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Roboterteam erforschte Marslandschaft auf der Erde -
gesteuert von der ISS
Redaktion
/ Pressemitteilung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt e. V. astronews.com
22. Juli 2025
Bei einem bislang einzigartigen Robotik-Experiment
erkundeten vier Roboter gemeinsam eine nachgebildete Marslandschaft beim DLR in
Oberpfaffenhofen. Gesteuert wurde das Roboter-Team von einem Astronauten an Bord der
Internationalen Raumstation ISS. Dieser musste auch mit unerwarteten
Schwierigkeiten zurechtkommen, wie etwa einem humpelnden Roboter.

Am 24. Juli 2025 fand das letzte Experiment
der Mission "Surface Avatar" statt. Insgesamt
vier Roboter im Marslabor des DLR in
Oberpfaffenhofen wurden von NASA-Astronaut Jonny
Kim an Bord der Internationalen Raumstation ISS
kommandiert.
Foto: DLR (CC
BY-NC-ND 3.0) [Großansicht] |
Mit vier Robotern und einer Live-Schalte zur Internationalen Raumstation ISS
herrschte ungewöhnlicher Betrieb auf dem "irdischen Mars" des Deutschen Zentrums
für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Oberpfaffenhofen. Am 24. Juli 2025 führte das
Surface-Avatar-Team das letzte und bisher anspruchsvollste Experiment der
Mission Surface Avatar vor. NASA-Astronaut Jonny Kim hatte an Bord der
ISS das Kommando über das intelligente Roboterteam am Boden, das ihm half, die
"Marslandschaft" sicher zu erkunden und Proben zu sammeln. Dabei ließ er die
verschiedenen Roboter nach Bedarf gemeinsam und teil- oder vollautonom agieren.
Ein neues Feature, das zusätzlich getestet wurde, ist der KI-Chatbot-Assistent
NealAI, der den Astronauten bei Fragen unterstützte.
"Das Surface-Avatar-Experiment ist ein Meilenstein in der Kollaboration von
Menschen und Robotern im Weltall. Wir haben dadurch alle technischen
Voraussetzungen erreicht, um komplexe robotische Missionen auf dem Mars zu
steuern, auch in Richtung einer zukünftigen permanenten lunaren
Forschungsstation", erklärt Prof. Alin Albu-Schäffer, Direktor des DLR-Instituts
für Robotik und Mechatronik. Kern der Technologie-Demonstration ist es, eine
Person ohne intensives Training zu befähigen, ein Team aus unterschiedlichen
Robotern zu kommandieren und gezielt einzusetzen. Die 2022 gestartete
Experimentreihe Surface Avatar wird vom DLR-Institut für Robotik und
Mechatronik geleitet und erfolgt in Zusammenarbeit mit der Europäischen
Weltraumorganisation ESA und dem Deutschen Raumfahrtkontrollzentrum GSOC.
"Durch die Experimente mit dem Astronauten in Mikrogravitation und der
Verbindung über Relais-Satelliten haben wir die technischen Hürden bei der
Fernsteuerung von Robotern gemeistert. Wir sind daher sicher, dass wir auch in
zukünftigen Szenarien bewerkstelligen können, sei es Lunar Gateway, Mondhabitate
oder Erde zu Roboter. Wir haben mit diesen Experimenten und Technologien
einzigartige Expertise in Europa aufgebaut, die auch für Anwendungen auf der
Erde nützlich ist", sagt Dr. Thomas Krüger, Team Lead "ESA Human-Robot
Interaction Lab".
Als Steigerung zum letzten Surface-Avatar-Experiment im Juli 2024 sind nicht
nur die Aufgaben schwieriger und die Roboter selbstständiger geworden – es ist
auch ein weiterer Roboter hinzugekommen. Neben dem humanoiden DLR-Roboter
Rollin‘ Justin, ESA-Rover Interact und dem vierbeinigen
DLR-Roboter Bert vervollständige nun der vierbeinige ESA-Roboter
Spot das Explorationsteam. Spot ist größer als Bert und
mit einem Greifarm ausgestattet. So gab Kim ihm die Aufgabe, ausliegende
Probenbehälter selbstständig zu finden und zur Übergabestation zu bringen. Der
NASA-Astronaut wechselte dann direkt zum DLR-Roboter Rollin‘ Justin mit
der Aufgabe, die eingetroffenen Behälter von der Übergabestation zum Lander zu
bringen. So sammelten die beiden Roboter selbstständig mehrere "Marsproben" für
den Rücktransport zur Erde, während der Astronaut sich den nächsten Aufgaben
widmen konnte.
Besondere Team- und Lernfähigkeit der Roboter demonstrierte das Surface-Avatar-Team
bei der nächsten Herausforderung: Um eine Höhle zu erkunden, kommandierte Kim
den Interact-Rover, der wiederum den DLR-Roboter Bert in seinem
Transportkorb geladen hatte – der weltweit erste Roboter-Roboter-Transport.
Telekommandiert durch den Astronauten im All fuhr der Rover zu der Höhle, hob
mit seinem Greifarm den kleinen Vierbeiner vorsichtig heraus und setzte ihn auf
dem Boden ab. Doch Bert hatte sich "verletzt" – eines seiner Beine klemmte,
sodass der Vierbeiner nicht wie vorgesehen die Höhle erkunden konnte.
Das Experimentteam auf der Erde hatte diese Fehlfunktion beabsichtigt, damit
Astronaut und Roboter – wie bei einer echten Weltraummission – spontan ein
unvorhergesehenes Problem lösen müssen. Dazu ist der DLR-Roboter Bert mit
"bestärkendem Lernen", einer Methode des maschinellen Lernens, ausgestattet. Um
mit drei Beinen einen stabilen Gang für Bert zu finden, führte Kim dazu ein
"Training" durch: Er ließ den Roboter verschiedene Gangarten ausprobieren und
bewertete diese, bis Bert eine funktionierende Strategie gefunden hatte. Nach
der erfolgreichen Lerneinheit absolvierte der DLR-Roboter seine Höhlenerkundung.
Hier entschied sich der Astronaut für die manuelle Steuerung – über Berts
Kamera-Augen konnte er sehen, was der Roboter sieht, und ihn über den Joystick
des Robot-Command-Terminals fernsteuern.
Die Zusammenarbeit zwischen NASA-Astronaut Kim an Bord der ISS und den
Robotern auf dem simulierten Mars-Habitat in Oberpfaffenhofen lief so gut, dass
in dem knappen Zeitfenster von zweieinhalb Stunden sämtliche Aufgaben
einschließlich der Zusatzoptionen erfolgreich bewältigt wurden. So steuerte Kim
den Rover manuell, um einen Probenbehälter zu greifen und in der Übergabestation
abzulegen. Der US-Amerikaner steuerte die Roboter, um herumzufahren, sich
umzusehen und die Umgebung zu erkunden, zu berühren und zu fühlen. In
herausragender Weise setzte er sie als intelligente Mitarbeiter ein, die vor Ort
Missionsaufgaben planen und ausführen. Sie dienten ihm als physische
Verlängerung aus der Ferne – wie Avatare, ganz im Sinne der Mission.
Zur Vorbereitung nutzte der Astronaut den neuen KI-Chatbot-Assistenten
NealAI, der auf einem großen Sprachmodell (Large Language Model, kurz LLM)
des europäischen Anbieters Mistral AI basiert. Das Entwicklungsteam des
DLR-Instituts für Robotik und Mechatronik hatte den Chatbot speziell für die
Surface-Avatar-Mission trainiert. Während der Trainingsphase beantwortet er Kim
Fragen zu den Funktionalitäten der Roboter, zur Bedienung der Steuerungseinheit
und der Benutzeroberfläche. Die Idee dahinter ist, dass bei künftigen Missionen
zum Mars die Signalverzögerung zwischen Mars und Erde bis zu 40 Minuten betragen
kann. Während dieser Kommunikationspausen zwischen Explorationsteam und
Kontrollzentrum könnte ein KI-Assistent wie Neal AI Astronautinnen und
Astronauten bei Fragen umgehend weiterhelfen.
"Das letzte Experiment von Surface Avatar war der perfekte Abschluss
der Mission. Sie zeigte, wie die Robotik unsere Astronautinnen und Astronauten
bei der Erforschung des Weltraums unterstützen kann. Ich freue mich schon
darauf, nach dieser fruchtbaren Zusammenarbeit mit der ESA, künftig auch weitere
gemeinsame Erfolge zu feiern", fasst Principal Investigator Dr. Neal Y. Lii vom
DLR-Institut für Robotik und Mechatronik zusammen. Zum Abschluss der Surface-Avatar-Reihe
reichten sich NASA-Astronaut Kim und DLR-Wissenschaftler Lii in Oberpfaffenhofen
die Hand – mittels des DLR-Roboters Rollin‘ Justin, der per
Kraftrückkoppelung die Kraft und Bewegung des Händeschüttelns beide
Experimentpartnern spüren ließ. Ein emotionaler Moment, in der Technologie "made
in Germany" steckt. In der Regelungstechnik zur Kompensation der Zeitverzögerung
im Weltraum ist Deutschland weltweit führend. So war dieser Tele-Handschlag auch
eine passende Hommage an die gemeinsame Reise von DLR und ESA.
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