  Links  | Forum  | Über uns    
astronews.com  
Nachrichten

astronews.com
astronews.com

Der deutschsprachige Onlinedienst für Astronomie, Astrophysik und Raumfahrt

Home  : Nachrichten : Raumfahrt : Artikel  [Druckansicht]


ISS
Keine Zweifel an neuen Sojus-Raumschiffen
Redaktion
astronews.com
13. Juni 2003

Wegen der Columbia-Tragödie kehrte die Expedition Crew 6 der ISS mit wochenlanger Verspätung und an Bord einer Sojus-Raumkapsel zur Erde zurück. Dabei verlief allerdings nicht alles nach Plan: Das Raumschiff landete 400 Kilometer vom vorgesehenen Landeplatz. Ein unlängst veröffentlichter Untersuchungsbericht macht nun deutlich, wie es dazu kommen konnte.



Die Sojus-TMA 1 beim Andocken an die ISS am 1. November 2002. Foto: NASA

Der ESA-Astronaut Pedro Duque kann im Oktober mit einem Raumschiff des neuen Typs Sojus TMA zur ISS und zurück fliegen. Eine Untersuchungskommission kam nach dem nicht ganz planmäßig verlaufenen Wiedereintritt der Sojus TMA-1 im vergangenen Monat zu dem Schluss, dass der neue Raumschifftyp für den Betrieb zugelassen bleiben kann. Der Jungfernflug dieser neuen Baureihe wurde am 30. Oktober 2002 mit der Sojus TMA-1 vom Kosmodrom Baikonur in Kasachstan aus durchgeführt. Die Mannschaft bestand aus dem belgischen ESA-Astronauten Frank De Winne und den russischen Kosmonauten Sergej Salentin und Juri Lontschakow. Nach Abschluss seiner Missionsaufgaben auf der ISS kehrte Frank De Winne in der Sojus TM-34, einer Kapsel des vorherigen Typs, zur Erde zurück.

Die Sojus TMA-1 blieb an der ISS angedockt, um sechs Monate lang als "Rettungsboot" der Raumstation zu dienen, wonach sie am 4. Mai 2003 den ersten Wiedereintritt einer Sojus TMA bei ihrer Rückkehr zur Erde mit der Expedition Crew 6 der ISS - dem russischen Kosmonauten Nikolai Budarin und den amerikanischen Astronauten Kenneth Bowersox und Donald Pettit - absolvierte, die 162 Tage auf der Raumstation verbracht hatten.

Trotz des ungeplanten Wiedereintritts nach dem so genannten "ballistischen" Verfahren, funktionierten alle neuen Systeme der Sojus TMA-1 ordnungsgemäß. Hierzu zählt vor allem das neue System für eine weiche Landung, wozu neue Triebwerke und eine neue Zelle gehören und mit dem der Aufprall bei der Landung verringert werden soll. Die Fallschirme der Sojus TMA-1 funktionierten ebenfalls fehlerfrei. Der Grund dafür, dass die Sojus TMA-1 den Wiedereintritt nach dem ballistischen Verfahren durchführte und 150 Kilometer nördlich von Baikonur, das heißt 400 Kilometer vor dem vorgesehenen Landeplatz niederging, war eine Fehlfunktion des BUSP-M-Lenkungssystems, das für einen gesteuerten Wiedereintritt benötigt wird. Dieses Lenkungssystem liest die Daten der Lageregelungskreisel und Beschleunigungsmesser und sendet entsprechende Befehle an die Lageregelungstriebwerke. Hierbei lieferte der Giersteuerungskanal des BUSP-M unklare Messwerte, was auf eine Fehlfunktion hindeutet. Daraufhin nahmen übergeordnete Steuerfunktionen das BUSP-M-System aus dem Regelkreis heraus und stellten auf das ballistische Wiedereintrittsverfahren um.

Anzeige

Bei diesem verläuft die Flugbahn steiler als bei einem gesteuerten Wiedereintritt, und die Kapsel dreht sich um ihre Flugbahnachse, um die Stabilität zu erhöhen. Die steilere Flugbahn verkürzt die Flugzeit und bewirkt eine verstärkte Abbremsung. Dies führte dazu, dass die Mannschaft der Sojus TMA-1 mit dem Achtfachen der Erdschwerkraft belastet wurde, während bei einem gesteuerten Wiedereintritt die Belastung höchstens das Sechsfache der Erdschwerkraft beträgt.

Das BUSP-M-System, in dem das Problem auftrat, gelangte erstmals 1979 auf der Kapsel Sojus T-5 zum Einsatz und hat seitdem 49mal fehlerlos einen gesteuerten Wiedereintritt absolviert. Versuche im Rahmen der offiziellen Ermittlungen ließen keinerlei Störungen im Lenkungssystem erkennen. Das Problem konnte lediglich durch mathematische Simulationen nachgebildet werden, denen zufolge die Wahrscheinlichkeit, dass dieses Problem erneut auftritt, auf 1:7000 zu beziffern ist.

In der Geschichte des Sojus-Programms kam es erst dreimal zu einem Wiedereintritt dieser Art, obwohl der ballistische Abstieg eines von vier zulässigen Widereintrittsverfahren ist, von denen Sojus-Kapseln des Typs T, TM und TMA unter unterschiedlichen Bedingungen Gebrauch machen können; die anderen drei sind der automatisch und der manuell gesteuerte Wiedereintritt und ein ballistisches Ersatzverfahren. Die Untersuchungskommission kam zu dem Schluss, dass die Sojus TMA-2 nicht geändert zu werden braucht. Die TMA-2 ist das "Rettungsboot", das gegenwärtig an die ISS angedockt ist und den spanischen ESA-Astronauten Pedro Duque am Ende seines diesjährigen Einsatzes zur Erde zurückbringen soll. Duque wird im Oktober an Bord der Sojus TMA-3 zur ISS reisen. An dieser Kapsel sollen auf Empfehlung der Untersuchungskommission bestimmte Änderungen vorgenommen werden.

Als erstes hat die Kommission eine Verbesserung der Kommunikationsmöglichkeiten durch Mitführung eines Satellitenmobiltelefons in der Rückkehrkapsel empfohlen. Dies soll bereits in der Sojus TMA-2 geschehen, weshalb ein solches Telefon mit einem unbemannten Progress-Frachter zur ISS befördert werden soll. Längerfristig wird der Einbau einer Satellitenkommunikationskapazität empfohlen. Zweitens soll durch entsprechende Änderungen soweit wie irgend möglich verhindert werden, dass die Mannschaft falsche Steuerbefehle eingibt. Diese Änderungen werden für erforderlich gehalten, weil die sechste Expeditionsmannschaft während des Wiedereintrittsverfahrens aus Versehen das Rendezvous-/Andocksystem KURS einschaltete, obgleich dies nachweislich nicht den ballistischen Wiedereintritt ausgelöst hat.

Geklärt ist auch die Frage, warum nach dem Wiedereintritt so viel Zeit verging, bevor die Sojus-Kapsel und ihre Besatzung gefunden wurden. Die Bergungsaktion dauerte zwar länger als erwartet, überschritt aber nicht den vorgeschriebenen Zeitraum von höchstens drei Stunden. Dem russischen Missionskontrollzentrum in Moskau und der Besatzung des über dem vorausberechneten Landegebiet in Kasachstan kreisenden Suchflugzeugs war trotz des vor der Landung bestehenden Funkkontakts mit den Heimkehrern nicht bekannt, dass ein ballistischer Wiedereintritt stattgefunden hatte, weil die Astronauten dies in ihren Gesprächen mit den Teams am Boden nicht erwähnt hatten. Deshalb überflogen das Suchflugzeug und die Begleithubschrauber zunächst das erwartete Landegebiet und nicht das Gebiet, in dem die Kapsel nach einem ballistischen Wiedereintritt vermutet worden wäre.

Dass die Suche erfolglos blieb, veranlasste die Suchmannschaft zu dem Schluss, das ein solcher Wiedereintritt stattgefunden haben musste, worauf sie sich in das entsprechende Gebiet in 400 km Entfernung begab. Nach der Landung kam es anscheinend bei bestimmten Abläufen zu Fehlern, was dazu geführt hat, dass die Bordantennen nicht ausgefahren wurden und anschließend, nachdem die Mannschaft außerhalb der Kapsel eine Antenne aufgestellt hatte, der Funkverkehr nicht auf ein externes Übertragungsgerät umgestellt wurde. All dies hat das Auffinden der Astronauten weiter verzögert. Als die Bergungsmannschaft schließlich eintraf, hatte die Sojus- Besatzung die Kapsel aus eigener Kraft verlassen können.

Um solche Pannen in Zukunft zu vermeiden, wird eine Überarbeitung der Borddokumentation zu den Missionsabläufen sowie eine weitergehende Ausbildung künftiger Sojus-TMA-Mannschaften empfohlen. "Zwar wurden Empfehlungen im Hinblick auf Verbesserungen für künftige Flüge abgegeben, aber die Systeme der neuen Sojus-TMA-Baureihe sind davon nicht betroffen", stellte der ESA-Direktor für Bemannte Raumfahrt, Jörg Feustel-Büechl, in seinem Kommentar zu den Ergebnissen der russischen Untersuchungskommission fest. "Ich freue mich, dass der Weg nun frei ist für die nächste Sojus-Mission im Oktober, bei der ESA-Astronaut Pedro Duque mitfliegen wird. Diese Mission wird der Ablösung der ISS-Bordmannschaft, aber auch Wissenschafts-, Technologie- und Bildungsexperimenten dienen. Der genaue Starttermin wird von den orbitalen Parametern und dem Betriebszustand der ISS abhängen."

siehe auch
ISS - die astronews.com Berichterstattung über die Internationale Raumstation
Astolinks: ISS
Links im WWW
Europäische Weltraumagentur ESA
NASA Human Spaceflight - ISS
In sozialen Netzwerken empfehlen
 
Anzeige
astronews.com 
Nachrichten Forschung | Raumfahrt | Sonnensystem | Teleskope | Amateurastronomie
Übersicht | Alle Schlagzeilen des Monats | Missionen | Archiv
Weitere Angebote Frag astronews.com | Forum | Bild des Tages | Newsletter
Kalender Sternenhimmel | Startrampe | Fernsehsendungen | Veranstaltungen
Nachschlagen AstroGlossar | AstroLinks
Info RSS-Feeds | Soziale Netzwerke | astronews.com ist mir was wert | Werbung | Kontakt | Suche
Impressum | Nutzungsbedingungen | Datenschutzerklärung | Cookie-Einstellungen
     ^ Copyright Stefan Deiters und/oder Lieferanten 1999-2023. Alle Rechte vorbehalten.  W3C
Diese Website wird auf einem Server in der EU gehostet.

© astronews.com / Stefan Deiters und/oder Lieferanten 1999 - 2020
Alle Rechte vorbehalten. Vervielfältigung nur mit Genehmigung.


URL dieser Seite: https://astronews.com:443/news/artikel/2003/06