Suche nach Ursache für Beryllium-Anomalie im Pazifik
Redaktion
/ idw / Pressemitteilung des Helmholtz-Zentrums Dresden-Rossendorf astronews.com
11. Februar 2025
Zur Datierung von archäologischen oder geologischen Proben
verwendet man vielfach Kohlenstoff- oder Beryllium-Isotope. Nun hat ein
Forschungsteam in einer Probe vom Boden des Pazifiks eine überraschend hohe
Konzentration von Beryllium nachgewiesen. Wie es zu dieser Anreicherung vor zehn
Millionen Jahren kam, ist unklar - auch astrophysikalische Ereignisse könnten
verantwortlich gewesen sein.
![Beryllium](../../../bilder/2025/2502-008.jpg)
Schematische Darstellung der Produktion und
der Ablagerung von kosmogenem 10Be in
Ferromangan-Krusten.
Bild: HZDR / blrck.de [Großansicht] |
Beryllium-10, ein seltenes radioaktives Isotop, das durch kosmische Strahlung
in der Atmosphäre erzeugt wird, liefert wertvolle Einblicke in die geologische
Vergangenheit der Erde. Ein Forschungsteam des Helmholtz-Zentrums Dresden
Rossendorf (HZDR), hat nun mit der TU Dresden und der Australian National
University in Proben vom pazifischen Meeresgrund eine unerwartete Häufung
dieses Isotops entdeckt. Diese Anomalie könnte vor zehn Millionen Jahren durch
veränderte Meeresströmungen oder durch astrophysikalische Ereignisse entstanden
sein. Sie hat das Potenzial, als globaler Zeitmarker zu dienen – ein
vielversprechender Schritt für die Datierung geologischer Archive über Millionen
von Jahren.
Radionuklide sind Atomkernsorten (Isotope), die nach einer gewissen Zeit in
andere Elemente zerfallen. Sie können dazu genutzt werden, archäologische oder
geologische Proben zu datieren. Das bekannteste Verfahren ist die
Radiokarbondatierung. Das Prinzip: Lebende Organismen nehmen konstant das
radioaktive Isotop Kohlenstoff-14 (14C) auf. Nach ihrem Tod stoppt
die Aufnahme, danach nimmt der 14C-Gehalt durch Zerfall mit einer
Halbwertszeit von ca. 5700 Jahren ab. Das Verhältnis von 14C zu
stabilem Kohlenstoff (12C) erlaubt es, das Sterbedatum zu ermitteln.
Dadurch lässt sich das Alter archäologischer Funde wie Knochen oder Holzreste
sehr genau bestimmen.
"Allerdings reicht diese Methode nur etwa 50.000 Jahre zurück", erläutert
HZDR-Physiker Dr. Dominik Koll. "Um ältere Proben zu datieren, braucht es andere
Isotope, zum Beispiel kosmogenes Beryllium-10 (10Be)." Es entsteht,
wenn kosmische Strahlung auf Sauerstoff und Stickstoff in der oberen Atmosphäre
trifft. Durch Niederschlag gelangt es auf die Erde und kann sich am Meeresgrund
anreichern. Mit einer Halbwertszeit von 1,4 Millionen Jahren zerfällt es zu Bor
und ermöglicht dadurch eine geologische Datierung, die mehr als zehn Millionen
Jahre zurückreicht.
Vor einiger Zeit hat Kolls Arbeitsgruppe eine besondere Probe untersucht: Im
Pazifik hat ein Forschungsschiff geologische Proben aus mehreren Kilometern
Tiefe geborgen. Es handelte sich um Ferromangankrusten, hauptsächlich bestehend
aus Eisen und Mangan, die sich im Laufe von Jahrmillionen langsam, aber stetig
gebildet hatten. Um die Proben zu datieren, analysierte das Team den 10Be-Gehalt
mit einer hochempfindlichen Methode – der Beschleuniger-Massenspektrometrie am
HZDR. Dabei wird die Probe chemisch gereinigt und anschließend auf Spurenisotope
analysiert. Einzelne Atome aus der Probe werden durch Hochspannung beschleunigt,
mit Magneten abgelenkt und von Spezialdetektoren registriert. Dadurch lässt sich
10Be sowohl von anderen Beryllium-Isotopen als auch von
gleichschweren Molekülen und Isotopen trennen, etwa von Bor-10.
Als die Forschungsgruppe die Messdaten auswertete, erlebte sie eine
Überraschung: "Bei etwa zehn Millionen Jahren fanden wir fast doppelt so viel
10Be, wie es eigentlich zu erwarten gewesen wäre", berichtet Koll.
"Wir waren also auf eine bislang unentdeckte Anomalie gestoßen.“ Um
auszuschließen, dass es sich um eine Verunreinigung handelt, analysierten die
Fachleute weitere Proben aus dem Pazifik. Auch hier zeigte sich die Anomalie –
das Team kann also davon ausgehen, dass es sich um ein reales Phänomen handelt.
Doch wie war die auffällige Konzentrationserhöhung vor zehn Millionen Jahren
entstanden? Koll, der an der TU Dresden und der Australian National
University promovierte, sieht zwei verschiedene Erklärungsversuche. Einer
hängt mit der Ozeanzirkulation nahe der Antarktis zusammen, die sich vor zehn
bis zwölf Millionen Jahren drastisch verändert haben dürfte. "Das könnte dafür
gesorgt haben, dass 10Be durch die veränderten Meeresströmungen eine
Zeitlang ungleichmäßig auf der Erde verteilt wurde", sagt der Physiker. "Dadurch
könnte sich 10Be im Pazifik besonders angereichert haben."
Die zweite Hypothese ist astrophysikalischer Natur. Demnach könnten entweder
die Nachwirkungen einer erdnahen Sternexplosion dafür gesorgt haben, dass die
kosmische Strahlung vor zehn Millionen Jahren vorübergehend intensiver wurde.
Oder die Erde hatte zeitweise den Schutzschirm der Sonne – die Heliosphäre –
durch die Kollision mit einer dichten interstellaren Wolke verloren und war
dadurch stärker dem Einfluss der kosmischen Strahlung ausgesetzt. "Ob die
Beryllium-Anomalie durch veränderte Meeresströmungen entstanden war oder
astrophysikalische Gründe hat, können nur neue Messdaten zeigen", meint Koll.
"Deshalb wollen wir künftig weitere Proben analysieren und hoffen, dass andere
Forschungsgruppen das auch tun."
Sollte man die Anomalie überall auf dem Globus finden, spräche das für die
Astrophysik-Hypothese. Sollte sie dagegen nur in manchen Regionen auftreten,
wäre die Erklärung mit veränderten Meeresströmungen plausibler. Für die
geologische Beryllium-Datierung jedenfalls könnte die Anomalie einen deutlichen
Nutzen haben. Grundsätzlich gibt es bei Datierungen ein Problem, verschiedene
Archive zu vergleichen. Dafür braucht es Zeitmarker, die sich in sämtlichen
Datensätzen finden und mit deren Hilfe sich die Archive miteinander
synchronisieren lassen. "Für Zeiträume von Jahrmillionen gibt es solche
kosmogenen Zeitmarker noch nicht", erklärt Dominik Koll. "Doch diese
Beryllium-Anomalie hat das Potenzial, als ein solcher Marker zu fungieren."
Die Ergebnisse wurden kürzlich in Nature Communications
veröffentlicht.
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