Keine
Monsterwellen durch Asteroideneinschläge?
von Stefan
Deiters
astronews.com
18. März 2003
Asteroiden von einem Durchmesser von unter einem Kilometer können an
Land nur lokale Verwüstungen anrichten. Doch was passiert, wenn die
Felsbrocken in den Ozean stürzen? Forscher befürchteten dann die
Entstehung von riesigen Monsterwellen, die ganze Landstriche am Meer
gefährden. Zwar gab die Universität von Arizona
jetzt Entwarnung, doch andere Wissenschaftler bezweifeln die Analyse ihrer
Kollegen.
Asteroideneinschlag auf der Erde. Bild: UANews.org /
William K. Hartmann, Planetary Science Institute |
Seit vielen Jahren machen sich Wissenschaftler Gedanken über das
Risiko von Asteroideneinschlägen auf der Erde. Schon vor dem Erfolg von
Hollywood-Filmen wie Deep Impact wird der Himmel systematisch nach
potentiell gefährlichen Asteroiden abgesucht, die sich auf Kollisionskurs mit
der Erde befinden (astronews.com berichtete wiederholt). Bis heute hat man zwar
noch keinen "Killerasteroiden" ausgemacht, doch geht die Suche nach den
gefährlichen Felsbrocken weiter. Asteroiden von einem Durchmesser unter einem
Kilometer galten lange Zeit als nicht so bedrohlich, da ein Einschlag zwar lokal
für immense Verwüstungen sorgen würden, jedoch keine globalen Folgen hätte. Doch
1993 begann man umzudenken. Was wäre, wenn ein kleinerer Brocken ins Meer fällt
und dadurch eine Riesenwelle, einen so genannten Tsunami, auslöst? Dieser
Tsunami könnte ganze Küstenstriche verwüsten. Diese potentielle Gefahr war der
Anlass dafür, dass man
inzwischen auch nach kleineren Asteroiden gezielter Ausschau hält.
Die Forscher, die sich mit der Gefahr von durch Asteroideneinschlägen
verursachten Tsunamis beschäftigen, haben dabei verschiedene Aspekte zu
berücksichtigen: So müssen sie die Wellenlänge der Flutwelle berechnen,
die sich deutlich von den Tsumamis unterscheiden dürfte, die durch Seebeben
ausgelöst werden. Die Wellenlänge beeinflusst aber ganz entscheidend das
Verhalten der Wellen, etwa in Hinblick auf das Brechen in Landnähe. Andere
Gruppen versuchten abzuschätzen, wie viele Menschen überhaupt in einer gefährdeten
Region leben und kamen auf ungefähr ein Prozent der Weltbevölkerung - deutlich
weniger als anfänglich vermutet.
Doch es gibt auch gänzlich andere Ansichten: Auf einer Konferenz über die
Gefahr von durch Asteroideneinschlägen verursachten Tsunamis stellte H. Jay Melosh,
Planetenwissenschaftler an der Universität von Arizona, eine umstrittene These
auf: Kleine Asteroiden verursachen keine großen Flutwellen, die die gesamte
Küstenregion bedrohen. Man könne dem Steuerzahler also immense Ausgaben für die
Suche nach kleinen Asteroiden und für den Küstenschutz sparen.
Melosh
erläuterte, dass schon 1993 ein niederländischer Wissenschaftler darauf
hingewiesen hätte, dass die Niederlande in den letzten Tausend Jahren von
Monsterwellen durch Asteroiden verschont geblieben wären, obwohl die Theorie
eigentlich alle 250 Jahre ein solches Ereignis voraussagt. Außerdem, so Melosh,
"sei er immer sehr skeptisch gewesen, dass ein kleiner Asteroid Riesenwellen von
Tausend Meter Höhe produzieren könne."
Seine aktuelle Aussage, dass kleine Asteroiden keine Monsterwellen erzeugen
können, stützt Melosh auf eine lange Zeit verschollene Studie des Tsunami-Experten William Van Dorn. Dieser hatte in den 60er Jahren im Auftrag
der US-Marine Untersuchungen und Experimente bewertet, die die Gefahren von
Wellen betrafen, die durch nukleare Explosionen erzeugt wurden.
Darin
unterstrich Van Dorn, dass die meiste Energie der Welle schon vor dem Erreichen
der Küstenlinie verbraucht sei und deswegen atomare Explosionen zu keinen
dramatischen Überflutungen führen würden. Bei Militärstrategen ist dieses
Phänomen inzwischen als Van Dorn-Effekt bekannt. Melosh fand den Bericht in
einer Bibliothek mit Hilfe der Suchmaschine Google. Zuvor galt der Bericht als
verschollen und Van Dorn war bislang nicht autorisiert, die Daten weiterzugeben.
Auf der Konferenz gab es aber auch Kritik an den Schlussfolgerungen: So
schreibt David Morrison vom Ames Research Center der NASA in dem
Newsletter NEO-News, dass vielen Forschern die Herleitung des Van Dorn-Effektes
rätselhaft geblieben ist: Wie der Effekt hergeleitet wurde, ist in dem Bericht
in keinerlei Weise erklärt. "Deswegen ist der kritischste Teil der Argumentation
für unseren Anlass nicht schlüssig nachvollziehbar", so Morrison.
Bei allen Teilnehmern herrschte allerdings Einigkeit darüber, dass die
größere Gefahr beim Einschlag kleinerer Asteroiden von möglichen Flutwellen
ausgeht. Außerdem sei es wichtig, die Modelle zur Vorhersage der Flutwellen und
ihrer Bewegung in den Ozeanen zu verbessern, um so genauere Berechnungen über
die konkrete Gefährdung anstellen zu können.
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